"Krieg der Sterne" und die neuen Vater-Sohn-Konflikte

Von Dirk Knipphals |
Ich bin früher mit meinen Eltern nie ins Kino gegangen - es passte ihnen damals, in den aufstiegswilligen Siebzigerjahren nicht in ihr bürgerliches Bildungsprogramm.
So war das Kino in meiner Jugend etwas, was der Clique gehörte. Man ging halt zusammen mit seinen Freunden rein und später auch mit seiner Freundin. Es spricht wenig dafür, dass sich in dieser Hinsicht etwas geändert hat, auch in Zeiten von DVD und Home Entertainment nicht. Das Kino ist immer noch ein integraler Bestandteil der Freundschaftspolitik junger Großstadtbewohner - Freundschaft besteht eben auch darin, ab und zu zusammen aus einem Popcornbecher zu naschen.

Eines allerdings hat sich schon geändert: Man sieht inzwischen auch viele Eltern mit ihren Kindern an der Kassenschlange stehen. Ich kann mich an keinen Freund erinnern, dem ein gemeinsamer Kinobesuch mit dem eigenen Vater nicht abgrundtief seltsam und irgendwie auch peinlich vorgekommen wäre. Heute ist das ganz normal.

Man kann auf solche Gedanken kommen, wenn man sich den Rummel um die neue Episode der "Star Wars"-Saga anschaut. Zugegeben: Die Marketingkampagne ist etwas penetrant. Es geht bekanntlich um die helle und die dunkle Seite der Macht, und hierin zeigt sich die dunkle Seite der "Star Wars"-Mythologie selbst: Es ist ein wenig anstrengend, ihren Figuren überall zu begegnen, auf jeder zweiten Litfasssäule, in jedem Fernsehwerbeblock und sogar im Supermarkt, auf Packungen für Kinderfrühstück.

Die helle Seite aber ist: Nicht nur bei der Profitrate und den tricktechnischen Innovationen ist "Star Wars" etwas Besonderes. Es ist zugleich auch der erste Kinomythos, der zwei Generationen von Kinozuschauern gleichzeitig gehört - und dabei die Wandlungen im Dreieck von Eltern, Kindern und Kino mitgemacht hat.

Ich sollte an dieser Stelle wohl anfügen, dass ich vom "Star Wars"-Kosmos emotional voll erwischt worden bin. 1977, als der erste Teil in die Kinos kam, war ich 14 Jahre alt - genau richtig, um sich von diesem Weltraumabenteuer mitnehmen zu lassen. Inzwischen habe ich einen Sohn, der vor Neugierde auf die Episode III förmlich platzt. So erlebe ich also auch jetzt alle Gefühle mit, die dieser Film auszulösen versteht - obwohl mein eigener heißer Enthusiasmus angesichts der neuen Teile eher freundlicher Neugierde und, das aber immerhin auch!, einer tiefen Rührung gewichen ist.

Ausgerechnet die Figur des Bösen löst in mir mittlerweile die größte Rührung aus. Ein großer Maschinenmensch mit röchelndem Atem, dessen Kostüm ganz bewusst an eine SS-Uniform erinnert, Darth Vader also: Das war in den Siebzigerjahren ein ziemlich starkes Bild, um einen Generationenkonflikt anzuzeigen. Was für eine ödipale Zwickmühle, als Luke Skywalker mitten im Kampf feststellen muss, dass Darth Vader wirklich sein Vater ist! Ein übermächtiges Imperium kann man bekämpfen; aber dass man sich dabei auch gegen den eigenen Vater wenden muss, das ist ein starkes Stück.

Es ist es bis heute geblieben; nur kommt es mir so vor, als sei inzwischen die Idee einer notwendigen Verbindung des bösen Imperiums mit der Welt der Väter zerbrochen. Selbstverständlich gibt es immer noch reichlich Raum für Konflikte zwischen Vätern und ihren Kindern, nicht zuletzt in der Frage, ab wann Kinder sich Kinofilme angucken dürfen. Aber vieles, was eine Generation zuvor noch gesamtgesellschaftlich eingebunden war, ist nun ins Individuelle gerutscht. Dass Väter gleichsam von selbst mit der dunklen Seite der Macht paktieren, das war in den Siebzigern ein Resonanzraum, der den Hintergrund für Lukes Familiendrama abgab. Inzwischen kommt es da auf den Einzelfall an - wie im Übrigen auch die neue Episode III zeigt. Wer hier böse ist und wer gut, das ist gar nicht mehr leicht zu bestimmen. Die klare Frontstellung zwischen der Welt der Söhne und der Rebellen gegen die Welt der Väter und des Imperiums hat sich zugunsten einer unübersichtlichen Situation aufgelöst.

Man kann also einiges über die "Star Wars"-Saga sagen, auch einiges Schlechtes. Aber dass inzwischen Väter und Kinder gemeinsam solche Kinoerlebnisse teilen, das möchte ich hiermit als gesellschaftlichen Fortschritt werten. Während die Väter damals noch nicht einmal hinsahen und Darth Vader gar nicht erst kennen lernen wollten, wissen viele von ihnen heute um die Gefahr, dass sie in den Augen ihrer Kinder schnell zu einem schwarzen, übermächtigen Lord werden können.

Keiner will Darth Vader sein. Die Konflikte hören so nicht auf. Aber so hat man zumindest Raum und Zeit für die richtigen, die individuellen Konflikte.
Dirk Knipphals, geboren 1963, hat Germanistik und Philosophie in Kiel und Hamburg studiert. 1994 Kulturredakteur der "taz hamburg". 1996 bis 1999 beim "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt", zuletzt als Ressortleiter Kultur und Gesellschaft. Ab 1999 Literaturredakteur der "tageszeitung". Dirk Knipphals lebt in Berlin.