Zum Tod von Kraftwerk-Musiker Florian Schneider

Die Erschaffung einer "neuen Volksmusik"

Jens Balzer im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 06.05.2020
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Der Musiker Florian Schneider ist tot. Gemeinsam mit Ralf Hütter gründete er die Band Kraftwerk und prägte damit die Geschichte der elektronischen Popmusik maßgeblich.
Der Musiker Florian Schneider ist im Alter von 73 Jahren gestorben. Dies gab die Plattenfirma Sony unter Berufung auf den Kraftwerk-Musiker Ralf Hütter bekannt. Gemeinsam mit Hütter gründete der Sohn des Architekten Paul Schneider-Esleben 1968 in Düsseldorf die Rockgruppe "Organisation". Aus dieser ging kurze Zeit später die Gruppe Kraftwerk hervor.
Mit Alben wie "Autobahn" (1974), "Radioaktivität" (1975) und "Trans-Europa Express" (1977) leisteten Kraftwerk unter wechselnden Besetzungen Grundlagenarbeit für die elektronische Popmusik. Das kreative und konzeptionelle Zentrum bildete dabei stets das Duo Hütter/Schneider.

Von Klassik zu Elektro

Florian Schneider studierte Querflöte. Und spielte in den 1960er Jahren in Jazzbands. Auch Bandkollege Ralf Hütter kam ursprünglich aus der klassischen Musik.
"Aber beide wollten, als sie Ende der 60er in Düsseldorf im Umfeld der Kunstakademie und von Joseph Beuys zusammen zu musizieren begannen, diese klassischen Prägungen überwinden hin zum Experiment mit moderner Technik", erklärt Musikjournalist Jens Balzer.
"Schneider hatte als einer der ersten Musiker in Deutschland alle möglichen Arten von elektroakustischen und elektronischen Instrumenten, mit denen er seinen Flötenklang manipulierte. Es sollte etwas Anderes, Modernes, Futuristisches daraus werden."
Schneider wollte so einen "Bruch mit der Vergangenheit" darstellen. Sie "haben damals einmal gesagt, sie wollten eine 'neue Volksmusik' erschaffen", so Balzer.

Kraftwerk waren "die Roboter"

Die anfänglichen avantgardistischen Klangwelten des Krautrocks wichen bald einer kühleren Konzeption elektronischer Musik, der sich das Auftreten der Musiker als deutsche Klangingenieure anpasste. Dazu gehörte die Einrichtung des in Musikerkreisen legendären Klingklang-Studios in Düsseldorf, das der nach außen verschlossen und einsilbig auftretenden Band als Rückzugsort diente. Lieder wie "Die Roboter" aus dem Album "Die Mensch-Maschine" (1978) prägten das Image der Band.
"Sie begannen sich als Roboter zu inszenieren, als Menschen, die ihrerseits nur noch Anhängsel von Maschinen waren, beziehungsweise mit diesen Maschinen zur einer 'Mensch-Maschine' verschmolzen", erklärt Balzer. "Das hat sich auch in ihrer Ikonographie, in ihrem Image niedergeschlagen."
Überrollt von den Entwicklungen in der elektronischen Musik, die sie angetreten haben, wurde es um Kraftwerk ab den späten 80er-Jahren still.
Ein Comeback gelang 1999 zur Expo2000, zu der Kraftwerk ein Promo-Stück lieferten. 2003 folgte das Album "Tour de France". Seitdem verwalten Kraftwerk ihren künstlerischen Nachlass in Form von Katalog-Wiederveröffentlichungen und Retrospektive-Konzerten.

Auf Solo-Pfaden

1998 wurde Florian Schneider zum Professor für Medienkunst und Performance an die Staatliche Hochschule für Gestaltung Karlsruhe berufen. 2009 verließ er, ohne nähere Angaben von Gründen, die Band. Seitdem führt Ralf Hütter Kraftwerk alleine mit drei weiteren Musikern fort.
Pflegte Schneider zu Kraftwerk-Zeiten noch gemäß dem Band-Image ein unterkühltes Auftreten, gab er sich nach seinem Abschied aus der Band in der Öffentlichkeit deutlich gelassener.
2015 veröffentlichte er den Song "Stop Plastic Pollution". (thg)

2018 veröffentlichte der Publizist und Popexperte Uwe Schütte den Band "Mensch-Maschinen-Musik. Das Gesamtkunstwerk Kraftwerk". In unserer Sendung "Tonart" haben wir mit ihm über Florian Schneider und Kraftwerk gesprochen. Hören Sie hier unser Gespräch:
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