Korrespondenz zweier einsamer Einzelner
Ihre Freundschaft überdauerte die Schrecken des Nationalsozialismus und persönliche Schicksalsschläge. Der Staatsrechtler Carl Schmitt und Greta Jünger, Schriftstellerin und Ehefrau Ernst Jüngers, diskutierten Politisches, Philosophisches und Privates per Briefkorrespondenz - bis Missverständnisse zum plötzlichen Ende ihrer langjährigen Freundschaft führten.
"Wenn Sie Zeit haben, müssen Sie bald wieder Nachricht von sich geben. Heute gilt nur, was man selber persönlich sieht, hört oder erfährt. Es ist merkwürdig, wie in der derselben Zeit, in der die menschlichen Nachrichten- und Kommunikationsmittel ihre fabelhaftesten Steigerungen erreicht zu haben scheinen, der einzelne denkende Mensch mit ungeheurer Wucht auf sich selbst zurückgeschleudert wird, auf seine einzelne einsame Einzigkeit und den Kontakt zu anderen ebenso einsamen Einzelnen."
So schrieb im Oktober 1942 der mittlerweile ziemlich isolierte und schon damals umstrittene Staatsrechtler Carl Schmitt, in dem Ernst Jünger so etwas wie einen "Kronjuristen ohne Krone" im Dritten Reich sehen wollte, an dessen Frau Gretha. Sie gehörte zu den ebenso einsamen Einzelnen, die einander erkennen, aneinander festhalten und dadurch ihre jeweiligen Einsamkeiten miteinander verknüpfen.
Gretha Jünger verabscheute das 20. Jahrhundert mit seinem Lärm, mit seiner Organisationsfreudigkeit und der Vergewaltigung der Gehirne. Die Vereinigten Staaten von Amerika schienen ihr Repräsentant all der widrigen Tendenzen zu sein, den Menschen zu erfassen, seine Gedanken und Lebensformen gleichzuschalten und ihn umgeben von praktischem Komfort endlich um seine Freiheit zu bringen.
"Trotzdem glaube ich, dass uns auch unser größter Widersacher, der Zeitgeist, die wahre Freiheit nicht nehmen kann, ob wir uns in einer Zelle oder am Ufer eines Flusses befinden, der von russischen oder englischen Posten flankiert wird. Wir bewegen uns in unseren Gedanken, in unseren Wünschen und Vorstellungen jenseits des Zugriffs von Gewalt; so viel ist uns verblieben, und das ist tröstlich,"
wie sie dem Freund im Mai 1948 versichert, den Schakalen entronnen, ohne aber befreit worden zu sein.
"1933-1950, das bedeutet ein einziges Narrenhaus, und nur die wenigsten befinden sich außerhalb seiner Mauern."
Zu den wenigen gehörten eben die einsamen Einzelnen, die ihr Ich zu einer Festung ausbauten und beharrlich die "Stellung hielten" und Haltung bewahrten. Das allein ermögliche noch Freiheit im fürchterlichen 20. Jahrhundert mit seinen wechselnden Normierungszwängen. Davon blieb die Aristokratin – als Margaretha von Jeinsen 1906 geboren – überzeugt.
In ihrem Briefwechsel mit Carl Schmitt - jetzt im Berliner Akademieverlag erschienen - herausgegeben von Ingeborg Villinger und Alexander Jaser, erweist sie sich stets als beherrschte Dame, die den Überblick nicht verliert, selbst wenn mitten in einer schweren Ehekrise der unendlich geliebte Bruder fällt und der Sohn wegen wehrkraftzersetzender Bemerkungen verhaftet wird. Nach einem ersten Besuch im Militärgefängnis Wilhelmshaven schreibt sie im März 1944 dem Freund:
"Hoffen Sie mit mir, dass der arme Junge diesen ersten Abschnitt seines Ausfluges in die Welt mit guter, seelischer Kraft überdauert."
Gretha Jünger wirkte mit ihrem Temperament – es mehr mit dem Feuer haltend als der Asche auf dem reuig gebeugten Haupt – auf manche wie eine verjüngte Adele Sandrock. Sie kämpfte für den Sohn in Wilhelmshaven.
