Kosmopolitischer Kulturförderer
Harry Graf Kessler, Diplomat, Mäzen, Publizist und Kunstliebhaber, hatte in seiner Zeit in Weimar dafür gesorgt, dass die Klassikerstadt den Anschluss an die Moderne nicht verpasst. Das Festival MelosLogos der Weimarer Klassik-Stiftung spürte nun dem Leben des "roten Grafen" nach und führte an die Stätten seines umtriebigen Wirkens.
So einen bräuchte Hartmut Mehdorn dringend als Botschafter: von edlem Geblüt, gut betucht, global vernetzt und dazu noch völlig bahnsinnig - ständig unterwegs in den Nachtzügen Europas. Harry Graf Kessler war ein Kosmopolit par excellence. Geboren wurde er 1868 in Paris, gestorben ist er 1937 in Lyon, dazwischen bereiste er die Welt. Wohnungen und opulente Domizile etwa in London, Berlin und Weimar dienten als (imaginierte) Heimaten und als "Zwischenlager" für Bücher, Arbeitsmaterialien, Kunstwerke.
40 Jahre lang führte Kessler akribisch Buch über seine Zeit. Kessler durchmaß nicht nur mehrere Epochen, vom Wilhelminischen Kaiserreich über den Ersten Weltkrieg bis knapp vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, er wurde auch zum Gravitationszentrum und zu einer Art Durchlauferhitzer für Künstler, Intellektuelle und Politiker.
Weimar war für ihn ein ganz besonderer Bezugspunkt, hier betrieb er die berühmte Cranachpresse, tauschte sich mit Henry van de Velde oder Hugo von Hofmannsthal aus und versuchte immer wieder, den etwas verschlafenen Weimaranern die moderne Kunst näher zu bringen. Gemeinsam mit Hofmannsthal entwickelte er übrigens Sujet und Handlung für den "Rosenkavalier” von Richard Strauss.
Insofern macht es Sinn, einmal genauer in den Kosmos Kessler hineinzuleuchten, so geschehen jetzt beim kleinen, feinsinnigen Festival MelosLogos der Weimarer Klassik-Stiftung. Stiftungs-Leiter Hellmuth Seemann über Weimar und den Grafen:
"Harry Graf Kessler kam das erste Mal 1897 nach Weimar, um Nietzsche zu sehen, der ja zu dem Zeitpunkt schon Paralyse-krank war und also nicht mehr als Gesprächspartner zur Verfügung stand. Aber Kessler hat selbst gesagt, seine Generation sei die erste gewesen, die eigentlich Nietzsche-geprägt gewesen sei und insofern war Nietzsche der Gott dieser Generation. Und durch diese Begegnung mit Nietzsche, mit dem entstehenden Nietzsche-Archiv, kam Kessler immer häufiger nach Weimar, und nachdem seine Pläne, den diplomatischen Dienst zu erreichen, aus seiner Sicht endgültig gescheitert waren, kam er mit dem Programm nach Weimar zurück, hier eine Alternative zum Wilhelminischen Deutschland - und zwar auf dem Wege der Ästhetik - zu begründen. Und dieser Weg, über die Ästhetik eine Alternative gesellschaftlich begründen zu wollen, das ist nun wirklich etwas, das man als eine Erneuerung der Überlegungen der deutschen Klassik ansehen kann."
Naturgemäß provozierte solch eine an Nietzsche orientierte Lebenskunst-Ästhetik immer wieder das alteingesessene Bildungsbürgertum. Zum Skandal wurde etwa eine von Kessler eingerichtete Rodin-Ausstellung mit ebenso avancierten wie eleganten weiblichen Akten, die zarten Graphitzeichnungen auf Papier konnte man am Wochenende im Festsaal des Weimarer Schlosses bewundern, davor rezitierte Bruno Ganz die einschlägigen Tagebuchstellen. Zu hören gab es in vier Lesungen aber auch allerlei Anekdotisches, etwa die skurrile erste Begegnung Kesslers mit seinem Lieblingsbildhauer Aristide Maillol.
Eine vierstündige Exkursion führte von Kesslers Wohnhaus in der Cranachstrasse 15 zum heutigen Nietzsche-Archiv, wo einst der Meister von seiner Schwester gepflegt wurde und auch starb. Weiter ging es zur Bauhaus-Universität und dann schließlich zu Henry van de Veldes Wohnhaus Hohe Pappeln.
Musik aus Kesslers Zeit und Umfeld vermittelte an diversen Spielorten einen Hauch des vergangenen kulturellen Weimars jenseits von Goethe und Schiller. Nochmals Hellmuth Seemann:
"Mit Van de Velde, der Familie von Nostitz, vielen Künstlern, die dann zu Kessler kamen, die er hier ausstellte, entstand für eine ganz kurze Zeit tatsächlich so etwas wie ein anderes Deutschland."
