Kontrolle der EU-Außengrenzen

"Tusks Forderung hat etwas Unrealistisches"

EU-Ratspräsident Donald Tusk
EU-Ratspräsident Tusk will den Schutz der europäischen Außengrenzen verschärfen. Er spricht damit nicht für alle EU-Länder, sagt der EU-Experte Josef Janning. © dpa / picture alliance / Olivier Hoslet
Josef Janning im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schaefer · 03.12.2015
Der frühere polnische Ministerpräsident Donald Tusk ist seit einem Jahr EU-Ratspräsident. Seine Meinung in der Flüchtlingskrise ist klar: Die EU soll ihre Außengrenzen scharf kontrollieren. Für den EU-Experten Josef Janning ist diese Position unhaltbar.
Spricht Europa noch mit einer Stimme? Oder gehen die Posiitonen immer weiter auseinander? Der frühere polnische Ministerpräsident Donald Tusk ist seit einem Jahr EU-Ratspräsident. Er sagt sehr deutlich: Die EU soll ihre Außengrenzen kontrollieren. Die Verfahren zur Überprüfung der Flüchtlinge sollen verschärft werden - was dazu führen würde, dass das Asylprüfungsverfahren sich noch länger hinzöge als bislang.
Der Politikwissenschaftler und Europa-Experte Josef Janning vom Think Tank Council of Foreign Relations urteilt:
"Tusks Forderung eines wirksamen Schutzes der Außengrenze hat etwas Unrealistisches, denn Europa wird nicht auf Flüchtlinge schießen. Europa wird keine Zäune und Wälle bauen wollen - was an den Seegrenzen ohnehin nicht möglich ist. Sondern es kann nur Ankunfts-, oder Erfassungs- und Asylzentren errichten, in denen die Begehren der Zuwandernden geprüft, berücksichtigt, entschieden werden. Und dann geht es entsprechend weiter - in die EU oder zurück."

Tusk ist Europäer - aber auch Ex-Regierungschef

Tatsächlich sei es das, was Länder wie Deutschland und Italien wollen: Eine deutliche Beschleunigung des Asylverfahrens. "Darauf wird es auch hinauslaufen."
Im Prinzip sei Donald Tusk überzeugter Europäer - weshalb die Zusammenarbeit zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihm bislang gut funktioniert habe. Doch in diesem Fall blicke der Pole nicht nur als EU-Ratspräsident, sondern auch als Ex-Regierungschef auf den Konflikt. Tusk tue sich deshalb "mit dem supranationalen Element der Integration persönlich noch etwas schwer".
Aus den Hauptstädten vieler anderer EU-Mitgliedsstaaten erhalte er die Rückkoppelung, "dass in vielen Regierungen, besonders auch in denen, wo Europaskeptiker mitregieren, dass die diese Gemeinschaftsmethode, dieses Supranationale, ebenfalls sehr skeptisch sehen. Und das wiederum bestärkt ihn in seiner Haltung." Hinzukomme, dass sich viele EU-Mitgliedstaaten nicht an Mehrheitsbeschlüsse zur Behandlung der Flüchtlinge gebunden fühlten und diese Beschlüsse auch nicht umsetzen.
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