Kreatives Potenzial aktivieren
Mitarbeiter nach Ihren Ideen zu fragen und die besten Ideen zu belohnen, das ist nichts Neues. "Vorschlagswesen" nannte man das früher. Relativ neu ist es, die Mitarbeiter-Ideen webbasiert abzufragen, zu prüfen und umzusetzen - und zwar durch ein softwaregestütztes Ideenmanagement.
Stephan Karkowsky: Der Gelsenkirchener Betriebswirtschaftsprofessor Friedrich Kerka leitet das Bochumer Institut für angewandte Innovationsforschung und er soll uns sagen, was er davon hält. Guten Morgen, Herr Kerka!
Friedrich Kerka: Guten Morgen, Herr Karkowski!
Karkowsky: Wie unterscheidet sich IDM, also das Ideenmanagement, denn von dem, was früher mal betriebliches Vorschlagswesen hieß, also kurz BVW?
Kerka: Von der Grundkonzeption erstmal relativ wenig, das heißt, im Fokus steht eben, alle Mitarbeiter zu aktivieren, das heißt dann, möglichst viele Ideen von allen Mitarbeitern zu bekommen. Die Mittel, die man dafür einsetzt, sind mittlerweile andere. Da konzentriert man sich eigentlich auf drei Dinge: Man kauft häufig moderne Softwareplattformen ein, die dann eben nicht nur eine Ideeneinreichung, sondern in Foren eben auch die Diskussion ermöglichen, unterlegt das eben mit Prämiensystemen, mit denen man dann eben auch innovatives Engagement honorieren möchte, und bewirbt das Ganze mit Flyern oder dann eben auch Artikeln in Mitarbeiterzeitschriften.
Karkowsky: Wie läuft das denn konkret? Der Fordmitarbeiter in Köln verlässt also das Fließband oder die Werkbank, loggt sich irgendwo im Computer ein und gibt seine Idee ein?
Kerka: Zumindest so, wie das sich das zentrale Ideenmanagement vorstellt, wäre das die eine Idealkonstellation. Der natürliche Weg wäre natürlich, sofort zu seinem Vorgesetzten zu gehen oder mit seinen Kollegen das Thema zu diskutieren!
Karkowsky: Die Idee, brachliegendes Kreativpotenzial der Mitarbeiter zu aktivieren, klingt zunächst nach einer sehr effektiven Art, die Produktivität eines Betriebes zu steigern. Man holt einfach das raus, was eh schon da ist, und gibt dafür fast kein Geld aus, theoretisch. Klappt das auch in der Praxis?
Kerka: In der Praxis funktioniert das häufig nicht so gut, weil über den meisten Ideenmanagementkampagnen könnte das Motto stehen: Hauptsache, viele Ideen. Ich nenne da ein Beispiel: Ein großes Unternehmen mit 50.000 Mitarbeitern hat es tatsächlich geschafft, über eine großangelegte Ideenmanagementinitiative sage und schreibe 100.000 Ideen von seinen Mitarbeitern einzusammeln. Das ist vordergründig natürlich ein Riesenerfolg, zwei Vorschläge pro Mitarbeiter – die Frage ist allerdings, ob das tatsächlich ein unternehmerisches Ideenmanagement ist, denn die Probleme beginnen ja häufig erst danach. 100.000 Ideen, die Sie dann in der Datenbank haben, das ist eine verdammt lange Excelliste, die sie dann abarbeiten müssen. Und damit sind dann eben die zentralen Ideenmanagementabteilungen häufig inhaltlich überfordert und auch haben die Zeit häufig gar nicht damit.
Karkowsky: Und viele Mitarbeiter werden wahrscheinlich auch Dinge fordern oder als Idee einbringen, die gar nicht umsetzbar sind, wie zum Beispiel das Gehalt des Chefs halbieren und auf die anderen Mitarbeiter verteilen!
