Krause: "Ich bin nun alles andere als ein strammer Rechter"

Moderation: Stephan Karkowsky · 02.05.2008
Der CDU-Politiker Peter Krause will trotz der Kritik an seiner Person das Amt des Kultusministers in Thüringen antreten. Die Vorwürfe gegen ihn seien "fast vollständig aus der Luft gegriffen", betonte Krause. Seine Tätigkeit bei der umstrittenen rechtsgerichteten Zeitung "Junge Freiheit" begründet er damit, dass er sich ein "ganz freies Debattenblatt" vorgestellt habe.
Stephan Karkowsky: Thüringen soll einen neuen Kultusminister kriegen, doch gegen den Kandidaten gibt es seit Tagen heftige Proteste. Dr. Peter Krause ist Literaturwissenschaftler und sitzt für die CDU im Thüringischen Landtag, aber er war auch mal Redakteur der rechten Zeitung "Junge Freiheit". Linke und Grüne stufen ihn deshalb als stramm rechts ein. - Ich begrüße in Weimar Peter Krause, guten Tag!

Peter Krause: Guten Tag!

Karkowsky: Herr Krause, wir kennen ja nur die offiziellen Reaktionen auf Ihre Berufung als Kultusminister. Wie sieht das denn privat bei Ihnen aus? Raten Freunde und Familie Ihnen jetzt eher zu oder eher ab?

Krause: Ich bin ja nun alles andere als ein strammer Rechter, schon habituell passt das alles überhaupt nicht. Nein, ich habe ein sehr stabiles, soziales Umfeld. Meine Stadt unterstützt mich, meine Partei unterstützt mich, das lässt mich diese Sache auch im Moment durchhalten, auch wenn es schwer ist, wenn in der Öffentlichkeit hier Regionales überregional, ein Zerrbild meiner Person im Moment gezeichnet wird.

Karkowsky: Nun fällt Ihnen auf jeden Fall Ihre Vergangenheit auf die Füße, die "Junge Freiheit" war ja schon Thema, als Sie 2004 an den Landtag kamen. Waren Sie überrascht, dass Sie jetzt wieder in jedem Interview danach gefragt werden?

Krause: Ich war überrascht, deshalb auch die unpräzise Formulierung von dem anerkannten Medium, die kam in einem sehr lockeren Interview auf der Treppe sitzend, sehr persönlich gehalten, und mit dem Journalisten geführt, der auch damals sehr intensiv darüber berichtet hat. Deshalb war ich schon überrascht, dass die Frage nach vier Jahren noch mal kam.

Karkowsky: Warum sind Sie eigentlich nach wenigen Monaten bei der "Jungen Freiheit" damals schon wieder ausgeschieden?

Krause: Weil wir nicht zusammengepasst haben, weil ich eine völlig andere Vorstellung hatte von Zeitung, einerseits politisch, andererseits stilistisch. Ich wollte ein ganz freies Debattenblatt, schon auf konservativem Fundament, aber weit bis nach links ausgreifend. Ich habe da Vorbilder, die sehr unideologisch sind. Heute würde man vielleicht Jörg Friedrich, Götz Aly nennen, die sich nicht in Schablonen pressen lassen. Ich habe mal von einer TAZ von rechts gesprochen, das war so das Leitbild und das ließ sich nicht verwirklichen, das wurde sehr schnell klar.

Karkowsky: Wie erklären Sie denn generell Ihr Interesse für die rechten Blätter und Themen? Da ist das "Ostpreußenblatt", die "Junge Freiheit", da gab es ja nicht nur Ihr Horst-Maler-Interview, da war auch der Artikel über Ernst Nolte für die neurechte Zeitschrift "Etappe". Maler, mehrfach als Volksverhetzer verurteilt, Nolte, diskreditiert, seitdem er den Antisemitismus als Abwehrideologie der Nazis gegen eine Bedrohung durch die Juden entschuldigt hat. Was reizt Sie an diesen Figuren?

