Kontrollsystem

Die Macht einer schwarzen Manschette

Prototyp einer Manschette der TU Berlin
Prototyp einer Manschette der TU Berlin © picture alliance / dpa
Von Susanne Nessler · 19.02.2014
Eine Forschungsgruppe der Technischen Universität Berlin hat ein System entwickelt, das falsche Handgriffe vorab erkennt und rechtzeitig davor warnt. Die Technik dafür steckt in einer zehn Zentimeter breiten Manschette.
Das Ersatzteil, das heute an der Mikrofräsmaschine der Technischen Universität Berlin ausgewechselt werden soll, ist selten, sehr teuer und schwer. Ein falscher Handgriff und der gesamte Betrieb ist lahmgelegt. Doch Ulrike Schmuntzsch, Mitarbeiterin am Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft, muss sich keine Sorgen machen. Denn während sie an der Maschine hantiert, kontrolliert eine zehn Zentimeter breite schwarze Manschette an ihrem Handgelenk, ob sie alles richtig macht.
Ulrike Schmuntzsch: "Also tragen könnten das alle Formen von Wartungstechnikern, in ganz verschiedenen Bereichen. KFZ Mechaniker oder in der Landwirtschaft oder im Maschinenproduktionsbereich, da müssen ja viele Wartungen gemacht werden. Und diese Wartungen sind relativ komplex und schwer automatisierbar und immer noch sehr stark fehleranfällig."
Die Manschette, die Ulrike Schmuntzsch am rechten Arm trägt, ist ihre Erfindung. Sie hat das praktische Kontrollsystem gemeinsam mit ihrer wissenschaftlichen Assistentin entwickelt. Die beiden Psychologinnen forschen im Bereich der Mensch-Maschine-Kommunikation und suchen nach einfachen und sicheren Methoden, den Menschen bei schwierigen technischen Handlungsabläufen zu helfen.
So würde zum Beispiel jetzt, sollte beim Auswechseln an der Mikrofräßmaschine ein Fehler drohen, die Manschette mit verschiedenen Warnsignalen darauf hinweisen, erklärt Lea Feldhaus:
"Dann blinkt es grün, es gibt einen langsamen Ton und auch die Vibrationsstärke ist gering, also es wird in langsamen Intervallen Vibration abgegeben und die Anzeige ist grün hinterlegt, so dass man weiß, es ist nichts wahnsinnig Gefährliches jetzt, sondern es wird nur gefragt, ob das korrekte Werkzeug gegriffen wurde."
Manschette funktioniert besser als Handschuh
Läge ein gravierender Fehler vor, wäre der Ton lauter und intensiver, die Lämpchen an der Manschette würden rot blinken und die Vibration am Handgelenk wäre um einiges stärker. Noch arbeiten die beiden Forscherinnen an ihrem Prototyp, aktuell ist es der zweite.
Vor der Manschette haben sie schon einen Handschuh mit ähnlichen Funktionen getestet. Doch der Handschuh hat zu viele Nutzer gestört. Da kommt die Manschette besser an. Vielleicht, weil sie sich wie eine Uhr um das Handgelenk legen lässt.
Lea Feldhaus: "Wir haben auch in Interviews nochmal gefragt, wo Menschen sich so etwas vorstellen können. Und da hieß es, in unregelmäßigen Intervallen müssen Aufgaben durchgeführt werden. Aber auch zur Unterstützung von Lehrlingen, wenn sowieso Fehler gemacht werden, dass man da ein direktes Feedback geben kann."
Auch für das Heimwerken im Hobbykeller fanden einige die Manschette ganz praktisch, erinnert sich Lea Feldhaus.
Aktuell näht sie die kleinen Mikrokontroller an der Manschette noch per Hand an. Diese kleinen biegsamen Chips sind quasi das Herzstück der Warn-Manschette. Sie vergleichen die Bewegungen des Nutzers mit den für die Wartungsarbeit notwendigen Handgriffen. Stimmt der Winkel? Wie hoch ist die Kraftausübung? Welches Werkzeug wird gerade gehalten.
Prototyp funktioniert bereits ganz gut
Wo genau die größten Fehlerquellen liegen, hat eine Gruppe von Technikern vorab ermittelt und in einem Programm festgehalten. So definiert die Software bei der Bedienung der Fräßmaschine, an der Ulrike Schmuntzsch die Manschette testet, alle Stolpersteine. Solche Programme könnte man auch für jedes andere technische Gerät schreiben und der Manschette damit zahlreiche Einsatzmöglichkeiten geben, sagt die Wissenschaftlerin. Wichtig sei dabei nur,
"dass man gewisse Freiheitsgrade zulässt. In unserem Beispiel ist da so eine Sequenz, dass man Druckluft und Sperrluft abstellen muss, und da ist eigentlich egal, ob nun Sperrluft zuerst oder Druckluft zuerst. Und da wäre es wirklich fatal, wenn man eine Reihenfolge vorgibt. Das würde einmal zur Ablehnung des Systems, aber auch dazu führen, dass die Fähigkeiten des Operateurs immer weiter verloren gehen. Weil der Mensch zeichnet sich ja gerade durch Flexibilität aus. Und das ist ganz wichtig, die ihm die auch weiter zu ermöglichen."
Bis alles perfekt ist, werden die beiden Forscherinnen noch ein wenig weiter ausprobieren und testen. Doch das Ziel eine dezente, nicht störende, sicher warnende und doch gleichzeitig individuelle Vorlieben berücksichtigende Manschette zu Fehlervermeidung zu entwickeln, ist erreicht. Der aktuelle Prototyp funktioniert bereits ganz gut. Am besten übrigens, wenn nur die Vibration als Warnung benutzt wird. Denn: Über den direkten taktilen Sinn erreicht die Manschette die größte Aufmerksamkeit und bleibt gleichzeitig diskret.
Lea Feldhaus: "Da ist auch immer wieder die Vibration angesprochen worden, dass das eine gewünschte Wahrnehmung ist. Ich kann das gut verstehen, dass, wenn ich gewarnt werde, der Nachbar nicht mitbekommt, dass ich schon wieder gewarnt werde. Da bleibt dann auch eine Privatheit, die ich bei meinen Warnungen erfahre."
Das Argument leuchtet ein. Man stelle sich nur einen Wartungsmechaniker im Einsatz vor, an dessen Arm ständig rote Lämpchen blinken und piepsen. Wer könnte da im Ernstfall noch eine ruhige Hand behalten.
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