Kontrollierte Katastrophen
Der Maler Dirk Skreber gehört zu den derzeit am Markt erfolgreichen Vertretern des "New Painting", auch und vor allem in den USA. Die Kunsthalle in Baden-Baden zeigt jetzt eine Auswahl seiner Arbeiten aus den vergangenen acht Jahren. <papaya:link href="http://www.kunsthalle-baden-baden.de/02ausstell/02aus1_0.html" text=""Blutgeschwindigkeit"" title="Blutgeschwindigkeit" target="_blank" /> heißt die Schau - und entsprechend gewalttätig geht es zu.
Es hat gekracht. Autoräder fliegen wie Geschosse durch die Luft, wuchtige Reifenprofile prallen auf blankpoliertes Metall, allenthalben Splitter, Fetzen, Trümmerstücke; der Boden ist getränkt mit Pfützen aus Blut. Gegenüber hängt eine verheerte Landschaft von apokalyptischer Ödnis, im Hintergrund wehen rötliche Rauchfahnen in den Himmel. Und in den Räumen nebenan geht die Katastrophe gleich noch mal in Serie: Zerbeulte Autowracks wickeln sich um Laternenmasten, ausgebrannte Wohnwagen ragen als gespenstische Gestelle in die Luft, ein Tornado hat ein ganzes Hochhaus umgeknickt.
Es sind starke Bilder, die Dirk Skreber gemalt hat, und wer nicht abgebrüht ist durch Computerspiele oder Katastrophenfilme, mag die Schau wie einen Schlag in die Magengrube empfinden. Doch Skreber geht es nicht um möglichst monströse Malerei, seine Bilder erzählen keine Geschichten, sie sind Metaphern. Die Ursache der Desaster bleibt stets ungeklärt und unsichtbar; es ist, als entlade eine höhere Macht ihre zerstörerische Energie; weit und breit ist kein Mensch zu sehen; was bleibt, ist bleierne Stille, dunkle Ahnung, lähmende Beklemmung. Ein Schock.
Es ist der Kunstgriff des Malers, den Betrachter in die Bilder hineinzuziehen und ihn zum Akteur zu machen, glaubt der Kurator Fritz Emslander.
"Letztlich agiert Dirk Skreber wie ein visueller Bombenleger. Er schneidet diese Themen an, er formuliert sie nicht aus, aber er weckt unser Interesse daran, und vielleicht auch unsere Gewissensbisse, die diese Themen begleiten. Und letztendlich gibt er uns den Zünder in die Hand."
Nur der Maler hat seine Katastrophen unter Kontrolle, der Betrachter erlebt die Szenarien, deren Geschichten er sich selbst zusammenreimen muss, mit einer Mischung aus Sensations- und Schaulust und womöglich auch mit einem Schuldgefühl.
Die Vorlagen zu seinen Bildern – Terroranschläge und Tornados, fatale Unfälle und Explosionen, Überflutungen und Flugzeugcrashs – findet Skreber im Internet oder in anderen Medien, manchmal auch direkt in der Umgebung seines New Yorker Ateliers.
"Ich weiß nur, dass diese Reifen, die jetzt überall auftauchen, nicht aufgetaucht wären, wenn ich nicht das Atelier in Brooklyn da hätte, wo ich jetzt habe. Denn da bin ich umgeben von Tausenden von Autos, die entweder parken, rollen oder abgeholt werden oder weggeschmissen werden, es ist ein unvorstellbarer Blech- und Reifensalat um dieses Zentrum meines Ateliers, und daher rührt das irgendwie."
Es ist eine Malerei, die einen aggressiv anfällt und sich gleichzeitig brutal verweigert. Dass man sich ihr nicht entziehen kann, liegt auch an den riesigen Formaten, die, wenn man direkt davor steht, größer sind als der Gesichtswinkel. Solche Flächen wollen malerisch bewältigt sein. Doch Skreber macht das nicht alleine.
"Im Gegensatz zu vielen anderen, die zwanzig, dreißig Leute beschäftigen, beschäftige ich nur einen Maler, der einfach vormalt oder bis zu einem gewissen Punkt ausführt. Und dann guck ich mir das nochmals an und male das zu Ende."
"Blutgeschwindigkeit" nennt Skreber seine Schau, und das versteht er so:
"Blutgeschwindigkeit ist am besten zu verstehen, wenn man sich vorstellt, dass man in einem Auto sitzt, Höchstgeschwindigkeit fährt, und alles, was danach kommt, ist Blutgeschwindigkeit."
