Kreativität statt Therapie

Von Jan Tussing |
Ihre Werke werden von Museen in aller Welt gekauft und gesammelt - das sogenannte kreative Wachstumszentrum in Oakland bei San Francisco hat in seiner Geschichte viele bedeutende Künstler hervorgebracht. Das Besondere daran: Sie sind geistig behindert.
Ein Zentrum für Outsiderkunst, das sich auf Künstler mit geistigen Schwächen und Behinderungen spezialisiert hat: Das sogenannte kreative Wachstumszentrum in Oakland bei San Francisco hat in seiner Geschichte viele bedeutende Künstler hervorgebracht, deren Werke von Museen in aller Welt gekauft und gesammelt werden.

"Wir haben Stars im Atelier, was die Ausstellungen angeht, aber es gibt keine Stars, was ihre Position im Atelier angeht. Und das ist interessant, denn Leute, Sammler, Besucher oder die Öffentlichkeit, die kommen hierher und sagen dann, oh, das ist der Künstler. Ich sammele seine Kunst seit zehn Jahren oder habe ihn im Museum für moderne Kunst gesehen oder saß neben seinem Werk und wusste nie, wer er ist. So wie sich jemand als Person im Atelier präsentiert und wie seine Kunst gezeigt wird, sind nicht notwendigerweise gleich."

Die Arbeit in der großen Licht durchfluteten Werkstatt ist für viele Künstler eine willkommene Abwechslung zu ihrem zum Teil schwierigen Alltag. Gloria Gonzalez gehört schon seit über 20 Jahren zu Creative Growth. Sie knüpft einen Teppich mit einer großen orangefarbenen Katze drauf.

Morgens werden die Künstler mit einem Bus ins Zentrum gefahren, dann arbeiten sie den ganzen Tag an ihrem Platz. Hoch konzentriert und oft auch sehr schweigsam. Abends um sechs geht's dann wieder nach Hause. Wer welches Medium wählt, bleibt jedem Künstler selbst überlassen. Niemand wird zum Arbeiten gezwungen, sagt Tara, die beim Teppichknüpfen hilft.

"Wir hatten einen Künstler, der die ersten zwei, drei Jahre gar nichts gemacht hat. Ich habe mich sogar gefragt, ob er überhaupt Kunst machen wollte, er hatte viele Freunde, und seine Frau ging zu Creative Growth, deswegen kam er. Aber dann hat er eine Möglichkeit gefunden, Kunst zu machen, die ihm gut steht und er ist so erfolgreich damit. John Hilltunen macht Collagen und hatte eine ausverkaufte Soloshow in New York in der Galerie Whitecollins und er war auf der Kunstmesse in Miami, er verkaufte alle seine Kunstwerke und ist richtig erfolgreich. Manchmal kommt jemand, der lange braucht und Löcher in die Luft starrt, aber dann heben sie ab. Das ist cool. Ich liebe es."

Tara Tucker betreut, unterhält und unterrichtet ihre Gruppe beim Herstellen von Teppichen. Tara ist selbst auch Künstlerin und sieht sich nicht als Lehrerin, sondern eher als Vertraute. Sie selbst lernt viel von ihrem Job.

"Die Künstler sitzen nicht herum und machen nichts. Na ja, die meisten jedenfalls. Sie sind so diszipliniert und das beeinflusst meine eigene Arbeit."

Natürlich haben ihre Kunden auch emotionale Probleme, und sie tauscht sich mit ihnen über ihren Alltag aus. Aber die Künstler am Zentrum sind keine Kinder, sagt Tara. Sie hält daher auch nichts davon, sie als Kinder zu behandeln.

"Es gibt keinen Unterschied zwischen Künstlern am Zentrum und anderen Künstlern. Landläufig glauben viele Menschen, dass Künstler auf eine Kunsthochschule gegangen sein müssen, um sich Künstler nennen zu können, aber wenn du mal wirklich schaust, welche Künstler weltweit erfolgreich sind, dann hast du eine Hälfte mit Ausbildung und die andere Hälfte, die sich alles selbst beigebracht hat - oder aus anderen Bereichen kommt. Ich glaube, nur wegen des Stigmas behindert zu sein, neigen wir dazu, Künstler in wir und sie einzuteilen, aber es macht für mich keinen Sinn, unter Künstlern zu unterscheiden."

Die meisten Künstler kommen seit Jahren ins Zentrum und natürlich entwickeln sich da enge Bindungen. Fast jeder bringt seine Alltagsprobleme mit auf die Arbeit und schüttet sein Herz aus.

Droone Spil ist einer von unseren bekannteren Künstlern, sagt Tara. Seine gesamte Kunst dreht sich darum, die perfekte Frau zu finden. Er schuf eine ganze Stadt und alle Leute in seiner Arbeit leben in seiner Stadt, sie heißt Schokoladen-Stadt. Er erschafft Charaktere, das sind dann perfekte Frauen, und er macht keinen Unterschied zwischen seiner Fantasie und seinem richtigen Leben. Am Ende bleibt er aber ewig frustriert, denn er kann diese perfekte Frau nicht finden.

"Zum Glück hat er seine Kunst, um damit fertig zu werden. Du siehst, wenn er frustriert ist, denn seine Bilder spiegeln das wider. Es ist keine Kunsttherapie, aber de facto ist es doch Kunsttherapie."

Im Zentrum befindet sich auch eine Galerie, in der die Künstler ihre Werke ausstellen und verkaufen. Aus den Erlösen finanziert Direktor Tom di Maria das Zentrum. Er ist sehr engagiert und hat es geschafft, die zunehmend weniger werdenden staatlichen Hilfen zu kompensieren.