Kerka: Das sind gerne genommene Beispiele, und die hat man natürlich immer dann anekdotisch dabei. Aber der größte Mangel im Ideenmanagement, zumindest in der zentralen Variante, ist, dass man das kreative Engagement aber wahllos aktiviert. Akzeptiert man aber, dass die Ressourcen für die Innovationsförderung begrenzt sind und eben auch die Belastbarkeit von Unternehmen, dann sollte man das nicht tun, dann sollte man kreatives Engagement nicht wahllos aktivieren, dann sollte man den Mitarbeitern vor der Ideenentwicklung Orientierungspunkte geben. Das ist eigentlich die auch immer wieder selbst eingeforderte Führungsfunktion der Ideenmanager, nämlich erstens Orientierung für Innovationen zu verschaffen und dann die Mitarbeiter dafür zu gewinnen, genau sich um diese Themengebiete zu kümmern, das heißt, sie befähigend zu motivieren, hier engagiert dann an Zukunftsthemen zu arbeiten.
Karkowsky: Ja, und trotzdem könnten die Mitarbeiter ja sagen: Mir doch egal, wenn die Firma mehr Geld verdient durch meine Idee, da mache ich nicht mit! Welche Incentives, welche Anreize, braucht denn so ein Mitarbeiter, um sich überhaupt erst mal Gedanken zu machen über – sagen wir – verbesserte Betriebsabläufe, und dann diese Gedanken auch noch zu teilen mit seinen Vorgesetzten?
Kerka: Die Prämierung steht häufig in Ideenmanagementkampagnen im Vordergrund. Ist ein ganz sensibles Thema, weil kreatives Engagement natürlich zu honorieren ist; ob das immer Geld ist oder modisch dann möglicherweise eben auch die Tombola, bei der man ein Fahrrad gewinnen kann oder wenn man Punkte gesammelt hat, am Ende ein neuer Fernseher in der eigenen Wohnung steht, ob das der richtige Weg ist, wage ich mittlerweile zu beschreiten. Denn man untergräbt damit in vielen Abteilungen eben auch Kulturen des selbstständigen und selbstverständlichen Arbeitens an Neuerungen, an kontinuierlichen Verbesserungsprozessen, und das halte ich eigentlich grundsätzlich für eine Gefahr des Ideenmanagements, nämlich diese Innovationskulturen zu untergraben. Wertschätzung kreativen Engagements, den Leuten Verantwortung für eben Entwicklungsprozesse zu geben, auch eigene Entscheidungen zu treffen, ist häufig viel wertvoller und eine viel größere Art der Wertschätzung als eine Honorierung, an den Stellschrauben der Honorierung zu drehen.
Karkowsky: Sie hören im "Radiofeuilleton" den Leiter des Bochumer Instituts für angewandte Innovationsforschung, Professor Friedrich Kerka. Herr Kerka, auch die Ideenförderung macht sich nicht von alleine, sie muss verwaltet werden, sie braucht eine Software. Dafür müssen Mitarbeiter geschult werden, die muss gewartet werden, betreut, Prüfungen gibt es der Ideen, bleibt da vor lauter Ideenverwaltung noch was übrig, was den Betrieb wirklich weiterbringt oder produziert das nur Kosten?
Kerka: Sie stellen das so dar, als wäre das eine These, die ich unbedingt bestätigen müsste, dass Ideenmanagementsoftware eine Voraussetzung für Ideenmanagement ist. Nehmen Sie beispielsweise eines der innovativsten Unternehmen in Deutschland, in Neuss ansässig, 3M, das Erfinderunternehmen. Dort gibt es kein betriebliches Vorschlagswesen und es gibt eben auch nicht so etwas wie eine zentrale Verwaltung aller Ideen. Dort versucht man eben tatsächlich rund um Zukunftsthemen, die auch von Mitarbeitern kommen, in Projektteams zu arbeiten und dort Projektfortschritte zu erzielen.
Karkowsky: Und das ist besser?
Kerka: Weniger Verwaltung ist häufig eine ganze Menge mehr, weil dann Zeit bleibt für originäre Innovationsarbeit!
