Korrigiertes Bild der Geschichte
Guy Bourdin ist unter den Modefotografen einer der unbekannteren, obwohl er 30 Jahre bei Vogue arbeitete. Das liegt auch daran, dass Bourdin zeitlebens keine Ausstellungen zeigte und keine Kataloge veröffentlichte. Nun widmet sich erstmals in Deutschland eine große Retrospektive dem Fotografen, der 1991 starb.
Vor der Skyline Manhattans flieht eine Frau mit einem riesigen Schuh unter dem Arm vor zwei Polizisten. Ein maskenhaft geschminktes Dienstmädchen hängt lässig in einem riesigen Sessel, und lässt sich von seiner Herrin kostbare High Heels anlegen. Diese Modefotos wirken wie von heute, entstanden aber bereits in den 70er- und 80er-Jahren. Kurator Ingo Taubhorn:
"Guy Bourdin ist einer der wenigen Künstler, der derartig nachhaltig die junge Generation beeinflusst hat, dass man sich fragt: 'Wieso ist dieser Mann nicht genau so präsent wie seine Zeitgenossen, wie zum Beispiel William Klein, sein Konkurrent Helmut Newton, oder vielleicht auch Richard Avedon?' Und mit dieser Retrospektive wollen wir dieses Bild in der Geschichte der Fotografie korrigieren."
Die Ausstellung geht dafür chronologisch vor: 1928 in Paris geboren, wollte Bourdin eigentlich Maler werden. Doch einige gewollt-surreale Szenen zeigen: Es blieb bei Versuchen. Stattdessen begann er zu Fotografieren. 1955 erhielt er seinen ersten Auftrag für Vogue: Eine Serie über Haute-Couture-Hüte. Bourdin fotografierte sie in einem Schlachthof. Er präsentierte das Model mit seinem ausladenden Hut vor drei abgeschnittenen und gehäuteten Kalbsköpfen.
"Diese Art der Konfrontation muss damals wie ein Schlag ins Gesicht für die Leserinnen und für die Blattmacherinnen gewesen sein... Bei der Veröffentlichung im Februar 1955 werden zweierlei Dinge markiert: Einerseits der Bruch mit der konventionellen Modefotografie und andererseits der Beginn einer 30-jährigen Zusammenarbeit mit der French Vogue."
Schnell entwickelte Bourdin seine ganz eigenen Vorstellungen: Seine Fotostrecken erzählten Geschichten. Seine stets maskenhaft geschminkten Models glichen Puppen. Entsprechend unnatürlich waren ihre Bewegungen. Oft hockten, lagen, standen sie mit extrem gespreizten Beinen in der Gegend herum. Oder sie fläzten sich zu mehreren in einem Hotelzimmer, tödlich gelangweilt vom Leben.
"Guy Bourdin ist einer derjenigen, der relativ früh erkannt hat, dass man Produkte nicht nur über die Materialität, die sie verkörpern, verkauft, sondern über die Geschichte. Und das letztendlich nur noch das Produkt durch diese Geschichte in den Köpfen der Betrachter übrig bleibt. Und das ist der Beginn der modernen Werbestrategien."
Während draußen Studenten und Arbeiter in Paris auf die Barrikaden gingen, und eine starke Frauenbewegung Gleichberechtigung forderte, widmete sich Bourdin in seinem Studio den Wünschen einer Milliarden-Industrie. Zeitlebens schuf er ausschließlich Auftragsarbeiten für die großen Magazine. Bei French-Vogue erhielt er Carte Blanche.
Bourdin inszenierte die Frau in einer Art und Weise als Objekt, wie nicht einmal Helmut Newton es tat: Man sieht steife Frauenkörper, die nur zur Hälfte ins Bild ragen, Frauen ohne Köpfe, Frauen reduziert auf Rümpfe oder Füße mit den zu bewerbenden Produkten. Manchmal gibt es selbst die nicht mehr: Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt eine Luxuskarosse, davor - wie auf einem Polizeifoto - den auf den Boden gemalten Umriss einer Frau, etwas weiter liegt ein Paar Schuhe. Ingo Taubhorn:
"Da kauf ich mir als Konsumentin das Teuerste, was man sich irgendwie vorstellen kann -, Haute-Couture-Schuhe - um am Ende von einer Luxuslimousine erfasst zu werden, wo nichts mehr übrig bleibt, als diese Schuhe, die dann wahrscheinlich irgendwann im Alttrödel landen. Ich meine: So etwas als Werbung zu machen, das bedeutet schon eine ganze Menge Mut. Der ganze Glamour, der ganze aufgeblasene Apparat dessen, was wir 'Fashion' nennen, wird wirklich ad absurdum geführt."
Wirklich? Braucht nicht eben dieser "Apparat" immer wieder neue Bilder, die immer wieder neue Bedürfnisse wecken sollen auf neue Produkte? Und: Kann man Bourdins neue Formensprache würdigen, aber sein sexistisches Frauenbild ignorieren, wie die Ausstellung es macht?
"Ich glaube, ich bin der völlig falscheste Gesprächspartner dafür. Und das hat mit meiner eigenen sexuellen Orientierung zu tun, dass ich schwul bin. Und erstaunlicherweise berühren mich diese Bilder überhaupt gar nicht. ... Das ist eigentlich wirklich nicht sexistisch..."
