Imam Benjamin Idriz über den Koran

Freiheit, Frieden, Gleichbehandlung

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Imam Benjamin Idriz, Vorsitzender der Islamischen Gemeinde Penzberg e.V. in der Moschee im oberbayerischen Penzberg.
Für Imam Benjamin Idriz hat der Koran auch Nicht-Muslimen etwas zu sagen. Darin geht es um universelle Werte wie Freiheit, Armutsbekämpfung und sogar um Umweltschutz. © imago / Friedrich Stark
Benjamin Idriz im Gespräch mit Anne Françoise Weber · 05.12.2021
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Für den Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg, Benjamin Idriz, ist der Koran ein lebendiges Gespräch zwischen Mensch und Gott sowie eine Quelle universeller Werte, auch für Nicht-Muslime. Den Islam auf Fasten und Pilgerreise zu reduzieren, greift für ihn zu kurz.
Der Koran gilt in seinem arabischen Original als unglaublich schöner Text, dessen Rezitation viele Muslime und Nichtmuslime in ihren Bann zieht, selbst wenn sie die Verse nicht unbedingt verstehen. Benjamin Idriz, der Imam der Islamischen Gemeinde Penzberg in Oberbayern, konnte den Koran schon im Alter von elf Jahren vollständig auswendig. Doch es geht ihm nicht nur um das schöne Rezitieren des Textes, sondern auch darum, den Sinn zu erfassen, wie er in seinem neuen Buch schreibt.

Gott spricht durch den Kosmos und die Vernunft

Idriz nennt den Koran, der in verschiedenen Etappen offenbart wurde, ein lebendiges Gespräch zwischen Gott und Mensch.

Ganz normale Menschen wie wir haben dem Propheten Mohammed Fragen gestellt, und die Antwort kam vom Himmel. Das heißt, es gab eine Interaktion zwischen den Menschen und Gott. Das zeigt, wie nah Gott den Menschen ist und dass Menschen in einer Verbindung mit Gott sein dürfen.

Benjamin Idriz, Imam

Auch wenn die Offenbarung nach islamischem Glauben mit dem Koran beendet sei, „Gott spricht durch den Kosmos und die Vernunft weiter mit uns“, so Idriz. Nicht für alle Fragen gebe es im Koran eine detaillierte Antwort, aber er liefere eine Inspiration und universelle Werte sowie Hinweise, um weiter nachzudenken.

Manche Verse nur im Kontext zu verstehen

Einige Verse und Stellen seien für die Gesellschaft in Mekka und Medina im siebten Jahrhundert relevant gewesen und hätten damalige Traditionen und Verhältnisse aufgegriffen. Heute seien sie nicht wörtlich zu nehmen. Das Gleiche gelte für Verse, die zu Gewalt gegen Andersgläubige aufrufen. „Der Muslim darf in der heutigen Zeit mit sogenannten Ungläubigen nicht so umgehen“, mahnt Idriz.

Solidarisch zu sein, liebevoll zu sein, respektvoll zu sein, das sind alles Werte, die der Koran in mehreren Versen anspricht.

Benjamin Idriz, Imam

Diese Verse seien vielmehr im Kontext damaliger Auseinandersetzungen zu verstehen. Er könne zwar alle Koranverse rezitieren. Aber es gebe Verse, die sozial bedingt, und andere, die universell seien. Und auf letztere müsse man sich konzentrieren.

Solidarität und Umweltschutz

„Leider haben Muslime selbst den Islam auf nur fünf Säulen reduziert.“ Idriz kritisiert dieses enge Islam-Verständnis und betont, dass der Koran als göttliches Wort eine universelle Botschaft hat. Auch Wissen, gesellschaftliche Entwicklung, Freiheit, Frieden, Gleichbehandlung aller Menschen, Armutsbekämpfung und Umweltschutz seien zentrale Säulen des Koran, die die Muslime selbst vernachlässigt hätten.
Zwar sind die Pilgerreise, das Fasten oder das fünfmalige Gebet Bestandteile des Islam. „Aber der Koran ist nicht nur ein Buch der Muslime, sondern eine göttliche Botschaft, welche für alle Menschen gelten sollte“, meint Idriz.

Benjamin Idriz: „Wie verstehen Sie den Koran, Herr Imam? Grundgedanken für einen Islam heute und hier
Gütersloher Verlagshaus 2021
258 Seiten, 20 Euro

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