Karkowsky: Seit Anfang des Jahres leiten Sie ein Projekt, das, wie bei BWLern üblich, wieder eine knackige Abkürzung hat, nämlich Prodi. Sie erforschen da Produktivitätssteigerung bei Dienstleistungen durch Prozessinnovation. Das Ideenmanagement gilt doch, soweit ich lesen konnte, als Bruder des Innovationsmanagements. Welche Rolle spielt denn IDM für Ihr Projekt?
Kerka: Es kommt natürlich immer drauf an, was man jetzt unter IDM oder Ideenmanagement versteht. In der Praxis hat sich eigentlich so durchgesetzt, dass Innovationsmanagement für die Weiterentwicklung von Produkten steht, die Erschließung neuer Märkte, und dass IDM, genau wie das BVW früher, auf Verbesserung im Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz absieht und vor allen Dingen auch auf Produktivitätssteigerung, das heißt auf eine Debatte, die in Deutschland eigentlich verbrannt ist, nämlich eigentlich Rationalisierung. Dieses Thema Produktivitätssteigerung im Dienstleistungsbereich wollen wir heben, weil wir gerade in dem Bereich erhebliche Defizite ausmachen. Unser alter Chef hat dazu mal gesagt: Wenn Autos so gebaut würden, wie Dienstleistung heute in vielen Bereichen eben auch noch erbracht werden, dann könnten sich wahrscheinlich nur wenige von uns ein Auto erlauben. Ich glaube, da ist eine ganze Menge dran, da kann man viele Dienstleistungssektoren durchgehen. Ich glaube, hier kann man eine ganze Menge von der Produktion lernen. In der Produktion können Sie die Mitarbeiter nachts wecken und danach Fragen, was die sieben Verschwendungsarten sind, und fast alle werden Ihnen dann eben auch nachts verschlafen mit guten Beispielen aufwarten können und sagen können, was Verschwendung ist und was Wertschöpfung in Prozessen. Sie sind einfach sensibilisiert dafür, sich auf Wertschöpfung zu konzentrieren und alles zu vermeiden an Prozessschritten und an Tätigkeiten, für die der Kunde eigentlich nicht bereit ist zu zahlen. Und das genau wollen wir in diesem Projekt eben in den Fokus stellen, mit unterschiedlichen Dienstleistern aus unterschiedlichen Branchen zusammenarbeiten, den aktuellen Stand der Produktivitätsförderung in den Fokus rücken, und dann aber eben auch zu sehen: Was kann man von der Produktion lernen – nicht nur an Tools, beispielsweise, um unnötige Verschwendung zu entdecken und zu vermeiden, sondern wie man Mitarbeiter vor allen Dingen für dieses Thema gewinnen kann!
Karkowsky: Das verschwendungsfreie Arbeiten im Dienstleistungssektor ist Ihr Ziel. Können Sie das mal bebildern, haben Sie da ein Beispiel dafür?
Kerka: Ein Beispiel dafür … ich mache das mal sofort an etwas fest, was wir auch zum Gegenstand unserer Arbeit machen wollen. Ich verbinde in fast allen Veranstaltungen, das heißt, sowohl in meinen Vorlesungen, aber auch in Beratungsprojekten, wo es dann um die Produktivitätssteigerung von Arbeitsprozessen geht, ein Ergebnis von einer Innovationsinitiative von Bosch-Rexroth. Ein Ergebnis dieser Tätigkeiten war, dass die die Mitarbeiter dazu gebracht haben, ein Video zu drehen über Verschwendung in Produktionsprozessen. Aber eben nicht anklagend in der eigenen Produktion, sondern da hat man sich einen Vater ausgewählt, der für seine Kinder Waffeln backt, und dadurch, dass ihm natürlich die Routine fehlt, die Standards fehlen, treten da alle möglichen Fehler auf. Das heißt, am Ende war es eben Überproduktion, weil die Kinder gar nicht mehr da waren, wegen hoher Bestände, ihm fielen die Tupperdosen eben raus, die Rezepte lagen irgendwo rum und fielen auf den Boden. Das sind so typische Fehler, die eben auftauchen, die in den Bereich der sieben Verschwendungsarten gehören, und die man eben inspirierend aufbereiten kann, um Mitarbeiter zu gewinnen. Ich stelle dann immer wieder fest in den Unternehmen, wenn man da auch nach Monaten oder Jahren hinkommt, was übrigbleibt von solchen Initiativen, ist dieser Charme beispielsweise solcher Videos, eben nicht anklagend zu werden, sondern den Leuten erstmal Entlastungsargumente auch so an die Hand zu geben und zu sagen: Verschwendung ist etwas, was überall auftaucht. Wir verschwenden alle Zeit und Geld und gehen häufig anderen Leuten auch unbewusst auf die Nerven. Und darum geht es eigentlich insofern in einem solchen Projekt, die Produktivität. Nicht unbedingt, den Tool-Einsatz zu steigern, sondern sich wirklich Gedanken zu machen, wie man Menschen für so ein Thema gewinnen kann!
