Kostbare Fundstücke aus dem alten Ägypten

Von Christian Gampert · 23.06.2010
Im Mittelpunkt der Ausstellung "Sahure - Tod und Leben eines großen Pharaos" steht eine 4500 Jahre alte Tempelanlage. Baufragmente, Modelle, Fotos und Computeranimationen zeigen Architektur, Kunst und Alltag der fünften Dynastie.
Die Pyramide des Königs Sahure in Abusir ist nicht die höchste, das ist die Cheops-Pyramide bei Gizeh. Aber die Grablege des wahrscheinlich 2416 vor Christus gestorbenen Sahure ist, wie Ausstellungskurator Vinzenz Brinkmann sagt, von geometrischer Reinheit und mit ihrem genialen Aufbau die prächtigste Tempelanlage des alten Ägypten – vor allem wegen der reliefartigen Verzierungen an den Wänden.

Vinzenz Brinkmann: "Diese palastartigen Räume waren ursprünglich mit 10.000 Quadratmetern von farbigen Reliefs verziert, und dieses Relief ist nicht irgendetwas, sondern es ist von einer fast unverständlich perfekten Schönheit – und in jeder Hinsicht bis ins Detail, bis in die feinsten Nuancen durchgestaltet."

Die Forschung fand bislang Folgendes heraus: Von einem Nilkanal aus erreichte die Trauergemeinde per Schiff einen Taltempel, von dort führte ein fast 240 Meter langer, überdachter, mit den besagten Wandreliefs reich verzierter Korridor bergauf zu einer Eingangshalle mit einem offenen Säulenhof. Erst danach kam man zum "Sanktuar", dem Opferraum, an den sich dann die eigentliche Totenstätte, die Pyramide anschloss.

Die Ausstellung im Frankfurter Liebighaus versucht nun, den Besucher in diese Architektur und in die Dramaturgie der Trauerprozession hineinzuziehen. Gleich im ersten Raum sehen wir nämlich ein Modell der Gesamtanlage, das der Ausgräber, der Berliner Archäologe Ludwig Borchardt, 1907 anfertigen ließ.

So wie die gesamte Grabstätte durch eine strenge Längsachse gegliedert ist, so gliedert auch der Ausstellungskurator Vinzenz Brinkmann den ersten Teil der Ausstellung: Man schreitet durch mehrere Säulenfluchten und hat links und rechts Bildnisse des Königs Sahure und seiner Vor- und Nachfahren, ein riesiges, tonnenschweres Palmkapitell aus dem offenen Säulentempel und später dann Beispiele der Wandreliefs, die den langen Gang verzierten.

Wer konnte eine solch gigantische künstlerische Arbeit bewältigen?

Vinzenz Brinkmann: "Hinter diesem Bau steht eine für uns gar nicht mehr verständliche Logistik. Es wird ja nicht Stein auf Stein gesetzt und auf diesen Kernbau wird dann eine Verzierung gesetzt – nein, das ist in sich massiv, das heißt die großen, drei mal drei Meter großen und mehrere Tonnen wiegenden Einzelblöcke wurden versetzt, und dann wurde die Innenseite dieser Blöcke mit den Reliefs versehen.

Um Teams zu organisieren, die in dieser gleichbleibenden Qualität 10.000 Quadratmeter gestalten, benötigt man natürlich eine phänomenale Werkstatt-Tradition, eine für unsere Vorstellungen nicht nachvollziehbare Organisation innerhalb der Werkabläufe. Wir können nur hochrechnen, wie viele Menschen dort beschäftigt waren, allein an den Reliefs, die man ja zunächst mit einem Meißel vorgearbeitet hat, aber in der Feinheit dann mit Schleifstein ausgearbeitet hat, wie viele Menschen dort beschäftigt waren – mehrere Hundert mit Sicherheit."

Die hauchfein in den massiven Stein gravierten Bildfolgen zeigen Taten und Feste des Pharao, Jagdszenen, Herrschaftsakte, Kriegs- und Beutezüge in ferne Länder; zum Teil sind das Originalstücke, zum Teil sind sie aber auch, in einem aufwendigen computergestützten Fräsverfahren, rekonstruiert, weil die Originale nicht transportiert werden konnten.

Die Trauernden, die oft noch Jahre nach dem Ableben des Pharao den Totenkult praktizierten, wollten Kontakt mit dem Verstorbenen aufnehmen. Denn der war nicht nur König, sondern gottgleich. Die Gaben für den toten Pharao wurden auf einem Altar vor einer zugemauerten "Scheintür" abgelegt, hinter der sich die Grabpyramide befand. Nachts wurden sie von Priestern dann natürlich weggeräumt, für die Untertanen aber hatte der tote Pharao die Gaben geholt.

Vinzenz Brinkmann: "Der Pharao war immer auch Gott. Er war nicht nur Vertreter des Gottes, sondern seine Physis, seine Existenz hatte gottgleichen Charakter. Sahure, der Name, bedeutet 'Der, der dem Sonnengott nahesteht'. Wir wissen aus dem ägyptischen Mythos sogar, dass man sich erzählt hat, dass Sahure direkt vom Sonnengott abstammt, der sich mit einer Sterblichen vereinigt hat – also eine Parallele zur christlichen Weihnachtsgeschichte, ein Vorläufer, der zweieinhalbtausend Jahre vorher schon existierte."

So bedienen sich diverse Religionen immer derselben Mythen und Bilder. Die Ausstellung führt nicht nur in die religiösen Riten und in den Sonnenglauben der Ägypter ein, sondern kann auch mit Exponaten aus den besten Museen der Welt aufwarten - etwa mit der körpergroßen Sahure-Plastik aus dem New Yorker Metropolitan Museum of Art.

Ein zweiter Teil der Schau beschäftigt sich mit dem Leben des Ausgräbers Ludwig Borchardt, der auch die Nofretete entdeckte – und der im Zuge der sogenannten Fundteilung (zwischen Ausgräber und Ursprungsland) wichtige Funde nach Deutschland brachte.

Zum Thema: Homepage des Liebieghauses in Frankfurt.