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Blickkontakt

03:48 Minuten
Eine Frau im Bus dreht sich von ihrem Sitz um und schaut in die Kamera.
Nicht überall auf der Welt schätzt man direkten Blickkontakt. © Eyeem / Farnam Prr
Von Matthias Baxmann und Matthias Eckoldt · 14.02.2020
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Flirten in der Pariser Metro? Fehlanzeige. In den USA schauen alle auf ihr Handy und im ländlichen Kenia senkt man den Blick, um Respekt zu zollen.
Tim Aßmann in Tel Aviv:
"Man darf sich in Israel schon gerne anschauen, direkt. Das ist im Prinzip kein Problem, man muss aber damit rechnen, dass der andere ein bisschen verwundert zurückgucken wird, nach dem Motto: "Was willst Du denn von mir, wieso schaust du mich so an?" Wo Blickkontakt gar nicht geht, das ist bei streng religiösen Juden. Männer vor allem, streng religiöse jüdische Männer, dürfen fremde Frauen nicht berühren. Damit sind aber nicht nur die Hände gemeint. Man darf das auch im übertragenen Sinne verstehen, dieses Berührungsverbot. Also, berühren mit dem Blick, direkter Blickkontakt, geht bei streng religiösen Juden auch nicht. Die sollten also diesen Blickkontakt mit fremden Frauen komplett vermeiden."
Friedbert Meurer in London:
"Ich würde nicht sagen, dass das Anblicken und Anlächeln ein No-Go ist, aber mir fällt schon auf, dass das in Großbritannien seltener gemacht wird als in Deutschland. Unsere Schulleiterin begrüßt jedes Kind jeden Morgen mit Namen. So, ich gehe dann neben meinem Kind her, an der Schulleiterin vorbei und sie schaut mir nicht in die Augen. Sie schaut mir nie in die Augen. Sie schaut immer vorbei. Das gehört sich nicht. Das wäre ein Eindringen in meinen privaten Bereich. Ja, die Briten sind etwas vorsichtiger, bevor sie sich gegenseitig in die Augen schauen."
Nicole Markwald in Los Angeles:
"In der Regel ist es in den USA so, dass man keinen großen Blickkontakt pflegt. Ich glaube, das Thema Zufallsbekanntschaften, das hat sowieso andere Dimensionen angenommen, seitdem alle Menschen auf ihre Handys starren. Mir ist es neulich erst wieder aufgefallen, da habe ich gewartet in einem Flughafen in Florida, und wirklich jeder einzelne Mensch, der mit mir am Gate saß, schaute auf sein Handy. Und diese Zufallsgespräche, die man früher mit seinem Sitznachbarn geführt hat oder mit jemandem, mit dem man in der Schlange steht, die gibt es doch wirklich nur noch ganz, ganz selten."
Linda Staude in Nairobi:
"In Nairobi ist das mit dem Blickkontakt eigentlich sehr westlich beeinflusst. Das heißt, man guckt die Menschen an, mit denen man spricht. Das ist völlig anders in den ländlichen Regionen Kenias. Natürlich ist der Kenianer als solcher ziemlich höflich. Also, ein freundlicher Gruß, und die Leute dabei auch ansehen, das gilt als höflich. Es darf aber vor allen Dingen zwischen Männlein und Weiblein auch nicht zu viel sein. Wenn nämlich da offener Blickkontakt ein bisschen zu lange dauert, dann wird das eher als Anmache oder als Einladung zur Anmache betrachtet und das hat dann eher so eine: "Möchtest du ein Date?" – Konnotation. Das sollte man vermeiden. In den ländlichen Regionen Kenias, da ist vor allen Dingen der Altersunterschied entscheidend. Also, wenn ich als junger Mensch oder gar als Kind mit einem älteren Menschen spreche, dann muss ich den Blick niederschlagen, weil das sonst ein Zeichen von mangelndem Respekt ist. Da gilt es, Demut zu zeigen und eben nicht den Menschen in die Augen zu schauen, auf dem Land in Kenia."
Jürgen König in Paris:
"Die häufigste Situation, in der man überhaupt mit Menschen in Blickkontakt treten kann, ist die U-Bahn. Hier in der Metro, ist mein Eindruck, dass man sich äußerst ungerne ansieht. Wer immer kann, weicht dem anderen mit den Blicken aus. Auch Flirten, was ein Klischee besagt, dass die französischen Männer und auch die französischen Frauen sehr gerne und sehr häufig flirten, das kann ich überhaupt nicht sagen. Ich hab‘ das sehr, sehr selten erlebt. Und der Blickkontakt ist ja oft der erste Schritt, in einen Flirt, welcher Art auch immer, zu treten."

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