"Es war eine Gewaltleistung auf wenige Stunden zusammengedrängt: ich bin, dem Himmel sei Dank, mit menschlichen Wesen zusammen getroffen, und nicht mit Feldwebeln. Von diesen war es nur ein einziger, und ihn habe ich im sofortigen Angriff zertrümmert. Der Sohn saß dabei, mit der gleichen, etwas hilflosen Verlegenheit, wie sie sein Vater zeigt, wenn seine Frau die gesetzlichen Barrieren nieder rennt, und dieser Anblick rührte mich, und ließ mich meinen Erfolg nicht auskosten."
Wenn der verfemte Carl Schmitt nach dem Krieg zuweilen verzweifelt und bei so vielen Illoyalitäten ihm gegenüber ohnehin misstrauisch wird, ermahnt sie ihn knapp:
"Aber! Sich nicht beeinflussen zu lassen! Das ist es! Ich bin bereit und war es auch, ganze Regimenter in die Flucht zu schlagen, die sich mit Ihnen auf eine Art beschäftigen, die mir nicht passend erscheinen will."
Während ihrer heftigen Ehekrise 1950 bewährt sich Carl Schmitt, niedergeschlagen vom Tod seiner Frau, als der unerschütterliche und aufrichtige Freund. Diese Freundschaft, die beiden so viel bedeutet, wird gefährdet durch Dritte, vor allem durch Armin Mohler, den Sekretär Ernst Jüngers, der auch mit Carl Schmitt verkehrt und korrespondiert.
Die wachsende Entfremdung zwischen den früheren Freunden ergab sich auch aus seinen Indiskretionen, endlich Intrigen wie aus einer Provinzposse. Weder Ernst Jünger noch Carl Schmitt, empfindlich und argwöhnisch geworden, waren souverän genug, einen ehrgeizigen jungen Mann mit seinen Taktlosigkeiten und angemaßter Vertraulichkeit auf Distanz zu halten. Carl Schmitt verlor in der Unübersichtlichkeit das feste Zutrauen in die Freundin. Er zog sich 1953 ins Schweigen zurück.
Das war die größte Enttäuschung für die Freundin, mit der sie nicht fertig wurde. Im Mai 1959 rechnete sie in einem Brief an Armin Mohler mit dem ab, der ihr den Freund durch seine Manöver und Lügen entfernte, immer noch ratlos wegen dessen treulosen Verstummens. In diesem Drama der Irrungen konnte sie sich nur damit trösten, nie in ihrer Freundschaft geschwankt zu haben.
"Es gibt gottlob noch so etwas wie Charaktere."
Ingeborg Villinger, Alexander Jaser (Hrsg.):
Briefwechsel Gretha Jünger und Carl Schmitt (1934 –1953)
Akademie Verlag, Berlin 2007
So schrieb im Oktober 1942 der mittlerweile ziemlich isolierte und schon damals umstrittene Staatsrechtler Carl Schmitt, in dem Ernst Jünger so etwas wie einen "Kronjuristen ohne Krone" im Dritten Reich sehen wollte, an dessen Frau Gretha. Sie gehörte zu den ebenso einsamen Einzelnen, die einander erkennen, aneinander festhalten und dadurch ihre jeweiligen Einsamkeiten miteinander verknüpfen.
Gretha Jünger verabscheute das 20. Jahrhundert mit seinem Lärm, mit seiner Organisationsfreudigkeit und der Vergewaltigung der Gehirne. Die Vereinigten Staaten von Amerika schienen ihr Repräsentant all der widrigen Tendenzen zu sein, den Menschen zu erfassen, seine Gedanken und Lebensformen gleichzuschalten und ihn umgeben von praktischem Komfort endlich um seine Freiheit zu bringen.
"Trotzdem glaube ich, dass uns auch unser größter Widersacher, der Zeitgeist, die wahre Freiheit nicht nehmen kann, ob wir uns in einer Zelle oder am Ufer eines Flusses befinden, der von russischen oder englischen Posten flankiert wird. Wir bewegen uns in unseren Gedanken, in unseren Wünschen und Vorstellungen jenseits des Zugriffs von Gewalt; so viel ist uns verblieben, und das ist tröstlich,"
wie sie dem Freund im Mai 1948 versichert, den Schakalen entronnen, ohne aber befreit worden zu sein.
"1933-1950, das bedeutet ein einziges Narrenhaus, und nur die wenigsten befinden sich außerhalb seiner Mauern."