Karkowsky: Nun ist das Waffel-Video ein besonders prägnantes Beispiel. Systematisieren ließe sich das wahrscheinlich schwierig. Wäre da nicht IDM, also das Ideenmanagement, genau der Hebel, den ein Betrieb von innen heraus gegen Verschwendung ansetzen könnte?
Kerka: Das ist genau, was ich von den Ideenmanagern fordere, sowohl in der Zentrale, oder wie es dann eben auch organisatorisch umgesetzt ist, dass sie diese sieben Verschwendungsarten oder das Thema Werte schaffen ohne unnötige Verschwendung - was könnte besser in unsere Zeit passen - dass sie das in den Fokus rücken und die Ideenentwicklung eben nicht dem Zufall überlassen, sondern solche Zufälle provozieren, das heißt, den Mitarbeitern Orientierungspunkte geben und dann auch an Beispielen klar machen - an inspirierenden Beispielen klarmachen -, dass es anderen Unternehmen oder auch Personen aus unterschiedlichen Lebensbereichen mit besonderen Maßnahmen gelungen ist, die Produktivität zu steigern.
Karkowsky: Ideenmanagement – was es nutzt und was er davon hält, das haben wir erfahren vom Gelsenkirchener Betriebswissenschaftsprofessor Friedrich Kerka. Er leitet das Bochumer Institut für angewandte Innovationsforschung. Herr Kerka, vielen Dank!
Kerka: Herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Friedrich Kerka: Guten Morgen, Herr Karkowski!
Karkowsky: Wie unterscheidet sich IDM, also das Ideenmanagement, denn von dem, was früher mal betriebliches Vorschlagswesen hieß, also kurz BVW?
Kerka: Von der Grundkonzeption erstmal relativ wenig, das heißt, im Fokus steht eben, alle Mitarbeiter zu aktivieren, das heißt dann, möglichst viele Ideen von allen Mitarbeitern zu bekommen. Die Mittel, die man dafür einsetzt, sind mittlerweile andere. Da konzentriert man sich eigentlich auf drei Dinge: Man kauft häufig moderne Softwareplattformen ein, die dann eben nicht nur eine Ideeneinreichung, sondern in Foren eben auch die Diskussion ermöglichen, unterlegt das eben mit Prämiensystemen, mit denen man dann eben auch innovatives Engagement honorieren möchte, und bewirbt das Ganze mit Flyern oder dann eben auch Artikeln in Mitarbeiterzeitschriften.
Karkowsky: Wie läuft das denn konkret? Der Fordmitarbeiter in Köln verlässt also das Fließband oder die Werkbank, loggt sich irgendwo im Computer ein und gibt seine Idee ein?
Kerka: Zumindest so, wie das sich das zentrale Ideenmanagement vorstellt, wäre das die eine Idealkonstellation. Der natürliche Weg wäre natürlich, sofort zu seinem Vorgesetzten zu gehen oder mit seinen Kollegen das Thema zu diskutieren!
