Kotau fürs Big Business

Von Silke Ballweg · 09.08.2012
Chinas Kinomarkt boomt, ist aber streng kontrolliert. Nur wenige ausländische Filme pro Jahr dürfen gezeigt werden, Koproduktionen mit chinesischen Partnern ausgenommen. Also gehen immer mehr Filmemacher diesen Weg, zuletzt Titanic- und Avatar-Regisseur James Cameron.
Fotografen, Champagner, strahlende Gesichter. Titanic-Regisseur James Cameron und seine neuen chinesischen Partner feiern in Peking. In Zukunft wollen beide Seiten in China 3-D-Filme produzieren. Dafür sieht James Cameron eine große Zukunft im Reich der Mitte:

"Jeden Tag wird irgendwo im Land ein Kino eröffnet, und diese Kinos sind mit digitaler 3-D-Technik ausgestattet. China ist der potentiell größte 3-D-Markt auf der ganzen Welt und wir sind sehr froh, dass wir den Übergang von normalen Filmen zur 3-D-Technologie mitgestalten können. Wir glauben, dass 3-D die Zukunft der Unterhaltung ist. Und dass China die Zukunft von 3-D ist."

James Cameron ist auch in China ein überragender Star. Sein Science-Fiction Werk "Avatar" war im Reich der Mitte ein Kassenschlager. Der von ihm gedrehte Film "Titanic" gehört zu den erfolgreichsten Produktionen in China überhaupt.

Vor allem die 3-D-Version des Dramas mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio begeisterte die Chinesen. Sie spielte, als sie im vergangenen Jahr in die chinesischen Kinos kam, in den ersten beiden Wochen rund 85 Millionen Euro ein, doppelt so viel wie in den USA im gleichen Zeitraum. Und der Kinoboom hält an. Während die Besucherzahlen in Amerika und Europa sinken, hat sich die Zahl der Leinwände in China in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Tausende weitere sind in Planung. Im vergangenen Jahre stiegen die Einnahmen an den Kinokassen um 30 Prozent, Schätzungen zufolge werden sie bereits 2020 jene in den USA übertreffen. Allein wegen seiner Größe wird China künftig die meisten Kinogänger haben. Ein gigantisches Potenzial.

Bislang aber ist der chinesische Kinomarkt für ausländische Filmemacher und Studios äußerst hart. Denn die Behörden schotten ihn ab: Nur 20 internationale Filme dürfen pro Jahr in China gezeigt werden. Hinzu kommen 14 3-D-Filme. Die Konkurrenz ist unerbittlich, denn ausgewählt wird nur, was Chinas Behörden gefällt. Das weiß auch Star-Regisseur James Cameron, und so umgarnte er anlässlich seiner Kooperation die chinesischen Gastgeber. Cameron wollte auf keinen Fall anecken:

"Wir sind nicht hier, um eigene Filme zu machen. Wir sind hier, um mit chinesischen Filmemachern und Fernsehproduzenten zusammenzuarbeiten. Wir wollen unsere 3-D-Technik nach China bringen und den wunderbaren, hochbegabten Talenten hier in China helfen, ihre Träume zu verwirklichen."

Damit ihre Filme auch in China gezeigt werden, gehen immer ausländische Studios und Filmemacher so wie Cameron Kooperationen mit chinesischen Partnern ein. So können sie die strenge Reglementierung umgehen. Kino ist ein Milliardengeschäft, für das die Inhalte mitunter geopfert werden. Hollywoodriese Walt Disney wird etwa "Iron Man Drei" mit chinesischen Partnern produzieren, Dream Works wird seinen nächsten "Kung-Fu-Panda"-Film ebenfalls in Zusammenarbeit realisieren. James Cameron wird gleich eine ganze 3-D-Serie mitproduzieren. Die trägt den Titel "China – Beijing" und soll die Geschichte des Landes darstellen. Die chinesische Seite stellt sich einen imposanten, beeindruckenden Film vor, sagt Wang Meng Meng, eine Mitarbeiterin des Projekts: Ihre Vision klingt nach einer durchaus geschönten Geschichtsdarstellung:

"Die Schauspieler werden in erste Linie Chinesen sein, und sie werden mit den besten Produzenten zusammenarbeiten und nur mit die beste Technologie verwenden. So wird es uns gelingen, ein großartiges, glorreiches Bild unserer langen Geschichte zu vermitteln."

Für die Volksrepublik haben die internationalen Kooperationen große Vorteile. Nicht nur, dass die chinesischen Filmemacher von ihren Kollegen etwa aus Hollywood lernen können. China kann so Einfluss auf die Drehbücher ausüben und sein Image polieren. Denn klar ist: In die Kinos kommt nur, was den Zensoren gefällt. Politische oder gesellschaftliche Konflikte, vor allem bei chinesischen Themen, werden künftig wohl eher ausgeblendet.

James Cameron versicherte in Peking beinahe schon in vorauseilendem Gehorsam: Sein Team wird sich nicht in die inhaltliche Gestaltung der 3-D-Serie einmischen. Ihm gehe es vor allem um die technische Umsetzung:

"Wir werden den chinesischen Filmemachern nicht sagen, was sie zu tun haben. Das wissen sie selbst und wir respektieren ihre Kreativität. Wir werden ihnen lediglich die Werkzeuge an die Hand geben, damit sie den Übergang von 2-D zu 3-D schaffen können."

Kinoexperten sehen den wachsenden internationalen Einfluss Chinas deswegen als Fluch und Segen zugleich. Sie fürchten, dass ausländische Studios oder Drehbuchschreiber sich künftig immer häufiger zensieren werden, um Aufträge mit Chinesen zu bekommen. Erste, kleinere Beispiele gibt es bereits, etwa das Remake "Red Dawn", das Ende dieses Jahres in die Kinos kommen wird. Um überhaupt Chancen zu haben, auch in China gezeigt zu werden, hat das Studio MGM bei der Neuverfilmung eine handfeste Drehbuchänderung vorgenommen. Im ursprünglichen Film fiel eine Armee von Chinesen über eine US-amerikanische Kleinstadt her. Im aktuellen Remake sind die Bösewichte nun Nordkoreaner.
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