Zu den wenigen gehörten eben die einsamen Einzelnen, die ihr Ich zu einer Festung ausbauten und beharrlich die "Stellung hielten" und Haltung bewahrten. Das allein ermögliche noch Freiheit im fürchterlichen 20. Jahrhundert mit seinen wechselnden Normierungszwängen. Davon blieb die Aristokratin – als Margaretha von Jeinsen 1906 geboren – überzeugt.
In ihrem Briefwechsel mit Carl Schmitt - jetzt im Berliner Akademieverlag erschienen - herausgegeben von Ingeborg Villinger und Alexander Jaser, erweist sie sich stets als beherrschte Dame, die den Überblick nicht verliert, selbst wenn mitten in einer schweren Ehekrise der unendlich geliebte Bruder fällt und der Sohn wegen wehrkraftzersetzender Bemerkungen verhaftet wird. Nach einem ersten Besuch im Militärgefängnis Wilhelmshaven schreibt sie im März 1944 dem Freund:
"Hoffen Sie mit mir, dass der arme Junge diesen ersten Abschnitt seines Ausfluges in die Welt mit guter, seelischer Kraft überdauert."
Gretha Jünger wirkte mit ihrem Temperament – es mehr mit dem Feuer haltend als der Asche auf dem reuig gebeugten Haupt – auf manche wie eine verjüngte Adele Sandrock. Sie kämpfte für den Sohn in Wilhelmshaven.
"Es war eine Gewaltleistung auf wenige Stunden zusammengedrängt: ich bin, dem Himmel sei Dank, mit menschlichen Wesen zusammen getroffen, und nicht mit Feldwebeln. Von diesen war es nur ein einziger, und ihn habe ich im sofortigen Angriff zertrümmert. Der Sohn saß dabei, mit der gleichen, etwas hilflosen Verlegenheit, wie sie sein Vater zeigt, wenn seine Frau die gesetzlichen Barrieren nieder rennt, und dieser Anblick rührte mich, und ließ mich meinen Erfolg nicht auskosten."
Wenn der verfemte Carl Schmitt nach dem Krieg zuweilen verzweifelt und bei so vielen Illoyalitäten ihm gegenüber ohnehin misstrauisch wird, ermahnt sie ihn knapp:
"Aber! Sich nicht beeinflussen zu lassen! Das ist es! Ich bin bereit und war es auch, ganze Regimenter in die Flucht zu schlagen, die sich mit Ihnen auf eine Art beschäftigen, die mir nicht passend erscheinen will."
Während ihrer heftigen Ehekrise 1950 bewährt sich Carl Schmitt, niedergeschlagen vom Tod seiner Frau, als der unerschütterliche und aufrichtige Freund. Diese Freundschaft, die beiden so viel bedeutet, wird gefährdet durch Dritte, vor allem durch Armin Mohler, den Sekretär Ernst Jüngers, der auch mit Carl Schmitt verkehrt und korrespondiert.
Die wachsende Entfremdung zwischen den früheren Freunden ergab sich auch aus seinen Indiskretionen, endlich Intrigen wie aus einer Provinzposse. Weder Ernst Jünger noch Carl Schmitt, empfindlich und argwöhnisch geworden, waren souverän genug, einen ehrgeizigen jungen Mann mit seinen Taktlosigkeiten und angemaßter Vertraulichkeit auf Distanz zu halten. Carl Schmitt verlor in der Unübersichtlichkeit das feste Zutrauen in die Freundin. Er zog sich 1953 ins Schweigen zurück.
Das war die größte Enttäuschung für die Freundin, mit der sie nicht fertig wurde. Im Mai 1959 rechnete sie in einem Brief an Armin Mohler mit dem ab, der ihr den Freund durch seine Manöver und Lügen entfernte, immer noch ratlos wegen dessen treulosen Verstummens. In diesem Drama der Irrungen konnte sie sich nur damit trösten, nie in ihrer Freundschaft geschwankt zu haben.
"Es gibt gottlob noch so etwas wie Charaktere."
Ingeborg Villinger, Alexander Jaser (Hrsg.):
Briefwechsel Gretha Jünger und Carl Schmitt (1934 –1953)
Akademie Verlag, Berlin 2007

Briefwechsel Gretha Jünger und Carl Schmitt© Akademie Verlag