Kontrovers

"Ich glaub', die wird Ärger bekommen"

Die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska mit den beiden Hauptdarstellern des Films "Im Namen von ..." Andrzej Chyra (l.) und Mateusz Kosciukiewicz (r.) auf der 63. Berlinale 2013
Die polnische Regisseurin Małgorzata Szumowska mit den beiden Hauptdarstellern des Films "Im Namen von …" Andrzej Chyra (l.) und Mateusz Kosciukiewicz (r.) auf der 63. Berlinale 2013 © picture alliance / dpa / Michael Kappeler
Von Arkadiusz Luba · 13.05.2014
"Im Namen von ..." spricht das Thema Homosexualität und Kirche offen und kontrovers an - der erste polnische Film, der sich das traut. Regisseurin Małgorzata Szumowska gewann 2013 auf der Berlinale in Berlin dafür den Teddy-Award.
In einer Provinz baut der Jesuit Adam ein kirchliches Gemeindezentrum für Jungen aus Erziehungsanstalten auf. Dankbar für die Arbeit akzeptiert ihn die Gemeinde sofort. Die Gemeindemitglieder suchen seinen Rat und seine Nähe, wie Ewa, die ihn sogar zu verführen versucht. Sie ahnt nichts von Pater Adams Geheimnis.
Pater Adam hat die Gabe, seinen Glauben zu leben und außergewöhnliche Dinge zu tun. Nur seine Homosexualität kann er nicht ausleben, weil das System es nicht zulässt. Als der Pater und einer der Jungen sich ineinander verlieben und es ans Tageslicht kommt, wird der Pater offen angefeindet. Sein bester Freund und Mitarbeiter, zugleich der Mann von Ewa, denunziert ihn beim zuständigen Bischoff.
Der unter der Nichtakzeptanz leidende Geistliche wird strafversetzt. Doch die Liebe bleibt bestehen.
Weltpremiere auf der Berlinale
Dieter Kosslick: "Wie sie ihre Bilder konstruiert, aber auch so, wie sie die Geschichte erzählt, das macht sie aus Frauensicht sehr mutig. Ich glaub', die wird Ärger bekommen."
Dieter Kosslicks Vermutung, die Regisseurin würde in Polen große Probleme bekommen, war zunächst unbegründet. Die ersten kritischen Stimmen kamen vor allem aus dem rechtskonservativen Lager und seitens der Kirche, es gab aber sonst keine große Aufregung. Schließlich hat man auch dem sonst so beliebten polnischen Papst Johannes Paul II. schon zu Lebzeiten vorgeworfen, er habe sich mit der Homosexualität und Pädophilie in der Kirche nicht beschäftigt. Homosexualität und die einflussreiche Kirche in Polen vertragen sich schlecht. Aber die Weltpremiere auf der Berlinale und der Teddy-Award 2013 haben dem Film geholfen. Das bestätigt auch die Regisseurin Małgorzata Szumowska:
"Ja, es ist kontrovers. Die Weltpremiere in Berlin tat dem Film aber gut. Hätte seine Geschichte direkt in Polen begonnen, gäbe es überwiegend mehr kritische Stimmen. Ich finde es gut, dass er zuerst vom internationalen Publikum bewertet wurde, ohne den polnischen Kontext."
Kontroverse Themen und der unorthodoxe Umgang mit religiösen Symbolen werden mittlerweile von polnischen Künstlern gerne in Happenings gefeiert. Selbst das Polnische Filminstitut hat Szumowskas Film ohne jede Vorbehalte unabhängig gefördert. Immer mehr Polen seien bereit, sich mit solchen Themen auseinander zu setzen, betont die Regisseurin:
"Es ist doch ein demokratisches Land, in dem viel passiert, wo die Emotionen kochen und es verschiedene Haltungen gibt. Vieles ist schwarz-weiß. Es fehlt nur das 'Dazwischen'. Polen ist doch ein interessanter Lebens- und Arbeitsort. Den würde ich nie verlassen, weil er mich stark inspiriert. Und so stelle ich mich im Film hinter das Anderssein des Paters. Warum sollte er einen anderen Mann nicht lieben können?!"
Verteidigung des Rechts auf Liebe
Dabei urteilt Małgorzata Szumowska im Film nicht. Sie beobachtet still, kommentiert nur wenig und versucht die Handlungsmotive des Paters zu verstehen. Er onaniert abends in seiner Kirchenzelle und sehnt sich stark nach Nähe und nach Körperlichkeit, die ihm als Priester normalerweise nicht erlaubt werden. Szumowska verteidigt sein Recht so zu lieben, wie er will. Gerade weil Homosexualität ein umstrittenes Thema in Polen ist.
Für den Schauspieler Andrzej Chyra lebt sein Protagonist in einem Konflikt zwischen inneren Gefühlen und dem öffentlichen Lebensweg, den er wählt:
"Er versucht, den kirchlichen Anforderungen gerecht zu werden. Er ist sich seiner Homosexualität bewusst und weiß, dass es als Sünde gilt. Er arbeitet mit Dorfjugendlichen, will verantwortlich und vorbildlich sein. So muss er keusch bleiben. Und er ist einsam. Ich finde, es ist ein Film über die Einsamkeit. Pater Adam und sein jugendlicher Liebhaber sind unglaublich einsam."
Subtiles bildstarkes Kunstwerk
In Polen bewegt sich etwas. Die Kulturszene hat sich weitgehend von ihrer devoten Haltung befreit und die Medien hetzen nicht mehr gegen Homosexuelle auf. Nur einige Parlamentarier bleiben unveränderbar konservativ, meint Tomasz Kitliński, offen lebender Homosexueller und Gender-Publizist aus Lublin:
"Dass sich die Gesellschaft verändert hat, macht optimistisch. Das größte Problem ist die politische Klasse. Sie lebt immer noch mit starken Vorurteilen. Ich bekomme Angst, wenn ich sie reden höre. Die Gesellschaft ist viel weiter. Ich wurde weder verbal noch physisch angegriffen; weder im Büro noch auf der Straße."
Małgorzata Szumowska hat mir ihrem Film den Weg für eine Diskussion geöffnet, der vielen gesellschaftlich Ausgeschlossenen Hoffnung macht. Und sie hat mit "Im Namen von ... " ein subtiles bildstarkes Kunstwerk geschaffen.
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