„Korrekt und anarchisch“
Die Akademie der Künste widmet dem Maler George Grosz eine Ausstellung, die auch für Nicht-Fachleute interessant zu sein verspricht. Die Schau ist ein großes Konvolut von circa 150 Jugendzeichnungen.
„'Arbeiten und nicht verzweifeln‘, das war dann irgendwo mein Motto für die Ausstellung und ich glaube auch ein Motto für George Grosz, der durch das Arbeiten auch aus Frust und Depression herausgefunden hat“,
sagt Birgit Möckel, die das Werk von George Grosz seit ihrer Dissertation nicht mehr losgelassen hat. Solche Leidenschaft ist auch vonnöten, um sich durch die riesigen Archivbestände der Akademie der Künste zu Grosz hindurchzuarbeiten und sie für eine Ausstellung zu präparieren, die auch für Nicht-Fachleute interessant ist.
„Es gibt ein Archiv aus der West-Akademie mit schriftlichem Material, Bildmaterial, einige Kollagen. Es gibt einen großen Teil, der ‚94 an die Akademie kam, darunter 207 Skizzenbücher, und in dem Zusammenhang wurde auch dieser Inhalt der Kiste dann erworben, in dem sich der schriftliche Nachlass bis 1932 befunden hat, ein großes Konvolut von circa 150 Jugendzeichnungen und darüber hinaus fast zwei Dutzend Porträtstudien zu Max Herrmann-Neiße.“
Birgit Möckel bedient sich einer These, um das oft kleinteilige und unübersichtliche Material zu ordnen. George Grosz, der seinen deutschen Namen 1916 aus Protest gegen die wilhelminische Kriegsführung im Ersten Weltkrieg in die englische Form brachte, – George Grosz, so lautet die These, war als Künstler stets ein Kollageur, stets bediente er sich des Mittels der Montage, um seine sarkastisch gezeichneten Gesellschaftspanoramen zusammenzusetzen. Skizzenbücher, aufgesammelte Fotos, Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitte und sonstige Fundstücke bilden den Fundus des leidenschaftlichen Materialsammlers.
Der Hauptsaal der Ausstellung, in dem unter anderem alle 207 Skizzenbücher aus dem Besitz der Akademie gezeigt werden, ist durch die Ausstellungsarchitektur in eine Art Schaulager verwandelt worden, in dem die empfindlichen Exponate in verglasten und übereinander gestapelten Holzkästen gezeigt werden. Sie sollen den Baukastencharakter von Grosz‘ Kunst illustrieren.
„Was sehr schön war und wir hier im Archiv jetzt auch finden konnten: Es gibt Werke auch aus den 30er- und 40er- Jahren, die zeigen, dass er dieses Prinzip wirklich sein Leben lang verfolgt hat.“
Birgit Möckels These, die zwar nicht neu, aber hier doch in sich schlüssig ausgearbeitet worden ist, hat einige Tragweite. Sie soll den Kritikern von Grosz‘ Werk den Wind aus den Segeln nehmen, die ihm eklatante Qualitätsschwankungen nachweisen wollen, insbesondere für die Zeit nach 1932, in der Grosz Deutschland für mehr als zwei Jahrzehnte den Rücken gekehrt hatte und in die USA emigriert war.
„Es wär mir ein großes Anliegen, dass man diesen ganzen Grosz hier auch wieder neu entdeckt und vielleicht auch vorurteilsfrei entdeckt und ja noch mal neu betrachtet. Sein künstlerisches Mittel mag sich geändert haben, er ist von der Zeichnung zum Aquarell, zur Ölmalerei in Amerika gekommen und man müsste vielleicht auch die Zeit mal betrachten, als er Ende der 20er-Jahre – Neue Sachlichkeit – auch schon Stillleben und Landschaften malte, all das, was man immer mit dem amerikanischen Werk verbindet. Es ist nicht so schwarz-weiß: Deutschland gut, Amerika schlecht, das war eine künstlerische Entwicklung, und Amerika ist auch nicht, wie ja oft kolportiert wird, kein Spätwerk – er ist mit 39 Jahren nach Amerika gegangen.“
Die Darstellung seines in Amerika entstandenen Werkes verzichtet hier auf das Pathos der Gemälde und die Männerfantasien von nackten Mädchen am Strand, die sich seit den 40er-Jahren vereinzelt bei Grosz finden und kaum einen Zusammenhang mit seinem grandios sarkastischen Zeichnungswerk der 20er-Jahre erkennen lassen. Grosz-Forscherin Möckel will das so aber nicht gelten lassen und betont stets die Aussichtslosigkeit von Grosz‘ künstlerischer Situation in Amerika.
