Konzertprojekt zum Genozid an den Armeniern

Den Toten eine Stimme geben

Die Komponistin Zeynep Gedizlioğlu
Die Komponistin Zeynep Gedizlioğlu hat für das Aghet-Projekt ein Werk geschrieben © Manu Theobald/Website Zeynep Gedizlioğlu
02.12.2015
Erinnern und Versöhnen wollen die Dresdner Sinfoniker mit ihrem neuen Konzertprojekt "Aghet". Armenische, türkische, serbische und deutsche Künstler haben sich in Musikwerken mit dem Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich beschäftigt.
Aus aktuellem Anlass rücken die Dresdner Sinfoniker noch einmal den Genozid an den Armeniern in den Fokus. Mahnen, Erinnern, Gedenken - und vielleicht Versöhnen - das sind Inhalte und Ziele eines Programms mit dem Titel "Aghet" (auf Türkisch bedeutet das Trauerklage, auf Armenisch Katastrophe). In drei sehr unterschiedlichen musikalischen Werken soll das mahnende Erinnern zum Ende des 100. Gedenkjahres des Völkermords wach gehalten werden.
Im Radialsystem V am Berliner Ostbahnhof werden Werke gespielt, die die junge türkische Komponistin Zeynep Gedizlioğlu und der Brandenburger Komponist Helmut Oehring eigens komponiert haben. Außerdem erklingt erstmals in Deutschland das Viola-Konzert "Surgite Gloria" des armenischen Komponisten Wache Scharafjan. Die Dresdner Sinfoniker sind mit ihrem Dirigenten Andrea Molino quasi zu Haus im Orient - sowohl mit der Türkei und dem Kaukasus als auch mit Palästina haben sie sich eingehend beschäftigt. Der Blick in die Geschichte des armenischen Volkes soll nun türkische, armenische, serbische und andere Musiker zusammenbringen und Vorbildwirkung haben bei weiteren Aufführungen des Aghet-Programms in Dresden, Belgrad und Istanbul im kommenden Jahr. Musikalischer Kooperationspartner ist hierbei das No-Border-Orchestra, das Künstler aus allen Staaten des ehemaligen Jugoslawien ungeachtet ihrer Herkunft vereint und bereits ein Netzwerk in allen Ländern dieser Region etabliert hat - über alle Grenzen, politischen und ethnischen Grenzen hinweg.
Die Klangwelten, die die drei Komponisten aus der Türkei, Armenien und Deutschland heraufbeschwören, wollen nicht nur anklagen, sondern sind sicher auch nostalgisch und wecken Erinnerungen daran, was hätte geschehen können, wenn der gesamte Nahe Osten (einstmals der "Orient" oder das "Morgenland") - nicht in einen Kreislauf schlimmster Gewalttaten und Kriege versunken wäre. Diese Gewalttaten dauern spätestens seit dem Völkermord an den Armeniern bis heute unvermindert an und haben schon unzählige Menschenleben und mit ihnen auch zahllose Lieder, Musikstücke und andere Kulturgüter zerstört. Kein Land Europas und des Nahen Ostens kann von sich behaupten, an dieser andauernden Tragödie unschuldig zu sein. Und seit den Pariser Terroranschlägen dieses Jahres ist klar, dass sich Europa mitten in diesen Kriegen befindet.
Die Erinnerung an die blutigen Geschehnisse vor einhundert Jahren, an einen der ersten Genozide der modernen Geschichte, mithilfe der Musik kann der erste Schritt der Heilung sein.
Radialsystem V, Berlin
Aufzeichnung vom 27. November 2015
Aghet - die große Katastrophe
Zeynep Gedizlioğlu
"Notes from the Silent One" für Streichorcherster (Uraufführung)
Wache Scharafjan
"Surgite Gloriae" - Konzert für Viola, Duduk, Knabensopran, Bariton, Glocken und Streichorchester (Deutsche Erstaufführung)
Helmut Oehring
"Massaker, hört Ihr MASSAKER!"für Gitarre, Frauenchor und Streichorchester (Uraufführung)
Matthias Worm, Viola
Araik Bartikian, Duduk
Friedrich Ilgner, Knabensopran
Carl Thiemt, Bariton
Marc Sinan, Gitarre und Sprecher
Zwölf Solistinnen des Dresdner Kammerchores und des Ensembles AuditivVokal Dresden
Dresdner Sinfoniker mit Gästen aus der Türkei und aus Armenien
Leitung: Andrea Molino