Vermutlich ganz im Sinne seiner Auftraggeber zeigte Bourdin die Frau weiterhin als Kleiderständer und Sexobjekt: Er legte einem Model eine juwelenverzierte Kette um, wie einem Hund. Und auf einem seiner letzten Fotos von 1987 schmiss er es gelangweilt weg: Da liegen zwei leblose Frauenkörper auf einem Sandhügel, notdürftig mit Zeitungen bedeckt, wie Opfer eines Gewaltverbrechens. Im Hintergrund steht eine Frau in einer Telefonzelle und telefoniert aufgeregt. Das ist nicht sexistisch? Was ist dann sexistisch?
"Guy Bourdin ist einer der wenigen Künstler, der derartig nachhaltig die junge Generation beeinflusst hat, dass man sich fragt: 'Wieso ist dieser Mann nicht genau so präsent wie seine Zeitgenossen, wie zum Beispiel William Klein, sein Konkurrent Helmut Newton, oder vielleicht auch Richard Avedon?' Und mit dieser Retrospektive wollen wir dieses Bild in der Geschichte der Fotografie korrigieren."
Die Ausstellung geht dafür chronologisch vor: 1928 in Paris geboren, wollte Bourdin eigentlich Maler werden. Doch einige gewollt-surreale Szenen zeigen: Es blieb bei Versuchen. Stattdessen begann er zu Fotografieren. 1955 erhielt er seinen ersten Auftrag für Vogue: Eine Serie über Haute-Couture-Hüte. Bourdin fotografierte sie in einem Schlachthof. Er präsentierte das Model mit seinem ausladenden Hut vor drei abgeschnittenen und gehäuteten Kalbsköpfen.
"Diese Art der Konfrontation muss damals wie ein Schlag ins Gesicht für die Leserinnen und für die Blattmacherinnen gewesen sein... Bei der Veröffentlichung im Februar 1955 werden zweierlei Dinge markiert: Einerseits der Bruch mit der konventionellen Modefotografie und andererseits der Beginn einer 30-jährigen Zusammenarbeit mit der French Vogue."
Schnell entwickelte Bourdin seine ganz eigenen Vorstellungen: Seine Fotostrecken erzählten Geschichten. Seine stets maskenhaft geschminkten Models glichen Puppen. Entsprechend unnatürlich waren ihre Bewegungen. Oft hockten, lagen, standen sie mit extrem gespreizten Beinen in der Gegend herum. Oder sie fläzten sich zu mehreren in einem Hotelzimmer, tödlich gelangweilt vom Leben.
"Guy Bourdin ist einer derjenigen, der relativ früh erkannt hat, dass man Produkte nicht nur über die Materialität, die sie verkörpern, verkauft, sondern über die Geschichte. Und das letztendlich nur noch das Produkt durch diese Geschichte in den Köpfen der Betrachter übrig bleibt. Und das ist der Beginn der modernen Werbestrategien."
Während draußen Studenten und Arbeiter in Paris auf die Barrikaden gingen, und eine starke Frauenbewegung Gleichberechtigung forderte, widmete sich Bourdin in seinem Studio den Wünschen einer Milliarden-Industrie. Zeitlebens schuf er ausschließlich Auftragsarbeiten für die großen Magazine. Bei French-Vogue erhielt er Carte Blanche.
Bourdin inszenierte die Frau in einer Art und Weise als Objekt, wie nicht einmal Helmut Newton es tat: Man sieht steife Frauenkörper, die nur zur Hälfte ins Bild ragen, Frauen ohne Köpfe, Frauen reduziert auf Rümpfe oder Füße mit den zu bewerbenden Produkten. Manchmal gibt es selbst die nicht mehr: Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt eine Luxuskarosse, davor - wie auf einem Polizeifoto - den auf den Boden gemalten Umriss einer Frau, etwas weiter liegt ein Paar Schuhe. Ingo Taubhorn:
"Da kauf ich mir als Konsumentin das Teuerste, was man sich irgendwie vorstellen kann -, Haute-Couture-Schuhe - um am Ende von einer Luxuslimousine erfasst zu werden, wo nichts mehr übrig bleibt, als diese Schuhe, die dann wahrscheinlich irgendwann im Alttrödel landen. Ich meine: So etwas als Werbung zu machen, das bedeutet schon eine ganze Menge Mut. Der ganze Glamour, der ganze aufgeblasene Apparat dessen, was wir 'Fashion' nennen, wird wirklich ad absurdum geführt."
Wirklich? Braucht nicht eben dieser "Apparat" immer wieder neue Bilder, die immer wieder neue Bedürfnisse wecken sollen auf neue Produkte? Und: Kann man Bourdins neue Formensprache würdigen, aber sein sexistisches Frauenbild ignorieren, wie die Ausstellung es macht?
"Ich glaube, ich bin der völlig falscheste Gesprächspartner dafür. Und das hat mit meiner eigenen sexuellen Orientierung zu tun, dass ich schwul bin. Und erstaunlicherweise berühren mich diese Bilder überhaupt gar nicht. ... Das ist eigentlich wirklich nicht sexistisch..."
Vermutlich ganz im Sinne seiner Auftraggeber zeigte Bourdin die Frau weiterhin als Kleiderständer und Sexobjekt: Er legte einem Model eine juwelenverzierte Kette um, wie einem Hund. Und auf einem seiner letzten Fotos von 1987 schmiss er es gelangweilt weg: Da liegen zwei leblose Frauenkörper auf einem Sandhügel, notdürftig mit Zeitungen bedeckt, wie Opfer eines Gewaltverbrechens. Im Hintergrund steht eine Frau in einer Telefonzelle und telefoniert aufgeregt. Das ist nicht sexistisch? Was ist dann sexistisch?