In der Tat wird durch die Vielzahl der kleinen Exponate aus dieser Zeit, vor allem der von Grosz gemalten Postkarten an seine Freunde, deutlich, dass er der Nachkriegsmoderne selbst entfremdet war. Mit dem abstrakten Expressionismus eines Jackson Pollock und dessen Ikonen der neuen „demokratischen Moderne“ des Westens, konnte er nichts anfangen. Sein künstlerisches Denken blieb von einem Impuls des Bewahrens geprägt, des Bewahrens einer Welt vor den Weltkriegen. Das ist durchaus typisch für Künstler seiner Generation, die vor dem Ersten Weltkrieg geboren wurden.
Grosz agitatorische, dadaistische Phase der 20er-Jahre, seine Entlarvungen des Militarismus, des Verfalls der bürgerlichen Welt in der Weimarer Zeit waren vielleicht nicht, wie später so oft vermutet, einer betont linken Weltanschauung geschuldet, die auch die 68er der alten Bundesrepublik wieder für sich entdecken konnten. Vielleicht war die Gesellschaftskritik bei Grosz eher Teil eines melancholischen Weltbildes, einer Sehnsucht zurück zu friedlicheren Zeiten, zu einer vormodernen Welt, die er zu verteidigen suchte. Vielleicht müssen die Etiketten von „Konservativ“ und „Progressiv“ entfernt und scheinbare Widersprüche in Grosz‘ Werk zusammengedacht werden, um ihn als Künstler zu verstehen. Davon vermittelt diese Ausstellung einen nachhaltigen Eindruck.
sagt Birgit Möckel, die das Werk von George Grosz seit ihrer Dissertation nicht mehr losgelassen hat. Solche Leidenschaft ist auch vonnöten, um sich durch die riesigen Archivbestände der Akademie der Künste zu Grosz hindurchzuarbeiten und sie für eine Ausstellung zu präparieren, die auch für Nicht-Fachleute interessant ist.
„Es gibt ein Archiv aus der West-Akademie mit schriftlichem Material, Bildmaterial, einige Kollagen. Es gibt einen großen Teil, der ‚94 an die Akademie kam, darunter 207 Skizzenbücher, und in dem Zusammenhang wurde auch dieser Inhalt der Kiste dann erworben, in dem sich der schriftliche Nachlass bis 1932 befunden hat, ein großes Konvolut von circa 150 Jugendzeichnungen und darüber hinaus fast zwei Dutzend Porträtstudien zu Max Herrmann-Neiße.“
Birgit Möckel bedient sich einer These, um das oft kleinteilige und unübersichtliche Material zu ordnen. George Grosz, der seinen deutschen Namen 1916 aus Protest gegen die wilhelminische Kriegsführung im Ersten Weltkrieg in die englische Form brachte, – George Grosz, so lautet die These, war als Künstler stets ein Kollageur, stets bediente er sich des Mittels der Montage, um seine sarkastisch gezeichneten Gesellschaftspanoramen zusammenzusetzen. Skizzenbücher, aufgesammelte Fotos, Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitte und sonstige Fundstücke bilden den Fundus des leidenschaftlichen Materialsammlers.
