Kopflastige Spaßkunst

Von Johannes Halder · 07.03.2005
<strong> Er gilt als der Komiker der deutschen Kunstszene, der banale Materialien wie Dachlatten zu kopflastiger Spaßkunst verbastelt. Herold kontert die Kunst, indem er geschickt von ihren ästhetischen Schwächen profitiert. Sein Oeuvre ist in der Kunsthalle Baden-Baden zu sehen. </strong>
Er ist so etwas wie der Komiker der deutschen Kunstszene und sein Markenzeichen ist die Dachlatte. Die erste, exakt 1,10 Meter lang, präsentierte er 1977 in der Hamburger Hochschule für Bildende Künste, Raum 241, waagrecht an der Wand. Zwei Jahre später installierte er eine "Fellecke" im Atelier, eine Anspielung an die legendäre "Fettecke" von Joseph Beuys natürlich, und schon damals war klar, aus welcher Ecke die Kunst von Georg Herold kommt. Er gilt als Neo-Dadaist, als Witzbold und Wortspieler, der Handke auf Fußke reimt und am laufenden Meter die Kunst verulkt, das selbst angeblich aber gar nicht lustig findet:

Ne, da ist nichts komisch dran. Aber vielleicht der Arbeitsprozess ist sehr lustig.

Doch, lustig ist das schon; und in der Tat ist es wohl eher so, dass Herold seine Kunst mit einigem Ernst betreibt. Er selbst, 1947 in Jena geboren, saß schließlich wegen versuchter Republikflucht neun Monate im DDR-Knast, da gab es nichts zu lachen, aber es sammelte sich einiges an für seine Kunst.

Etwa die Stasi-Praxis, von verdächtigen Personen Geruchsproben zu sammeln und zu konservieren. In der Baden-Badener Kunsthalle steht eine große Vitrine mit Dutzenden von Einmachgläsern, jedes gefüllt mit einer alten Socke und beschriftet mit dem Etikett eines namhaften Duftproduzenten: Giorgio Armani, Zino Davidoff, Chanel No 5 usw. Das Biografische, das bricht sich manchmal Bahn in Herolds Werk:

Ich kann's ja nicht verhindern. Es ist einfach da. Es wird eine Rolle spielen und ich setze es selten bewusst ein. Es gibt ein paar Arbeiten, wo das eben schon einen sehr bewussten Bezug hat. Aber ich denke, es ist in vielen Dingen mit eingeflossen, weil man einfach ein anderes Leben gehabt hat 25 Jahre, anders aufgewachsen und einen anderen Horizont. Das ist dann schon spürbar.

In der DDR hatte Herold noch eine ganz klassische Ausbildung absolviert. Doch als er dann in den Westen abgeschoben wurde, 1973, sagt er, war für ihn erst mal "Große Pause". Beobachten, hinterfragen, kommentieren, das ist seitdem sein Rezept.

Eine besonders kritische Haltung zu Dingen, die hat man schon mitgekriegt, und das ist bestimmt auch prägend gewesen, dass man also sehr frühzeitig vieles in Frage gestellt hat und gesagt hat: Es gibt auch andere Blickwinkel.

Studiert hat er dann bei Sigmar Polke, das färbte ab. Und so wie Polke verwendet auch Herold am liebsten banale, kunstgeschichtlich unbelastete Materialien, die er zu kopflastiger Spaßkunst verbastelt: Bimsstein, Ziegel und Beton, rohe Leinwand, Pappe, Draht und Glas und vor allem Dachlatten.

Das ist eigentlich wie ein Bleistift, ein ganz simples Material, das man als Bildhauer verwenden kann. Man kann es als Konstruktion verwenden wie als Linie, als Element. Es ist verfügbar zu allem, an jeder Ecke. Und das ist ein großer Reiz.

Auch in Baden-Baden gibt's viel Holz. Den berühmten Dürer-Hasen etwa hat Herold aus Dachlatten zu einer Plastik zusammengepixelt. Andere seiner Werke leben davon, dass er Begriffe wörtlich nimmt. Eine lange Latte lehnt da an der Wand. "Goethe" hat er draufgepinselt, und daneben lehnt ein kurzes Lattenstück: "Im Vergleich dazu irgendein Scheißer", steht darauf geschrieben.

Mit diesem Klassiker von 1982 hat sich Herold selbst die Latte ziemlich hoch gelegt, denn nicht immer gelingt der Umschlag in eine Ästhetik, die für sich selbst Bestand hat, wenn der Witz verpufft. Doch so lange es Kunst gibt, geht ihm der Stoff nicht aus. Kunsthallenleiter Matthias Winzen:

Es geht wirklich darum: Was sehen wir außerhalb des Bereiches, den wir glauben mit Sprache beherrschen zu können. Darum geht es. Und das hat mit Absurdität, mit Verblüffung zu tun, das wird manchmal mit witzig verwechselt, aber eigentlich geht es gar nicht sozusagen um skulpturale Witze.

Als visuellen Grundlagenforscher möchte Winzen den Künstler stattdessen verstanden wissen, als einen, der uns Lektionen erteilt, indem er die Lügen der Kunst und der Gesellschaft entlarvt und uns zum Beispiel eine leere Wasserflasche als "Trockenwasser" verkauft, so wie es Politik und Werbung täglich tun.

"Öl auf Leinwand", das kennt man, also malt Herold mit "Erdöl auf Leinwand". Und wenn jemand meint, er benutze nur billige Materialien, dann pigmentiert er eine Serie von Porträts eben mit perlig schwarzem Kaviar – na bitte, ganz schön teuer das Zeug. So teuer, dass er auf manchen Bildern jedes einzelne Kügelchen mit einer Nummer versehen hat.

Oder er näht Knöpfe auf die Leinwand und entwickelt daraus eine "Abstrakte Etüde" von hinreißender Poesie. Solche Scherze hat die Schau dutzendweise im Sortiment. Klischee wird mit Klischee bekämpft, und für das so genannte Wahre, Schöne, Gute hat der Künstler nichts als Hohn und Spott. Das macht ihn zu einer wichtigen Bezugsperson für viele jüngere Künstler.

Herold kontert die Kunst k.o., indem er geschickt von ihren ästhetischen Schwächen profitiert. Dass daraus wieder Kunst entsteht – das eben ist die Kunst.

Service:

Die Werkschau des Künstlers Georg Herold ist vom 5. März bis 9. April 2005 in der Kunsthalle Baden-Baden zu sehen.

Link:

Kunsthalle Baden-Baden: Georg Herold