"Kreisverbände müssen die Stimme erheben"

Georg-Ludwig von Breitenbuch im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Vor dem Treffen der CDU-Kreisvorsitzenden mit CDU-Chefin Merkel hat Georg-Ludwig von Breitenbuch kritisiert, dass man in der Union zwar über alles streiten könne, es jedoch Mängel bei der Kommunikation zwischen Parteispitze und Basis gebe.
Jan-Christoph Kitzler: Heute hü, morgen hott, so kommt manchen der Ausstieg der Bundesregierung, der Kurs der Bundesregierung in Sachen Atomausstieg vor, auch wenn der Ausstieg, der noch vor der Sommerpause durchs Parlament soll, nun wieder als Meilenstein verkauft wird. Vor nicht mal einem Jahr wurde die Laufzeitverlängerung, um die es damals viel Ärger gab, schließlich auch als ein Meilenstein bezeichnet. Das sorgt für Unmut auch an der CDU-Basis, also dort, wo die Parteivertreter nah dran sind am Bürger, wo man seinem Gegenüber diese "Schaukelpolitik" erklären muss. Und dieser Unmut, er wird heute möglicherweise auch zum Thema werden, wenn sich die Kanzlerin und die Parteispitze mit den Kreisvorsitzenden trifft. Einer der nicht mit seiner Meinung hinterm Berg hält ist Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU-Vorsitzender im Landkreis Leipzig. Ich habe ihn kurz vor der Sendung gefragt, wie weit die Parteispitze der CDU denn von der Basis entfernt ist.

Georg-Ludwig von Breitenbuch: Na ja, die Basis tut sich schon sehr schwer damit, das, was 2009 ja im Wahlkampf sehr offen propagiert wurde, nämlich die Laufzeitverlängerung und mit den Einnahmen aus diesen verlängerten Betriebszeiten eben dann auch eine Finanzierung der Energiewende – dass das nun alles nicht mehr so sein soll, wie es eben war. Und da tut sich gerade die CDU, die damals wirklich auch dafür gekämpft hat und damals ja auch gescholten wurde vom politischen Gegner, tut sie sich natürlich jetzt heute schwer.

Kitzler: Im vergangenen Jahr mussten Sie den Bürgern ja die Verlängerung der Laufzeiten erklären, und jetzt wiederum halt die Rolle rückwärts. Wie groß ist denn der Unmut?

von Breitenbuch: Die Verlängerung letztes Jahr zu erklären, war relativ einfach, weil natürlich eine Wahl dazwischen war. Es war ganz offensiv im Wahlprogramm genannt worden, dass die CDU das möchte, der Koalitionspartner machte mit, und insofern ist ja dieses Ergebnis sehr klar auch als politische Folge eines inhaltlichen Ringens zustande gekommen. Und insofern fällt uns jetzt diese Entscheidung in diesem Jahr natürlich sehr schwer, bei der CDU-Basis zu verankern, wieder neue, weil eben auch die CDU sich hinter diese Linie voll gestellt hat und sie auch verständlich rüberkam. Und natürlich fragt man sich – und diese Fragen werden ja auch teilweise nicht exakt beantwortet: Wie lange dauert es, was soll es kosten, wie kann man heute schon Termine festsetzen, wo man gar nicht weiß, was in zehn Jahren ist? Und da diese Fragen nicht beantworten werden, fragt man sich, warum das alles jetzt so festgezurrt wird.

Kitzler: Die Kreisvorsitzenden treffen sich regelmäßig mit der Parteispitze – meinen Sie, heute wird Tacheles geredet?

von Breitenbuch: Wir sind eingeladen zu aktuellen Fragen, das Thema Energiepolitik steht nicht exakt drauf, man nimmt natürlich an, dass es Thema wird, aber wir haben uns schon gewundert, dass nicht konkreter eigentlich so eingeladen wurde, wie eigentlich die politische Debatte auch ist und wie wir sie ja auch in den Kreisverbänden erleben. Wir hatten jetzt Kreisvorstandssitzung in dieser Woche, und da war das eins der Hauptthemen: Wie gehen wir als CDU damit um und wie können wir die Fragen, die wir von Freunden, von Bekannten zu diesem Thema bekommen, eigentlich noch glaubwürdig beantworten.