Der Hauptsaal der Ausstellung, in dem unter anderem alle 207 Skizzenbücher aus dem Besitz der Akademie gezeigt werden, ist durch die Ausstellungsarchitektur in eine Art Schaulager verwandelt worden, in dem die empfindlichen Exponate in verglasten und übereinander gestapelten Holzkästen gezeigt werden. Sie sollen den Baukastencharakter von Grosz‘ Kunst illustrieren.
„Was sehr schön war und wir hier im Archiv jetzt auch finden konnten: Es gibt Werke auch aus den 30er- und 40er- Jahren, die zeigen, dass er dieses Prinzip wirklich sein Leben lang verfolgt hat.“
Birgit Möckels These, die zwar nicht neu, aber hier doch in sich schlüssig ausgearbeitet worden ist, hat einige Tragweite. Sie soll den Kritikern von Grosz‘ Werk den Wind aus den Segeln nehmen, die ihm eklatante Qualitätsschwankungen nachweisen wollen, insbesondere für die Zeit nach 1932, in der Grosz Deutschland für mehr als zwei Jahrzehnte den Rücken gekehrt hatte und in die USA emigriert war.
„Es wär mir ein großes Anliegen, dass man diesen ganzen Grosz hier auch wieder neu entdeckt und vielleicht auch vorurteilsfrei entdeckt und ja noch mal neu betrachtet. Sein künstlerisches Mittel mag sich geändert haben, er ist von der Zeichnung zum Aquarell, zur Ölmalerei in Amerika gekommen und man müsste vielleicht auch die Zeit mal betrachten, als er Ende der 20er-Jahre – Neue Sachlichkeit – auch schon Stillleben und Landschaften malte, all das, was man immer mit dem amerikanischen Werk verbindet. Es ist nicht so schwarz-weiß: Deutschland gut, Amerika schlecht, das war eine künstlerische Entwicklung, und Amerika ist auch nicht, wie ja oft kolportiert wird, kein Spätwerk – er ist mit 39 Jahren nach Amerika gegangen.“
Die Darstellung seines in Amerika entstandenen Werkes verzichtet hier auf das Pathos der Gemälde und die Männerfantasien von nackten Mädchen am Strand, die sich seit den 40er-Jahren vereinzelt bei Grosz finden und kaum einen Zusammenhang mit seinem grandios sarkastischen Zeichnungswerk der 20er-Jahre erkennen lassen. Grosz-Forscherin Möckel will das so aber nicht gelten lassen und betont stets die Aussichtslosigkeit von Grosz‘ künstlerischer Situation in Amerika.
In der Tat wird durch die Vielzahl der kleinen Exponate aus dieser Zeit, vor allem der von Grosz gemalten Postkarten an seine Freunde, deutlich, dass er der Nachkriegsmoderne selbst entfremdet war. Mit dem abstrakten Expressionismus eines Jackson Pollock und dessen Ikonen der neuen „demokratischen Moderne“ des Westens, konnte er nichts anfangen. Sein künstlerisches Denken blieb von einem Impuls des Bewahrens geprägt, des Bewahrens einer Welt vor den Weltkriegen. Das ist durchaus typisch für Künstler seiner Generation, die vor dem Ersten Weltkrieg geboren wurden.
Grosz agitatorische, dadaistische Phase der 20er-Jahre, seine Entlarvungen des Militarismus, des Verfalls der bürgerlichen Welt in der Weimarer Zeit waren vielleicht nicht, wie später so oft vermutet, einer betont linken Weltanschauung geschuldet, die auch die 68er der alten Bundesrepublik wieder für sich entdecken konnten. Vielleicht war die Gesellschaftskritik bei Grosz eher Teil eines melancholischen Weltbildes, einer Sehnsucht zurück zu friedlicheren Zeiten, zu einer vormodernen Welt, die er zu verteidigen suchte. Vielleicht müssen die Etiketten von „Konservativ“ und „Progressiv“ entfernt und scheinbare Widersprüche in Grosz‘ Werk zusammengedacht werden, um ihn als Künstler zu verstehen. Davon vermittelt diese Ausstellung einen nachhaltigen Eindruck.