Testen kann man das in einer aufwendigen Installation, die sich durch drei Räume der Kunsthalle zieht: Ein System von roten, mit Wasser gefüllten Kanälen und Becken, flankiert von teils über zwei Meter hohen Architekturmodellen. Sprungtürme, stadienähnliche Konstruktionen oder Gerüste, die an Abschussrampen erinnern. Man soll sie im Geist erklettern und seine Vorstellung in Gang setzen, empfiehlt der Kurator:
"Also man geht auf einen dieser hohen Türme rauf und steht dann also oben in, wenn man das maßstabsgerecht rechnen würde, vielleicht 80 Metern Höhe und hat unter sich ein kleines Schwimmbecken, und steht da oben. Und wenn man nun hochgegangen ist, sollte man auch springen, wenn man nicht den Mut hat, wieder umzukehren und den Versuch als gescheitert darzustellen. Und dieser Sprung, das ist eigentlich die Idee dabei."
Ob man aus dieser Höhe ins Wasser springt oder auf den nackten Beton, das macht keinen Unterschied. Blutgeschwindigkeit eben. Sturz in den Nervenkitzel, Risiko und Wagemut, die Lust am Untergang – auch Selbstmord gehört zum makabren Spektrum der Möglichkeiten.
In seiner Serie der "Superheroes" bietet Skreber eine ganze Riege fragwürdiger Helden auf, ein indirektes Porträt der amerikanischen Gesellschaft. Das Personal besteht aus Comicfiguren, Filmstars oder Cowboys, aber auch der so genannte UNA-Bomber Ted Kaczynski ist mit von der Partie und erinnert daran, dass man kein Islamist sein muss, um Terror zu verbreiten.
Der Künstler jedenfalls erweist sich dabei technisch als äußerst wendig. Die Bildflächen hat er lamellenartig mit schmalen Schaumstoffstreifen beklebt, aus denen er die Motive mit den Fingerspitzen regelrecht herauszupft – eine ästhetisch raffinierte Methode, die nur den Nachteil hat, dass sich der Schaumstoff relativ rasch zersetzt. Seine Sammler scheint das nicht zu stören, und den Künstler selbst schon gar nicht:
"Die Vergänglichkeit von so einem Werk, die ist mir eigentlich eher angenehm, weil die viel tiefer damit zu tun hat, was wir eigentlich alle machen auf der Erde, nämlich völlig vergängliche Dinge, die nach wenigen Jahrzehnten keine Rolle mehr spielen. Und dann finde ich das sehr willkommen, solche Aspekte."
Da hat er ja recht. Nichts ist von Dauer, nichts ist garantiert, ganz gleich, ob die Katastrophen und Gefahren im Globalen oder im Privaten lauern.
Wegen einer Liebesgeschichte ist Dirk Skreber vor drei Jahren in New York hängen geblieben. Jetzt ist die Liebe aus, außerdem ist der Vertrag für sein Atelier abgelaufen; demnächst kehrt er wieder zurück nach Deutschland, obwohl er die meisten seiner Sammler in den USA hat.
Bange ist ihm vor der Rückkehr nicht. "Wenn du es in Düsseldorf geschafft hast, schaffst du es auch in New York", hat Skreber mal gesagt. Andersrum gilt das erst recht.
Es sind starke Bilder, die Dirk Skreber gemalt hat, und wer nicht abgebrüht ist durch Computerspiele oder Katastrophenfilme, mag die Schau wie einen Schlag in die Magengrube empfinden. Doch Skreber geht es nicht um möglichst monströse Malerei, seine Bilder erzählen keine Geschichten, sie sind Metaphern. Die Ursache der Desaster bleibt stets ungeklärt und unsichtbar; es ist, als entlade eine höhere Macht ihre zerstörerische Energie; weit und breit ist kein Mensch zu sehen; was bleibt, ist bleierne Stille, dunkle Ahnung, lähmende Beklemmung. Ein Schock.
Es ist der Kunstgriff des Malers, den Betrachter in die Bilder hineinzuziehen und ihn zum Akteur zu machen, glaubt der Kurator Fritz Emslander.
"Letztlich agiert Dirk Skreber wie ein visueller Bombenleger. Er schneidet diese Themen an, er formuliert sie nicht aus, aber er weckt unser Interesse daran, und vielleicht auch unsere Gewissensbisse, die diese Themen begleiten. Und letztendlich gibt er uns den Zünder in die Hand."
Nur der Maler hat seine Katastrophen unter Kontrolle, der Betrachter erlebt die Szenarien, deren Geschichten er sich selbst zusammenreimen muss, mit einer Mischung aus Sensations- und Schaulust und womöglich auch mit einem Schuldgefühl.
Die Vorlagen zu seinen Bildern – Terroranschläge und Tornados, fatale Unfälle und Explosionen, Überflutungen und Flugzeugcrashs – findet Skreber im Internet oder in anderen Medien, manchmal auch direkt in der Umgebung seines New Yorker Ateliers.