Krause: Wir fangen mit Horst Maler an, das war der Endpunkt meiner Tätigkeit insgesamt, der redaktionellen Tätigkeit. Horst Maler galt damals aber als Linksradikaler, als RAF-Anwalt, und es gab nicht mal Tendenzen eines Abrückens davon.

Karkowsky: Es gibt andere, die sagen, kurz vorher war klar geworden, auf welcher Seite er wirklich steht.

Krause: Aber nicht öffentlich und mir schon gar nicht. Er hat danach noch ein großes Interview in der, einen großen Text in der "Süddeutschen Zeitung" veröffentlicht, über Gerhard Schröder. Aber ich glaube, das ist auch mittlerweile ausgeräumt, dieser Vorwurf. Aber das ist aus dem Lebensweg heraus erklärbar: Ich komme aus der DDR, hatte ein relativ normales Leben, aber sehr früh widerständig, eigentlich schon mit 16, mit allen Erfahrungen von Diktatur und Anecken. Ich komme aus der Opposition, habe da diese Erfahrung gemacht, dass man auch Freiheit erstreiten kann und dass die Nation, die Einheit der Nation, etwas Wichtiges ist, auch der Schutzraum von Freiheit.

Karkowsky: Aber warum suchen Sie das in diesen rechten Blättern?

Krause: Moment, lassen Sie mich doch mal bitte … Und dann studiert an westdeutschen Universitäten, aber auch so etwas wie eine subtile Unfreiheitsformen erfahren. Ich war da eher in den Diskussionen etwas wie ein Fremdkörper, durchaus, weil ich ein sehr übersteigertes Freiheitsbewusstsein habe, beinahe anarchistisch. Da guckt man dann schon mal, was ist eigentlich so inkriminiert? Die Linke ist gescheitert in der Wirklichkeit. Was ist mit Leuten wie Jünger, Heidegger, Gottfried Benn? Und dann kam die politische Erfahrung, das Jahr 98, Gerhard Schröder Kanzlerkandidat. Ich hatte ihn in Niedersachsen als Ministerpräsident erlebt, sein – vorsichtig gesagt – geringes Wohlwollen der Vereinigung gegenüber und dem Vereinigungsprozess. Ich wollte gern nach Jahren Bibliothek wieder publizieren und bin zu einer konservativen Wochenzeitung gekommen. Alle Hintergründe waren mir nicht bekannt, diese Naivität habe ich auch zugestanden und wir haben uns ja auch schnell wieder getrennt, weil wir nicht zusammenpassten.

Karkowsky: Die "Thüringische Landeszeitung" hatte eine These geäußert, Krause, heißt es, sei ein freiheitssuchender Rebell und Provokateur, zu lange gegen seinen Willen in der DDR eingesperrt und deshalb auch in der neuen Heimat BRD nur schwer an den gesellschaftlichen Konsens zu gewöhnen. Fühlen Sie sich da zutreffend beschrieben?

Krause: Zumindest nicht unzutreffend, ja. Ich habe Probleme mit Denkschablonen, mit Rastern, mit politischen Mustern, in die man hineingepresst wird. Ich gebe das zu, das wird möglicherweise sogar ein größeres Problem für mein Amt, dass ich schon sehr unkonventionell bin und handle.

Karkowsky: Ist das so eine Art Lust daran, auch die Grenzen des Rechtsstaates auszuloten, also, sich juristisch im Recht zu befinden, juristisch unangreifbar und damit frei zu sein?

Krause: Nein, überhaupt nicht, dafür habe ich ein viel zu starkes Bewusstsein für die Gefährdungen eines Staates. Und mein Thema ist immer, wie ist eine freie Gesellschaft nötig, auch auf der Basis einer konservativen, eher pessimistischen Anthropologie, eines pessimistischen Menschenbildes … Wie wird sich eine freiheitliche Gesellschaft erhalten in Zeiten der Krise, die ich nicht nur studiert habe, sondern auch erfahren habe? Wie funktioniert das, wo sind dann die Bindekräfte in einer Gesellschaft, und wo sind Formeln totalitären Denkens auch durchaus in liberalen Theorien? Das sind die Dinge, die mich interessieren. Da ist überhaupt keine Lust, irgendetwas zu gefährden. Aber zur intellektuellen Provokation, um Debatten anzustoßen, neige ich natürlich.

