"Kosten müssen vom Staat ersetzt werden"

Moderation: Hanns Ostermann · 05.11.2007
Die Telekommunikationsbranche hat die Bundesregierung dazu aufgefordert, die Industrie für die anfallenden Kosten der geplanten Vorratsdatenspeicherung zu entschädigen. Thomas Mosch, Geschäftsleiter des Branchenverbandes BITKOM, sagte, grundsätzlich seien die Anbieter bereit, die Sicherheitsbehörden zu unterstützen. An den Kosten von bis 75 Millionen Euro müsse sich der Staat aber beteiligen.
Ostermann: Viele haben Bauchschmerzen, sie ärgern sich über das neue Gesetz zur Überwachung der Telekommunikation, mit dem sich demnächst der Bundestag befasst. Die Novelle besteht aus zwei Teilen, schon der erste ist problematisch. Da geht es um Maßnahmen für eine effektive Strafverfolgung. Auf noch mehr Ablehnung stößt Teil zwei, die Vorratsdatenspeicherung. Schon vom kommenden Jahr an sollen alle Telefongespräche und der gesamte E-Mail-Verkehr, also alle Verbindungsdaten, für sechs Monate gespeichert werden. Wir werden immer gläserner, kritisierte unter anderem der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schar bei uns im DeutschlandRadio Kultur. Und was kommt jetzt auf die verantwortliche Wirtschaft zu? Darüber möchte ich mit Thomas Mosch reden, er ist einer der Geschäftleiter bei der BITCOM, die BITCOM steht für den Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien, guten Morgen, Herr Mosch.

Thomas Mosch: Guten Morgen, Herr Ostermann.

Ostermann: Haben Sie denn schon die richtigen Lagerhallen gefunden?

Mosch: Die Industrie bereitet sich gerade auf das vor, was zum 1.1.2008 kommt. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, es ist ein erheblicher Aufwand, der auf Unternehmen zukommt. Gegenwärtig bereiten wir uns darauf vor, obwohl wir noch keine gesetzliche Grundlage haben.

Ostermann: Ich habe von Lagerhallen gesprochen. Muss man sich das wirklich in dieser Größenordnung vorstellen?

Mosch: Lagerhallen ist vielleicht etwas drastisch bezeichnet, aber die Menge an Daten, die wir demnächst speichern müssen, erfordert doch gewaltige Speicherparks, das ist richtig.

Ostermann: Was die Datenmenge betrifft, wie kann ich mir das konkret vorstellen?

Mosch: Bislang haben die Unternehmen Verbindungsdaten, was die Telefonie angeht und in Einschränkung auch das Internet, nur solange gespeichert, wie sie es zum begleichen ihrer Rechnungen mit den Kunden gebraucht haben, also um beispielsweise auf Rückfragen reagieren zu können. Nun wird es so sein, dass alle Daten sechs Monate gespeichert werden müssen und die Anforderungen an die zu speichernden Daten auch noch mal größer geworden sind. Wenn Sie sich überlegen, dass mehr oder weniger jeder Bundesbürger per Telefon oder Internet in irgendeiner Form kommuniziert, können Sie sich vorstellen, was da für Datenmengen anfallen.

Ostermann: Ne, offen gestanden, ich kann es mir nicht vorstellen. Ist das eine Strecke von Kiel bis München?

Mosch: Wenn Sie es ausdrucken, ist es wahrscheinlich mehrfach Kiel bis München. Wir reden hier sicherlich in Terabits pro Tag, die anfallen werden. Das sind gewaltige Datenmengen.

Ostermann: Herr Mosch, reicht Ihr technisches Know-how überhaupt aus, um die Anforderungen des Gesetzgebers zu erfüllen, also sind Sie technisch für diesen Fall vorbereitet?

Mosch: Was das grundsätzliche Know-how angeht natürlich, ich sagte ja schon, Daten werden auch heute schon gespeichert.

Ostermann: Aber nicht in der Länge.

Mosch: Nicht in der Länge. Was wir tun müssen ist, wir müssen die vorhandenen Infrastrukturen ganz gewaltig aufrüsten. Also wir müssen zusätzliche Speichernetzwerke installieren, entsprechende Server vorhalten und natürlich Festplatten bauen, beziehungsweise einbauen. Da haben wir jetzt eine relativ kurze Anlaufzeit. Sie sagten am 1.1.2008 da wird es zumindest im Bereich der Telefonie verpflichtend, die Daten zu speichern und deshalb müssen die Unternehmen jetzt auch loslegen.

Ostermann: Eine Sorge besteht ja auch darin, der Datenschutzbeauftragte hat sie formuliert: Wenn man will, dann kann man künftig Profile von Ihnen und mir erstellen, das heißt, Ihre und meine Privatsphäre ließe sich erforschen. Ist das nicht viel zu aufwendig?

Mosch: Es ist sicherlich aufwendig, wenn man jetzt das Szenario vor Augen hat, der Staat möchte das für jeden einzelnen Bundesbürger tun. Es ist natürlich so, dass die Analyse dieser Daten immer noch unter Richtervorbehalt steht. Das heißt, es ist nicht so ohne weiteres möglich zu sagen, heute schaue ich mir mal die Daten von Herrn XYZ an und erstelle da mal ein Profil. Faktisch ist es natürlich möglich, es ist auch nicht besonders aufwendig, weil die Daten sind ja relativ einfach interpretierbar: Wer hat wann, wo, mit wem telefoniert. Das kann man natürlich relativ einfach verknüpfen. In der Gesamtheit von 82 Millionen Bundesbürgern ist das sicherlich vielleicht ein bisschen übertrieben zu denken, wir sind ab 2008 alle gläsern, alle automatisch gläsern.

Ostermann: Mit einem Aktionstag wird morgen gegen das neue Gesetz protestiert. Welche politischen Forderungen erheben Sie eigentlich?

Mosch: Also wir sind ein Verband, der primär jetzt die Technologieanbieter vertritt. Insofern halten wir uns jetzt mal aus der datenschutzrechtlichen Diskussion ein wenig zurück. Unsere primäre Lage oder Position ist die, dass wir sagen, dass die Anbieter natürlich auf einer gegebenen gesetzlichen Grundlage bereit sein werden, die Sicherheitsbehörden zu unterstützen. Wir wollen das allerdings nicht für umsonst tun, das heißt, die Kosten, die dabei anfallen für die Industrie, müssen auch vom Staat ersetzt werden. Wir vergleichen das ein bisschen plakativ mit den Polizeiautos, auch Polizeiautos sind notwendig, um Strafverfolgung tun zu können. Trotzdem müssen die Automobilkonzerne die Polizeiautos nicht umsonst zur Verfügung stellen. Wenn wir zur Strafverfolgung beitragen, wollen wir auch entsprechend entschädigt werden. Wir wollen nichts daran verdienen, aber wir wollen zumindest für die anfallenden Kosten entschädigt werden.

Ostermann: Und wie hoch sind die Kosten?

Mosch: Wir schätzen, dass zunächst mal die technologische Aufrüstung in den Unternehmen einen Betrag zwischen 50 und 75 Millionen Euro kosten wird. Dann kommen natürlich die laufenden Kosten. Das ist momentan etwas schwierig akkurat zu beziffern, weil wir relativ Erfahrungswerte haben logischer Weise, aber wir gehen von jährlichen zweistelligen Millionensummen aus.