Kränkung religiöser Gefühle oder Zensur?

Von Franziska Rattei · 12.07.2010
Rund ein Jahr dauerte der Prozess, der heute vor dem Moskauer Gericht zu Ende geht. Angeklagt sind die Intellektuellen Andrej Jerofejew und Juri Samodurow. Den beiden Kuratoren der Ausstellung "Verbotene Kunst 2006" wird "Anstiftung zur religiösen Zwietracht oder zu Hass auf Religionen" vorgeworfen.
März 2007: An der Eingangstür des Moskauer Sacharow-Zentrums hängt ein Zettel. Psychisch Labile und Minderjährige werden gewarnt vor den Kunstwerken im Innern. Der Titel der Ausstellung "Verbotene Kunst 2006" erklärt, um welche Arbeiten es sich handelt: 24 Bilder anerkannter russischer Nonkonformisten, deren Präsentation 2006 von Museumsdirektoren verhindert wurde. Der Grund: die provokative Darstellung christlicher Symbolik.

Unter diesen Werken finden sich: Eine mit Kaviar gefüllte Ikone, Jesus als Werbefigur für McDonalds oder mit einem Lenin-Orden anstelle des Kopfes und Micky Mouse als Erlösergestalt auf dem Weg nach Golgotha.

Die Ausstellung hat Konsequenzen für die beiden Kuratoren Andrej Jerofejew und Juri Samodurow. Vertreter rechter und orthodoxer Kreise fordern die Schließung des Museums und eine Übergabe an kirchliche Organisationen. Ein Dachverband von über 200 orthodoxen Organisationen wendet sich an die Moskauer Staatsanwaltschaft und erreicht, dass diese im Mai 2008 Anklage gegen Jerofejew und Samodurow erhebt. Der Vorwurf: "Anstiftung zur religiösen Zwietracht oder zu Hass auf Religionen" laut Strafgesetzbuch.

Jerofejew entschuldigt sich beim russisch-orthodoxen Patriarchen: religiöse Gefühle habe er nie verletzten wollen. Gleichzeitig ist Jerofejew der Meinung, dass es bei dem Streit eigentlich gar nicht um Religion geht. Vor einem Jahr sagte er in diesem Programm:

"Ich seh den Sinn dieses Prozesses folgendermaßen: Das ganze hat einen politischen Aspekt, es geht nicht um Blasphemie. Es geht nicht darum, dass man die Armee verunglimpft oder die Behörden verunglimpft. Es ist einfach, dass in Russland man Angst davor hat, dass gelacht wird. Man hat Angst vor dem Lachen, Angst vor der Ironie."

Die Moskauer Staatsanwaltschaft hat je drei Jahre Straflager beantragt für Andrej Jerofejew und Juri Samudurow. 13 russische Künstler baten Kremlchef Dimitri Medwedjew um Hilfe für die beiden Angeklagten.