Karkowsky: Die Idee, brachliegendes Kreativpotenzial der Mitarbeiter zu aktivieren, klingt zunächst nach einer sehr effektiven Art, die Produktivität eines Betriebes zu steigern. Man holt einfach das raus, was eh schon da ist, und gibt dafür fast kein Geld aus, theoretisch. Klappt das auch in der Praxis?
Kerka: In der Praxis funktioniert das häufig nicht so gut, weil über den meisten Ideenmanagementkampagnen könnte das Motto stehen: Hauptsache, viele Ideen. Ich nenne da ein Beispiel: Ein großes Unternehmen mit 50.000 Mitarbeitern hat es tatsächlich geschafft, über eine großangelegte Ideenmanagementinitiative sage und schreibe 100.000 Ideen von seinen Mitarbeitern einzusammeln. Das ist vordergründig natürlich ein Riesenerfolg, zwei Vorschläge pro Mitarbeiter – die Frage ist allerdings, ob das tatsächlich ein unternehmerisches Ideenmanagement ist, denn die Probleme beginnen ja häufig erst danach. 100.000 Ideen, die Sie dann in der Datenbank haben, das ist eine verdammt lange Excelliste, die sie dann abarbeiten müssen. Und damit sind dann eben die zentralen Ideenmanagementabteilungen häufig inhaltlich überfordert und auch haben die Zeit häufig gar nicht damit.
Karkowsky: Und viele Mitarbeiter werden wahrscheinlich auch Dinge fordern oder als Idee einbringen, die gar nicht umsetzbar sind, wie zum Beispiel das Gehalt des Chefs halbieren und auf die anderen Mitarbeiter verteilen!
Kerka: Das sind gerne genommene Beispiele, und die hat man natürlich immer dann anekdotisch dabei. Aber der größte Mangel im Ideenmanagement, zumindest in der zentralen Variante, ist, dass man das kreative Engagement aber wahllos aktiviert. Akzeptiert man aber, dass die Ressourcen für die Innovationsförderung begrenzt sind und eben auch die Belastbarkeit von Unternehmen, dann sollte man das nicht tun, dann sollte man kreatives Engagement nicht wahllos aktivieren, dann sollte man den Mitarbeitern vor der Ideenentwicklung Orientierungspunkte geben. Das ist eigentlich die auch immer wieder selbst eingeforderte Führungsfunktion der Ideenmanager, nämlich erstens Orientierung für Innovationen zu verschaffen und dann die Mitarbeiter dafür zu gewinnen, genau sich um diese Themengebiete zu kümmern, das heißt, sie befähigend zu motivieren, hier engagiert dann an Zukunftsthemen zu arbeiten.
Karkowsky: Ja, und trotzdem könnten die Mitarbeiter ja sagen: Mir doch egal, wenn die Firma mehr Geld verdient durch meine Idee, da mache ich nicht mit! Welche Incentives, welche Anreize, braucht denn so ein Mitarbeiter, um sich überhaupt erst mal Gedanken zu machen über – sagen wir – verbesserte Betriebsabläufe, und dann diese Gedanken auch noch zu teilen mit seinen Vorgesetzten?
Kerka: Die Prämierung steht häufig in Ideenmanagementkampagnen im Vordergrund. Ist ein ganz sensibles Thema, weil kreatives Engagement natürlich zu honorieren ist; ob das immer Geld ist oder modisch dann möglicherweise eben auch die Tombola, bei der man ein Fahrrad gewinnen kann oder wenn man Punkte gesammelt hat, am Ende ein neuer Fernseher in der eigenen Wohnung steht, ob das der richtige Weg ist, wage ich mittlerweile zu beschreiten. Denn man untergräbt damit in vielen Abteilungen eben auch Kulturen des selbstständigen und selbstverständlichen Arbeitens an Neuerungen, an kontinuierlichen Verbesserungsprozessen, und das halte ich eigentlich grundsätzlich für eine Gefahr des Ideenmanagements, nämlich diese Innovationskulturen zu untergraben. Wertschätzung kreativen Engagements, den Leuten Verantwortung für eben Entwicklungsprozesse zu geben, auch eigene Entscheidungen zu treffen, ist häufig viel wertvoller und eine viel größere Art der Wertschätzung als eine Honorierung, an den Stellschrauben der Honorierung zu drehen.