Karkowsky: Herr Krause, die NPD in Sachen ist ja enttäuscht. Das haben die in einer Pressemitteilung erklärt, dass sie sich von der "Jungen Freiheit" distanziert haben, sie begrüßt aber Ihre Ansichten zu rechten Wahlerfolgen. Sie haben im Mai 98 mal in der "Jungen Freiheit" die Wähler der rechtsextremen deutschen Volksunion gelobt, dafür, dass sie sich überhaupt beteiligen an Wahlen, im Unterschied zu denen, die lieber an Straßenkrawallen teilnehmen. Meiner Ansicht nach sagen Sie dann, mir sind wählende Neonazis lieber als nicht wählende Linke.

Krause: Ja, aber das ist, ich habe das mit vielen Leuten jetzt durchgesprochen, eine ziemlich hellsichtige Analyse vor zehn Jahren gewesen, über die Motive, zur Wahl zu gehen, und dann eben so etwas Unappetitliches und so eine Zumutung wie die DVU zu wählen. Es ist, glaube ich, ein analytischer Text, zu dem ich nach wie vor noch stehe. Es geht darum, wie … Das Politische bricht weg, Politikverdrossenheit, und wo sind dann die Gefährdungen für Extremisten, in diese Räume einzubrechen? Das habe ich versucht, zu analysieren, ohne irgendein positives Urteil, sondern es ist eine reine Analyse. Und was die NPD sagt, ehrlich gesagt, interessiert mich überhaupt nicht.

Karkowsky: Trotzdem wird es schwierig sein, das Wolfgang Nossen zu erklären, dem Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde in Thüringen. Haben Sie das versucht?

Krause: Ich habe das versucht. Wir hatten ein langes Gespräch. Er hat eine gewisse Skepsis mir gegenüber wegen der Tätigkeit, ich akzeptiere das und hoffe, dass ich ihn in meiner Tätigkeit als Minister wirklich überzeugen kann. Mir geben viele mittlerweile 100 Tage, ich solle dann zeigen, was ich wirklich kann und was ich wirklich denke, obwohl ich das mehrfach geschrieben habe. Ich werde diese Chance wahrnehmen.

Karkowsky: Als Kultusminister übernehmen Sie ja auch den Vorsitz im Stiftungsrat der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, und da hat der Thüringer DGB-Chef diese Vorstellung "unerträglich" genannt. Haben Sie Verständnis dafür?

Krause: Ich habe mit Herrn Knigge geredet, dass er …

Karkowsky: Mit dem Leiter der Gedenkstätte Buchenwald.

Krause: Dem Leiter der Gedenkstätte, ja. Dass er Probleme hat, akzeptiere ich. Ich hatte ein Gespräch, ich werde das auch noch einmal suchen, was der DGB-Vorsitzende sagt, ich glaube, das ist in dieser Sache nicht wichtig. Da werden wir aber eine Lösung finden, es wird sich am Gedenkstättenkonzept nichts neu akzentuieren. Die leisten eine deutschlandweit hervorragende Arbeit und dieser Ruf wird definitiv erhalten bleiben.

Karkowsky: Rückzug kommt trotz aller Kritik also für Sie nicht in Frage?

Krause: Kommt nicht in Frage, weil ich keinen Grund dafür sehe, es sei denn, man nimmt bestimmte Vorwürfe gegen mich ernst. Aber sie sind fast vollständig aus der Luft gegriffen oder Bedenken, die ich dann verstehe, aber die ich ausräumen werde.

Karkowsky: Am 8. Mai soll er als neuer Kultusminister Thüringens vereidigt werden, noch protestieren dagegen die, die ihn für dieses Amt als zu rechts empfinden. Dr. Peter Krause, danke für das Gespräch.

Krause: Bitte schön!
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