Kosmische Phänomene

"Der große Atlas des Universums" ist eine Einladung zum Staunen. Das großformatige Buch stellt auf über 300 Seiten unseren Kosmos vor: zunächst die Erde, dann unseren ständigen Begleiter, den Mond. Dann reisen wir zu den Planeten des inneren und äußeren Sonnensystems, zur Sonne selbst, bis die gesamte Milchstraße in den Blick gerät.
Danach geht es weit hinaus zu unseren Nachbargalaxien und im achten Kapitel erkunden wir das gesamte Universum und seine größten bekannten Gebilde, die Supergalaxienhaufen. Die beiden letzten Kapitel befassen sich mit dem Nachthimmel und sind eine praktische Hilfe für Amateurastronomen: Karten zeigen, was man am Nachthimmel sehen kann - nördlich und südlich des Äquators und zu den verschiedenen Jahreszeiten. Das Schlusskapitel widmet sich den 88 Sternbildern mit vielen erstaunlichen Nebeln und Galaxien.

Der Atlas des Universums wurde von einem internationalen Team von Astronomen, Kartographen und Wissenschaftspädagogen ausgearbeitet und geschrieben. Hauptverantwortlich zeichnet Mark A. Garlick, der sich als freischaffender Autor und Illustrator auf die Astronomie und hier vor allem auf künstlerische Darstellung kosmischer Ereignisse und Phänomene spezialisiert hat. Seine atemberaubend schönen und dabei wissenschaftlich exakten Bilder - eine Mischung aus Malerei und moderner Computergrafik - erscheinen in vielen namhaften Magazinen wie dem "Scientific American" und Astronomie-Fachzeitschriften. Garlick spricht nicht in einer nüchternen Wissenschaftssprache über das Universum - man spürt sein eigenes Staunen auf jeder Seite und das möchte er mit seinen Leserinnen und Lesern teilen.

Der Atlas besticht deshalb vor allem durch seine Abbildungen: Auf dem pechschwarzen Papier wirken die feuerroten Eruptionen der Sonnenoberfläche plastisch und dreidimensional. Auf anderen Doppelseiten schweben Spiralgalaxien in zartem Blau oder gleißend helle Wolken speien neugeborene Sterne aus. Manche Bilder zeigen, wie Forscher sich kosmische Phänomene vorstellen. Sie stammen von Garlick und anderen Künstlern. Andere - nicht weniger spektakulär - wurden von Satelliten zur Erde gefunkt. Auch die großen Stern- und Planetenkarten am Ende des Buches bestechen durch ihre Verbindung von Präzision und Ästhetik. Einer der Zeichner ist Wil Tirion, dessen Stern-Atlanten von Hobby-Astronomen in aller Welt genutzt werden.

Neben den Abbildungen tritt der Text in den Hintergrund. Das ist kein Manko: Mit sicherer Hand wählen die Autoren aus dem großen Fundus des modernen astronomischen Wissens das aus, was für Freizeit-Sternliebhaber besonders spannend ist: Wir erfahren, dass sich der Mond jedes Jahr vier Zentimeter von uns wegbewegt und dass der Merkur die Gase seiner dünnen Atmosphärenschicht ständig an den Weltraum verliert – nur weil er sich relativ nahe an der Sonne befindet, kann er den Verlust an Gasen aus dem eingefangenen Sonnenwind wieder auffüllen. Wir hören, dass der Asteroidengürtel zwischen innerem und äußerem Sonnensystem keineswegs ein gefährlicher, Steinprasselnder Ort ist, wie er in vielen Science Fiktion Filmen heraufbeschworen wird. In Wirklichkeit brauchen Asteroiden Stunden, manchmal sogar Wochen, um sich einmal um die eigene Achse zu drehen. Und man könnte - so groß ist der Asteroidengürtel - sein ganzes Leben auf einem dieser Steinbrocken verbringen, ohne je einen anderen zu sehen.

Eine ganze Doppelseite widmet sich den Rekorden des Universums: der heißesten Planetenoberfläche - die gibt es auf der Venus mit 464 Grad Celsius. Oder dem längsten Kometenschweif - der wurde 1843 gesichtet und war 300 Millionen Kilometer lang. Oder der massereichsten Galaxie - das ist nach bisherigem Kenntnisstand "M87", eine elliptische Riesengalerie im Sternbild Virgo mit mindesten 800 Milliarden Sonnenmassen.

Und immer wieder gibt es im Atlas Seiten, die ein Thema aufgreifen, das ähnlich spannend ist wie der Kosmos selbst - nämlich die Geschichte der Erforschung des Kosmos: Wie wurden die ersten Satelliten gebaut und in den Himmel geschossen? Wer erlauschte zum ersten Mal die kosmische Hintergrundstrahlung? Auf welche Weise können Forscher die Milchstraße vermessen, obwohl wir mitten darin stecken und es keinerlei technische Möglichkeit gibt, Messsonden aus der Milchstraße heraus zu befördern? Alles das wird verständlich, aber nicht ohne wissenschaftlichen Anspruch erzählt und mit zahlreichen Tabellen ergänzt. Ein Glossar und ein Stichwortverzeichnis helfen, sich in dem reichen Angebot des Buches zu orientieren.

Wenn der große Atlas des Universums so etwas wie eine Botschaft hat, dann lautet sie: Wir leben in einem Weltall voller Wunder und Erstaunlichkeiten und es lohnt sich, ab und zu den Blick zu heben und sich von dem "gestirnten Himmel über uns" berühren zu lassen.

Von Susanne Billig

Mark A. Garlick:
Der große Atlas des Universums - Mit Sternkarten von Will Tirion,

Kosmos Verlag, 49,90 Euro.