Karkowsky: Sie hören im "Radiofeuilleton" den Leiter des Bochumer Instituts für angewandte Innovationsforschung, Professor Friedrich Kerka. Herr Kerka, auch die Ideenförderung macht sich nicht von alleine, sie muss verwaltet werden, sie braucht eine Software. Dafür müssen Mitarbeiter geschult werden, die muss gewartet werden, betreut, Prüfungen gibt es der Ideen, bleibt da vor lauter Ideenverwaltung noch was übrig, was den Betrieb wirklich weiterbringt oder produziert das nur Kosten?
Kerka: Sie stellen das so dar, als wäre das eine These, die ich unbedingt bestätigen müsste, dass Ideenmanagementsoftware eine Voraussetzung für Ideenmanagement ist. Nehmen Sie beispielsweise eines der innovativsten Unternehmen in Deutschland, in Neuss ansässig, 3M, das Erfinderunternehmen. Dort gibt es kein betriebliches Vorschlagswesen und es gibt eben auch nicht so etwas wie eine zentrale Verwaltung aller Ideen. Dort versucht man eben tatsächlich rund um Zukunftsthemen, die auch von Mitarbeitern kommen, in Projektteams zu arbeiten und dort Projektfortschritte zu erzielen.
Karkowsky: Und das ist besser?
Kerka: Weniger Verwaltung ist häufig eine ganze Menge mehr, weil dann Zeit bleibt für originäre Innovationsarbeit!
Karkowsky: Seit Anfang des Jahres leiten Sie ein Projekt, das, wie bei BWLern üblich, wieder eine knackige Abkürzung hat, nämlich Prodi. Sie erforschen da Produktivitätssteigerung bei Dienstleistungen durch Prozessinnovation. Das Ideenmanagement gilt doch, soweit ich lesen konnte, als Bruder des Innovationsmanagements. Welche Rolle spielt denn IDM für Ihr Projekt?
Kerka: Es kommt natürlich immer drauf an, was man jetzt unter IDM oder Ideenmanagement versteht. In der Praxis hat sich eigentlich so durchgesetzt, dass Innovationsmanagement für die Weiterentwicklung von Produkten steht, die Erschließung neuer Märkte, und dass IDM, genau wie das BVW früher, auf Verbesserung im Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz absieht und vor allen Dingen auch auf Produktivitätssteigerung, das heißt auf eine Debatte, die in Deutschland eigentlich verbrannt ist, nämlich eigentlich Rationalisierung. Dieses Thema Produktivitätssteigerung im Dienstleistungsbereich wollen wir heben, weil wir gerade in dem Bereich erhebliche Defizite ausmachen. Unser alter Chef hat dazu mal gesagt: Wenn Autos so gebaut würden, wie Dienstleistung heute in vielen Bereichen eben auch noch erbracht werden, dann könnten sich wahrscheinlich nur wenige von uns ein Auto erlauben. Ich glaube, da ist eine ganze Menge dran, da kann man viele Dienstleistungssektoren durchgehen. Ich glaube, hier kann man eine ganze Menge von der Produktion lernen. In der Produktion können Sie die Mitarbeiter nachts wecken und danach Fragen, was die sieben Verschwendungsarten sind, und fast alle werden Ihnen dann eben auch nachts verschlafen mit guten Beispielen aufwarten können und sagen können, was Verschwendung ist und was Wertschöpfung in Prozessen. Sie sind einfach sensibilisiert dafür, sich auf Wertschöpfung zu konzentrieren und alles zu vermeiden an Prozessschritten und an Tätigkeiten, für die der Kunde eigentlich nicht bereit ist zu zahlen. Und das genau wollen wir in diesem Projekt eben in den Fokus stellen, mit unterschiedlichen Dienstleistern aus unterschiedlichen Branchen zusammenarbeiten, den aktuellen Stand der Produktivitätsförderung in den Fokus rücken, und dann aber eben auch zu sehen: Was kann man von der Produktion lernen – nicht nur an Tools, beispielsweise, um unnötige Verschwendung zu entdecken und zu vermeiden, sondern wie man Mitarbeiter vor allen Dingen für dieses Thema gewinnen kann!