Kitzler: Die Grünen zum Beispiel, die machen ja in Sachen Atomausstieg einen Sonderparteitag, hätten Sie sich so was Ähnliches auch gewünscht für die CDU?

von Breitenbuch: Also über die Wege kann man streiten, ob der Parteitag richtig ist – es ist sicher immer das Gremium, was, ich sage mal, am nächsten an der Basis – wir schicken ja Delegierte zum Bundesparteitag – am nächsten an der Basis diskutieren kann. Aber man hätte auch natürlich bei den Kreisverbänden abrufen können, wie die Meinungen sind, wo die Befindlichkeiten sind. Bei so einer entscheidenden Geschichte, die regierende oder mit regierende größte Partei nicht mitzunehmen, ist natürlich nicht unbedingt sinnvoll.

Kitzler: Haben Sie denn den Eindruck, das, was die Basis denkt, der CDU, das kommt überhaupt an an der Parteispitze?

von Breitenbuch: Das hoffe ich. Ich denke mal, die Sensoren sind natürlich da, aber es gibt manchmal Zeiten, da muss man das natürlich verstärkt einfordern, und da, denke ich mal, ist so eine Kreisvorsitzenden-Konferenz sicher hilfreich.

Kitzler: Die CDU ist ja relativ zerrissen, wie eigentlich beide großen Volksparteien, zwischen dem eher liberalen Kurs, den Frau Merkel jetzt fährt, und denen, die sich ein eher konservativeres Profil wünschen. Mal abgesehen von diesem Zwiespalt, ist Ihnen das Profil der CDU zu unscharf?

von Breitenbuch: Ich bin ja sächsischer Politiker, Landespolitiker, wir sind bisher noch eine 40-Prozent-Partei und wollen das auch bleiben und auch wieder noch stärker werden. Das heißt also, wir fühlen uns als Volkspartei und bekommen das eigentlich mit diesen Flügelkämpfen gut in den Griff. Und wir hoffen, dass es auch der Bundespartei gelingt, und bringen uns natürlich da sehr aktiv ein. Sowohl unser Ministerpräsident und Landesvorsitzender sowie unsere Fraktion wie auch alle anderen, auch die Bundestagsabgeordneten aus Sachsen haben ja sehr laut immer ihre Bedenken geäußert und das werden wir, denke ich, auch weiterhin machen.

Kitzler: In den Umfragen bleibt die CDU immer noch stärkste Partei, aber zurzeit ist man weit entfernt von einer Regierungsmehrheit. Was muss denn jetzt passieren, was muss sich ändern?

von Breitenbuch: Na gut, natürlich muss einfach die Basis wieder klar hinter der Führung stehen und umgekehrt, und genau darum ringen wir ja bei solchen Entscheidungen. Das sind Kommunikationsprobleme, das sind natürlich Dinge, die im schnellen Berliner Alltag vielleicht dann einfach anders transferiert werden müssen in die Landesverbände und Kreisverbände, aber das ist ja das Wichtige, dass die Partei sich auch dann dahinterstellt. Und insofern muss diese Führungsaufgabe geleistet werden.

Kitzler: Ist es denn wirklich ein Kommunikationsproblem, wie Sie jetzt sagen, oder vielleicht eher ein Kursproblem?

von Breitenbuch: Das Kommunikationsproblem ist jetzt für uns als CDU – und so telefonieren wir ja jetzt – das Entscheidendere zurzeit. Sachlich kann man natürlich über alles streiten, und da gibt es Argumente für und gegen Atomkraft und auch, wie lange wir sie noch brauchen, und auch mit allen anderen Energieformen und Veränderungen, das kann man alles sachlich diskutieren und liegt ja eher auf einem technisch-ökonomischen Diskussionsfeld als auf einem politischen. Aber Kommunikation in einer Partei ist unerlässlich, damit eben auch die Bürger merken, es gibt von einer Bundesvorsitzenden über die Länder bis über die Kreise, eben bis an den einzelnen Bürger Kontinuität, und genau das versuchen wir ja jetzt wieder zusammenzubinden. Und dafür müssen natürlich auch die Kreisverbände die Stimme erheben, wenn sie merken, da entstehen Risse.