In der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg wurde aus dem Bonvivant Kessler ein langsam verarmender, von allerlei Rückschlägen gezeichneter Mann. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 musste er fliehen, sein Hab und Gut in Weimar wurde versteigert, die Cranachpresse eingestellt. Die wirklichen Kriegsschrecken blieben Kessler erspart, das Festival MelosLogos dagegen schloss mit Viktor Ullmanns Lamento über Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke. Kurz nach der Uraufführung des halbstündigen Werks für Klavier und Sprecher 1944 wurde Ullmann im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.
40 Jahre lang führte Kessler akribisch Buch über seine Zeit. Kessler durchmaß nicht nur mehrere Epochen, vom Wilhelminischen Kaiserreich über den Ersten Weltkrieg bis knapp vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, er wurde auch zum Gravitationszentrum und zu einer Art Durchlauferhitzer für Künstler, Intellektuelle und Politiker.
Weimar war für ihn ein ganz besonderer Bezugspunkt, hier betrieb er die berühmte Cranachpresse, tauschte sich mit Henry van de Velde oder Hugo von Hofmannsthal aus und versuchte immer wieder, den etwas verschlafenen Weimaranern die moderne Kunst näher zu bringen. Gemeinsam mit Hofmannsthal entwickelte er übrigens Sujet und Handlung für den "Rosenkavalier” von Richard Strauss.
Insofern macht es Sinn, einmal genauer in den Kosmos Kessler hineinzuleuchten, so geschehen jetzt beim kleinen, feinsinnigen Festival MelosLogos der Weimarer Klassik-Stiftung. Stiftungs-Leiter Hellmuth Seemann über Weimar und den Grafen:
"Harry Graf Kessler kam das erste Mal 1897 nach Weimar, um Nietzsche zu sehen, der ja zu dem Zeitpunkt schon Paralyse-krank war und also nicht mehr als Gesprächspartner zur Verfügung stand. Aber Kessler hat selbst gesagt, seine Generation sei die erste gewesen, die eigentlich Nietzsche-geprägt gewesen sei und insofern war Nietzsche der Gott dieser Generation. Und durch diese Begegnung mit Nietzsche, mit dem entstehenden Nietzsche-Archiv, kam Kessler immer häufiger nach Weimar, und nachdem seine Pläne, den diplomatischen Dienst zu erreichen, aus seiner Sicht endgültig gescheitert waren, kam er mit dem Programm nach Weimar zurück, hier eine Alternative zum Wilhelminischen Deutschland - und zwar auf dem Wege der Ästhetik - zu begründen. Und dieser Weg, über die Ästhetik eine Alternative gesellschaftlich begründen zu wollen, das ist nun wirklich etwas, das man als eine Erneuerung der Überlegungen der deutschen Klassik ansehen kann."
Naturgemäß provozierte solch eine an Nietzsche orientierte Lebenskunst-Ästhetik immer wieder das alteingesessene Bildungsbürgertum. Zum Skandal wurde etwa eine von Kessler eingerichtete Rodin-Ausstellung mit ebenso avancierten wie eleganten weiblichen Akten, die zarten Graphitzeichnungen auf Papier konnte man am Wochenende im Festsaal des Weimarer Schlosses bewundern, davor rezitierte Bruno Ganz die einschlägigen Tagebuchstellen. Zu hören gab es in vier Lesungen aber auch allerlei Anekdotisches, etwa die skurrile erste Begegnung Kesslers mit seinem Lieblingsbildhauer Aristide Maillol.
Eine vierstündige Exkursion führte von Kesslers Wohnhaus in der Cranachstrasse 15 zum heutigen Nietzsche-Archiv, wo einst der Meister von seiner Schwester gepflegt wurde und auch starb. Weiter ging es zur Bauhaus-Universität und dann schließlich zu Henry van de Veldes Wohnhaus Hohe Pappeln.
Musik aus Kesslers Zeit und Umfeld vermittelte an diversen Spielorten einen Hauch des vergangenen kulturellen Weimars jenseits von Goethe und Schiller. Nochmals Hellmuth Seemann:
"Mit Van de Velde, der Familie von Nostitz, vielen Künstlern, die dann zu Kessler kamen, die er hier ausstellte, entstand für eine ganz kurze Zeit tatsächlich so etwas wie ein anderes Deutschland."
In der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg wurde aus dem Bonvivant Kessler ein langsam verarmender, von allerlei Rückschlägen gezeichneter Mann. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 musste er fliehen, sein Hab und Gut in Weimar wurde versteigert, die Cranachpresse eingestellt. Die wirklichen Kriegsschrecken blieben Kessler erspart, das Festival MelosLogos dagegen schloss mit Viktor Ullmanns Lamento über Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke. Kurz nach der Uraufführung des halbstündigen Werks für Klavier und Sprecher 1944 wurde Ullmann im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.