Konzept Wahlfamilie

Oma gesucht!

Christine Jordan mit Tamino und Emilio beim spielen im Schrebergarten.
Mindestens einmal in der Woche versucht Christine Jordan Tamino und Emilio. © Astrid Wulf
Von Astrid Wulf · 02.08.2017
In ganz Deutschland gibt es Initiativen, die Familien mit Wahlgroßeltern zusammenbringen. In Bad Schwartau kümmert sich seit zwei Jahren Wahloma Christine Jordan um Tamino und Emilio. Ein Besuch bei der Patchworkfamilie.
"So Jungs, wer ist zuerst drauf? Tamino? Und dann darf Emilio mal probieren. Soll ich unten festhalten?"
Vorsichtshalber hält Christine Jordan die Strickleiter im Baum fest, mit der anderen Hand stützt sie den siebenjährigen Tamino. Die Mutter der beiden hat einen Termin – also verbringt die 67-Jährige den Tag mit den beiden Jungs. Mindestens einmal die Woche versucht sie, Tamino und Emilio zu sehen.
"Ich hüte abends ein, wenn Elternabend ist, esse mit den Kindern zusammen, bringe sie dann ins Bett, wir lesen mal was zusammen, gehen Eis Essen oder auf den Spielplatz."

Oma seit zwei Jahren

Wie eine richtige Oma eben. Dabei kennen sich Oma Tine, Mutter Liane, und die beiden Kinder gerade mal seit zwei Jahren. Die Initiative Wunschfamilie des Familienzentrums Bad Schwartau hat sie zusammengebracht. Die leiblichen Großeltern der Jungs sind schon gestorben bzw. leben weiter entfernt. Die Kinder von Wahloma Christine mit Enkel Hannes wohnen auch nicht in der Nähe.
"Ich bin von Beruf Erzieherin, und als ich aufgehört habe, habe ich gedacht: Ich hätte eigentlich noch viel zu geben."
Egal, ob leibliche Großmutter oder Leihoma: Emilio findet es super, dass Oma Tine für ihn und seinen kleinen Bruder da ist.
"Das ist toll. Zum Beispiel, dass ich dann nicht alleine zum Freund gehen muss, wenn Mama zum Elternabend gehen muss, dass man ein paar mehr Leute zum Spielen hat"
Egal ob leibliche Oma oder Wahloma
Taminos und Emilios Mutter Liane Preuß kommt von ihrem Termin zurück, umarmt Wahloma Tine herzlich und macht es sich im Gartenstuhl bequem. Christine Jordan kennengelernt zu haben, ist für die 43-Jährige ein absoluter Glücksfall – mittlerweile hat sie in der Familie einen festen Platz.
"Bei der Einschulung ist sie dabei, bei Geburtstagen, da gehört Oma dazu – und es ist egal, ob es die leibliche Oma ist oder die Wahloma ist."

Kinder können natürlich auch ohne Großeltern aufwachsen und sich normal entwickeln - ältere Bezugspersonen sind allerdings eine große Bereicherung, sagt Diplompädagogin Ursula Sier, die für die "Initiative Wunschfamilie" mitverantwortlich ist:
"Durch Erzählungen, wie war es früher – das ist auch für die Kinder ganz toll. Wenn das fehlt in der Familie, entsteht schon so ein Loch. Wir erleben auch ganz oft, dass die Großeltern für das Vorlesen zuständig sind. Für die Dinge, die Zeit kosten, die einfach ganz schön sind, aber die im Familienalltag oft zuwenig Platz haben."
Patchworkfamilie: Mutter, zwei Söhne und Wahloma.
Patchworkfamilie: Mutter, zwei Söhne und Wahloma.© Astrid Wulf

Voraussetzung: Kein Eintrag im Führungszeugnis

Voraussetzung, um bei diesem Projekt als Wahloma oder Wahlopa in die Kartei aufgenommen zu werden, ist ein Führungszeugnis ohne Einträge – ein Mindestalter für diese Aufgabe gibt es nicht:
"Das ist eine Frage der Einstellung. Das kann eine 50-Jährige sein, von mir aus auch jünger, wenn sie sich dazu berufen fühlt. Es gibt letztlich auch kein Höchstalter, aber es müssen natürlich fitte Senioren sein, die sich der Lage gewachsen sehen. Und die dann auch aktiv mit den Kindern spielen können, unterwegs sein können, das ist schon so die Voraussetzung."
Wie die Wahlfamilien ihren Alltag gestalten wollen, müssen sie selber herausfinden. Manche verbringen ganz viel Zeit miteinander, in anderen Konstellationen holt die Wahloma die Kinder nur einmal in der Woche von der Kita ab.
Was für die Wahlgroßeltern, für die Eltern und Kinder gut funktioniert, ist genau richtig. Projektleiterin Ursula Sier wünscht sich zumindest, dass die Familienstrukturen für einen längeren Zeitraum Bestand haben und wachsen können.

Patchworkfamilie 2.0

"Das Ziel ist wirklich langfristig und familienähnlich – wie so eine Patchworkfamilie letztendlich auch, auch das ist ja heutzutage gang und gebe – eine Großmutter, die gar nicht mit einem verwandt ist."
"Hast Du Dein Schälchen für die Erdbeeren? Bringst Du mir auch eins mit?"


Wer die Jungs und die beiden Frauen beim Erdbeerpflücken beobachtet, spürt, dass das Konzept Wahlfamilie hier voll aufgeht. Die Wahloma ist nicht nur ein günstiger Babysitter – es profitieren alle voneinander. Christine Jordans Mann ist im vergangenen Jahr gestorben. Halt und Trost hat sie vor allem in ihrer neuen Familie gefunden – damals wie heute.
"Dann gehen wir zu den Segeberger Festspielen, und ich fahre gern Karussell, das passt wunderbar, so komme ich auch mal zu solchen Sachen. Man muss halt sehen, wenn man alleine ist, wo man bleibt."
Christine Jordan, Tamino und Emilio pflücken Erdbeeren im Schrebergarten.
Christine Jordan, Tamino und Emilio pflücken Erdbeeren im Schrebergarten.© Astrid Wulf
Mehr zum Thema