Koreanisch-japanischer Streit um "Trostfrauen"

"Es geht darum, das Gesicht zu wahren"

07:18 Minuten
Eine bronzefarbene Frauenskulptur erinnert in Berlin-Mitte an die Koreanerinnen, die während des 2.Weltkriegs japanischen Soldaten als Zwangsprostituierte dienen mussten
Ein Mahnmal in Berlin erinnert an Koreanerinnen, die im Zweiten Weltkrieg vom japanischen Militär zur Prostitution gezwungen wurden. © imago images /Jürgen Ritter
Takuma Melber im Gespräch mit Marietta Schwarz · 08.01.2021
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Der Missbrauch koreanischer Frauen als Sexsklavinnen für japanische Soldaten im Zweiten Weltkrieg birgt noch immer Sprengstoff. Doch der Konflikt zwischen Japan und Korea gehe viel tiefer, sagt der Historiker Takuma Melber.
Rund 200.000 junge südkoreanische Frauen wurden während des Zweiten Weltkriegs von japanischen Soldaten als Sexsklavinnen – sogenannten Trostfrauen - missbraucht. Erst nach Jahrzehnten konnte sich Japan zu einer Anerkennung seiner Schuld durchringen. Doch dass ein Gericht in Seoul die japanische Regierung jüngst zu Entschädigungszahlungen verurteilt hat, weist Japan nun zurück. Denn laut Völkerrecht könne ein Staat nicht über einen anderen zu Gericht sitzen, lautet das Argument.
Und da habe Japan in der Sache recht, sagt der Historiker Takuma Melber. Melber forscht an der Universität Heidelberg zur japanischen Besatzungspolitik des 20. Jahrhunderts. Japan beharre eben auf der Staatenimmunität. "Man muss ein bisschen Hintergrundwissens zu der ganzen Geschichte haben. Für Japan gilt die Sache eigentlich als geregelt zwischen den Staaten, weil es eben aus der Vergangenheit bereits bilaterale Abkommen gibt".

Keine Einigkeit über die Geschichtsschreibung

Die Abkommen über Entschädigungszahlungen wurden 1965 und 2015 geschlossen. Doch der Konflikt gehe viel tiefer, betont Melber. Es gebe immer noch keinen Konsens, wie man die Geschichte des Zweiten Weltkriegs im asiatisch-pazifischen Raum zu schreiben habe. "In Europa herrscht da eigentlich Konsens darüber, wie wir über den Zweiten Weltkrieg, den Holocaust und die schlimmen Kriegsverbrechen der Wehrmacht und die NS-Kriegsverbrechen in unseren Schulen lehren."
Weiterhin gebe es territoriale Streitigkeiten und finanzielle Entschädigungsforderungen an Japan nicht nur von Südkorea, sondern auch von China und Taiwan. "Aber es geht vor allem sehr viel um Nationalstolz - auch um ein Prestige-Ringen", erläutert der Historiker. "Es ist ein sehr komplexes Thema, mit dem wir es hier zu tun haben."
Koreanische Frauen demonstrieren schon seit Jahrzehnten für eine Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts als Zwangsprostituierte im 2.Weltkrieg.
Koreanische Frauen demonstrieren schon seit Jahrzehnten für eine Wiedergutmachung des erlittenen Unrechts als Zwangsprostituierte.© AFP / picture alliance
Deshalb sei das Thema der Trostfrauen nur ein Teil in einem großen Puzzle. Südkorea wünsche sich, dass auch in Japan in den Schulen ein Schuldeingeständnis für den Krieg und die Kriegsgräuel in Japan gelehrt werde.

Korea will nicht vor den Internationalen Gerichtshof

Gegen den Vorschlag Japans, den Konflikt vor dem Internationalen Gerichtshof zu klären, sträube sich wiederum die koreanische Regierung in Seoul, sagt Melber: "Da die Koreaner die Sorge haben, dass man dann einen Präzedenzfall schaffen würde. Und dann eben auch die territorialen Streitigkeiten um die angesprochenen Inseln verhandelt werden. Und dann Korea womöglich den Kürzeren zieht."
Da Südkorea ein vergleichsweise junger Staat sei, werde das Thema der Trostfrauen auch ein Stück weit benutzt, um identitätsstiftend nach innen zu wirken. "Der größte gemeinsame Nenner zwischen den politischen Parteien innerhalb Koreas, das ist quasi diese Anti-Haltung gegenüber Japan."

Nicht das Gesicht verlieren

Melber sagt weiter: Dass Japan im vergangenen Jahr versucht habe das Aufstellen eines Mahnmahls in Berlin für die Trostfrauen zu verhindern, zeige den Stellenwert dieses Themas. "Das wird eben auch als das Verlieren des Gesichtes ein Stück weit angesehen, dass man da mit dem Finger auf Japan zeigt, so wird das Ganze verstanden."
Nach Statuen in den USA, Australien und Kanada sei diese die erste in Europa. "Man hat die Sorge, dass das Ganze von südkoreanischer Seite so weit getrieben wird, dass man weltweit vor jeder japanischen Botschaft irgendwo eine solche Statue errichtet, um eben auf diese Geschichte hinzuweisen. Und das ist Japan ein Dorn im Auge - man sieht das als ehrverletzend an."
(mle)
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