Konzertagentin zur Pleite von Columbia Artists

"Die Krankheit unseres Jahrhunderts ist das Management"

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Porträtfoto von Sonia Simmenauer
Sonia Simmenauer, Konzertagentin, sieht nicht die Coronapandemie als verantwortlich für den Konkurs von Columbia Artists, sondern vermutet, es seien veraltete Strukturen. © Lennart Rühle
Sonia Simmenauer im Gespräch mit Mascha Drost · 01.09.2020
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Herbert von Karajan, Elisabeth Schwarzkopf, Jascha Heifetz, Yehudi Menuhin oder Leonard Bernstein. Die Künstleragentur Columbia Artists vertrat viele große Musiker. Jetzt ist sie pleite. Was heißt das für die Branche?
Columbia Artists hat Konkurs angemeldet hat. Auf die Technikwelt übertragen wäre das in etwa so, als hätte Apple Pleite gemacht. Und wenn die Coronakrise schon die Columbia in die Knie zwingt, wie soll es erst kleineren Agenturen ergehen? Oder vielleicht ist das ja auch genau andersherum. Vielleicht haben die es ja sogar ein wenig leichter. Darüber haben wir mit Sonia Simmenauer gesprochen. Sie hat vor über 30 Jahren das Impresariat Simmenauer gegründet – ebenfalls eine legendäre Adresse in der Musikbranche.

Es ist nicht Coronas Schuld

Sie sieht den Hauptgrund für Columbias Pleite nicht in der Pandemie, sondern vermutet, dass alte Strukturen, die nie infrage gestellt wurden, der Auslöser sind. Wie mit allem anderen auch, habe die Coronakrise nur als eine Art Lupe für die Probleme gewirkt, die auch schon vorher vorhanden waren.
Die Strukturen, die ihr jetzt zum Verhängnis geworden seien, hätten der Agentur aber auch viel Macht verliehen, so Simmenauer: "Von Columbia kam die große Macht der Dirigenten, die in den letzten 30 Jahren unsere Musikwelt geprägt haben. Aber das ist auch vielleicht ein bisschen leergelaufen. Ich würde fast behaupten, die Krankheit unseres Jahrhunderts ist das Management", sagt sie mit Blick auf Künstleragenturen. Denn deren Management sei oft seelenlos und habe zu viel Macht.

Muss der Beruf sich neu erfinden?

Simmenauer geht davon aus, dass viele, die jetzt ihren Job verloren haben, sich selbständig machen werden. Sie glaube nicht, dass sich ein großes schwarzes Loch auftut, sondern dass sich sehr zahlreiche kleine Agenturen bilden werden. Wie viele davon dann überleben, werde sich noch zeigen. Aber es handele sich dabei um eine Truppe von Leuten, die über das nötige Know-how und die Netzwerke verfügten.
Auch für betroffene Künstlerinnen und Künstler sieht Konzertagentin Simmenauer keine Probleme. Sie gehe davon aus, dass die größeren Künstler sowieso nicht gefährdet sind, sagt sie. "Erstens werden andere Agenturen ihre Tore groß aufmachen. Zweitens sind die Mitarbeiter, die dort waren, vielleicht in einem Vertrauensverhältnis mit ihren Künstlern und machen sich damit selbständig. Ob in einer Agentur oder einem Sekretariat - oder unser Beruf wird sich neu erfinden müssen."

"Vielleicht das Ende von etwas, das sehr gut lief"

Neu erfinden müsse sich der Beruf eventuell, da andere Agenturen dem Beispiel von Columbia folgen könnten. Denn es seien alle davon betroffen, seit März trotz einer großen Menge an Arbeit so gut wie keine mehr Einnahmen zu haben, erklärt Simmenauer. Nun gingen zwar die Konzerte wieder los, aber die Agenturen seien damit konfrontiert, dass Künstler nicht einreisen dürften oder in Quarantäne gehen müssten – das könne sich niemand leisten. Darum seien bemühten sie sich darum, dass Künster wie Pendler behandelt werden und Sondergenehmigungen erhalten, um ihrem Beruf nachgehen zu können.
"Ansonsten können wir alle einpacken. Es werden die Musiker, die vor Ort sind, die Musik übernehmen." Vielleicht sei das für eine Zeit heilsam. "Aber vielleicht ist es dann auch das Ende von etwas, was sehr gut lief."
Zwiegespalten sieht Konzertagentin Simmenauer hierbei auch die Rolle der Politik in der Coronakrise: "Ich denke, dass manche Leute wirklich unterstützen wollen, aber die meisten eigentlich nicht wissen, was diese Welt bedeutet und wie sie läuft."
(hte)
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