"Ich weiß nur, dass diese Reifen, die jetzt überall auftauchen, nicht aufgetaucht wären, wenn ich nicht das Atelier in Brooklyn da hätte, wo ich jetzt habe. Denn da bin ich umgeben von Tausenden von Autos, die entweder parken, rollen oder abgeholt werden oder weggeschmissen werden, es ist ein unvorstellbarer Blech- und Reifensalat um dieses Zentrum meines Ateliers, und daher rührt das irgendwie."
Es ist eine Malerei, die einen aggressiv anfällt und sich gleichzeitig brutal verweigert. Dass man sich ihr nicht entziehen kann, liegt auch an den riesigen Formaten, die, wenn man direkt davor steht, größer sind als der Gesichtswinkel. Solche Flächen wollen malerisch bewältigt sein. Doch Skreber macht das nicht alleine.
"Im Gegensatz zu vielen anderen, die zwanzig, dreißig Leute beschäftigen, beschäftige ich nur einen Maler, der einfach vormalt oder bis zu einem gewissen Punkt ausführt. Und dann guck ich mir das nochmals an und male das zu Ende."
"Blutgeschwindigkeit" nennt Skreber seine Schau, und das versteht er so:
"Blutgeschwindigkeit ist am besten zu verstehen, wenn man sich vorstellt, dass man in einem Auto sitzt, Höchstgeschwindigkeit fährt, und alles, was danach kommt, ist Blutgeschwindigkeit."
Testen kann man das in einer aufwendigen Installation, die sich durch drei Räume der Kunsthalle zieht: Ein System von roten, mit Wasser gefüllten Kanälen und Becken, flankiert von teils über zwei Meter hohen Architekturmodellen. Sprungtürme, stadienähnliche Konstruktionen oder Gerüste, die an Abschussrampen erinnern. Man soll sie im Geist erklettern und seine Vorstellung in Gang setzen, empfiehlt der Kurator:
"Also man geht auf einen dieser hohen Türme rauf und steht dann also oben in, wenn man das maßstabsgerecht rechnen würde, vielleicht 80 Metern Höhe und hat unter sich ein kleines Schwimmbecken, und steht da oben. Und wenn man nun hochgegangen ist, sollte man auch springen, wenn man nicht den Mut hat, wieder umzukehren und den Versuch als gescheitert darzustellen. Und dieser Sprung, das ist eigentlich die Idee dabei."
Ob man aus dieser Höhe ins Wasser springt oder auf den nackten Beton, das macht keinen Unterschied. Blutgeschwindigkeit eben. Sturz in den Nervenkitzel, Risiko und Wagemut, die Lust am Untergang – auch Selbstmord gehört zum makabren Spektrum der Möglichkeiten.
In seiner Serie der "Superheroes" bietet Skreber eine ganze Riege fragwürdiger Helden auf, ein indirektes Porträt der amerikanischen Gesellschaft. Das Personal besteht aus Comicfiguren, Filmstars oder Cowboys, aber auch der so genannte UNA-Bomber Ted Kaczynski ist mit von der Partie und erinnert daran, dass man kein Islamist sein muss, um Terror zu verbreiten.
Der Künstler jedenfalls erweist sich dabei technisch als äußerst wendig. Die Bildflächen hat er lamellenartig mit schmalen Schaumstoffstreifen beklebt, aus denen er die Motive mit den Fingerspitzen regelrecht herauszupft – eine ästhetisch raffinierte Methode, die nur den Nachteil hat, dass sich der Schaumstoff relativ rasch zersetzt. Seine Sammler scheint das nicht zu stören, und den Künstler selbst schon gar nicht:
"Die Vergänglichkeit von so einem Werk, die ist mir eigentlich eher angenehm, weil die viel tiefer damit zu tun hat, was wir eigentlich alle machen auf der Erde, nämlich völlig vergängliche Dinge, die nach wenigen Jahrzehnten keine Rolle mehr spielen. Und dann finde ich das sehr willkommen, solche Aspekte."
Da hat er ja recht. Nichts ist von Dauer, nichts ist garantiert, ganz gleich, ob die Katastrophen und Gefahren im Globalen oder im Privaten lauern.
Wegen einer Liebesgeschichte ist Dirk Skreber vor drei Jahren in New York hängen geblieben. Jetzt ist die Liebe aus, außerdem ist der Vertrag für sein Atelier abgelaufen; demnächst kehrt er wieder zurück nach Deutschland, obwohl er die meisten seiner Sammler in den USA hat.
Bange ist ihm vor der Rückkehr nicht. "Wenn du es in Düsseldorf geschafft hast, schaffst du es auch in New York", hat Skreber mal gesagt. Andersrum gilt das erst recht.