Karkowsky: Das verschwendungsfreie Arbeiten im Dienstleistungssektor ist Ihr Ziel. Können Sie das mal bebildern, haben Sie da ein Beispiel dafür?
Kerka: Ein Beispiel dafür … ich mache das mal sofort an etwas fest, was wir auch zum Gegenstand unserer Arbeit machen wollen. Ich verbinde in fast allen Veranstaltungen, das heißt, sowohl in meinen Vorlesungen, aber auch in Beratungsprojekten, wo es dann um die Produktivitätssteigerung von Arbeitsprozessen geht, ein Ergebnis von einer Innovationsinitiative von Bosch-Rexroth. Ein Ergebnis dieser Tätigkeiten war, dass die die Mitarbeiter dazu gebracht haben, ein Video zu drehen über Verschwendung in Produktionsprozessen. Aber eben nicht anklagend in der eigenen Produktion, sondern da hat man sich einen Vater ausgewählt, der für seine Kinder Waffeln backt, und dadurch, dass ihm natürlich die Routine fehlt, die Standards fehlen, treten da alle möglichen Fehler auf. Das heißt, am Ende war es eben Überproduktion, weil die Kinder gar nicht mehr da waren, wegen hoher Bestände, ihm fielen die Tupperdosen eben raus, die Rezepte lagen irgendwo rum und fielen auf den Boden. Das sind so typische Fehler, die eben auftauchen, die in den Bereich der sieben Verschwendungsarten gehören, und die man eben inspirierend aufbereiten kann, um Mitarbeiter zu gewinnen. Ich stelle dann immer wieder fest in den Unternehmen, wenn man da auch nach Monaten oder Jahren hinkommt, was übrigbleibt von solchen Initiativen, ist dieser Charme beispielsweise solcher Videos, eben nicht anklagend zu werden, sondern den Leuten erstmal Entlastungsargumente auch so an die Hand zu geben und zu sagen: Verschwendung ist etwas, was überall auftaucht. Wir verschwenden alle Zeit und Geld und gehen häufig anderen Leuten auch unbewusst auf die Nerven. Und darum geht es eigentlich insofern in einem solchen Projekt, die Produktivität. Nicht unbedingt, den Tool-Einsatz zu steigern, sondern sich wirklich Gedanken zu machen, wie man Menschen für so ein Thema gewinnen kann!
Karkowsky: Nun ist das Waffel-Video ein besonders prägnantes Beispiel. Systematisieren ließe sich das wahrscheinlich schwierig. Wäre da nicht IDM, also das Ideenmanagement, genau der Hebel, den ein Betrieb von innen heraus gegen Verschwendung ansetzen könnte?
Kerka: Das ist genau, was ich von den Ideenmanagern fordere, sowohl in der Zentrale, oder wie es dann eben auch organisatorisch umgesetzt ist, dass sie diese sieben Verschwendungsarten oder das Thema Werte schaffen ohne unnötige Verschwendung - was könnte besser in unsere Zeit passen - dass sie das in den Fokus rücken und die Ideenentwicklung eben nicht dem Zufall überlassen, sondern solche Zufälle provozieren, das heißt, den Mitarbeitern Orientierungspunkte geben und dann auch an Beispielen klar machen - an inspirierenden Beispielen klarmachen -, dass es anderen Unternehmen oder auch Personen aus unterschiedlichen Lebensbereichen mit besonderen Maßnahmen gelungen ist, die Produktivität zu steigern.
Karkowsky: Ideenmanagement – was es nutzt und was er davon hält, das haben wir erfahren vom Gelsenkirchener Betriebswissenschaftsprofessor Friedrich Kerka. Er leitet das Bochumer Institut für angewandte Innovationsforschung. Herr Kerka, vielen Dank!
Kerka: Herzlichen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.