Konsum als Kuriositätenkabinett
Es gibt nicht viele junge deutsche Künstler, die wirklich international bekannt sind. Eine davon ist Josephine Meckseper. Sie lebt und arbeitet zwar seit Jahren in New York, aber aufgewachsen ist sie in der Nähe von Bremen, genauer gesagt in der Künstlerkolonie Worpswede. Nun zeigt die Gesellschaft für Aktuelle Kunst in Bremen ihre Werke.
Einlullende Kaufhaus-Psycho-Musik:
"Verehrte Kunden – Auf unserem Schnäppchenmarkt bieten wir Ihnen heute – zusätzlich erhalten Sie …"
Meckseper: "Für mich sind diese Warenhäuser eine Art von Überwältigungsstrategie. Dass man den ganzen Tag damit verbringt, Entscheidungen zu treffen zwischen verschiedenen Produkten und durch diesen Überfluss von Entscheidungen, die man treffen muss, überhaupt keine Zeit mehr hat, sich um irgendwelche anderen politischen Interessen zu kümmern. Und nur noch in dieser Konsumwelt steckt."
Kaufhausdurchsage: "Achtung, Frau Elisabeth Zinetsch, bitte kommen Sie zu unserem Kundendienst im Parterre! Frau Elisabethz Zinetsch, bitte!"
Meckseper: "Und dann wie Kinder im Märchenwald sich Erwachsene in diesen Warenhäusern bewegen. Das ist so ein Zusammenspiel von perfekter Inszenierung und von Konsumenten, die sich da wirklich gern auf dieses Spiel einlassen."
Das tut auch Josephine Meckseper. Ihre Ausstellungen sind der ultimative Ausverkauf: Die Streichholzschachtel mit RAF-Logo - auf dem Silbertablett. Palästinensertuch, wahlweise Deutschlandfahne, modisch drapiert, mit Glitterkante. Hammer und Sichel in verchromter Luxus-Edition. An den Wänden Fotos, auf denen Mädchen lasziv in Omis Stützstrümpfen posieren. Fünfzigerjahre Wäsche aus dem Mail-Order-Katalog.
Meckseper: "So ähnlich wie den Quelle-Katalog gibt es in Amerika einen anderen Katalog, der heißt ‚National Wholesale-Liquidator’. Und das ist so ein ganz billiger Ramschkatalog, wo Unterwäsche verkauft wird. Und das sollte halt auch so’n schäbigen Charakter haben - einen überwältigen in dieser Art von Hässlichkeit und Anti-Ästhetik."
Josephine Meckseper ist eine zierliche Person. Sie trägt ihre langen dunklen Haare streng hochgesteckt. Außerdem schwarz vom Rollkragenpulli bis zu den Stiefeln. Grüne Augen fixieren ihr Gegenüber sehr eindringlich, lächeln selten. Wer sie für eine Zynikerin hält, liegt komplett falsch – sie erwartet mehr von ihren Betrachtern als abgeklärtes Einverständnis.
Meckseper: "Dass sie Schaufenster anders angucken, nachdem sie meine Arbeit gesehen haben. Und dass sie das mehr hinterfragen, wie diese Schaufenster aufgebaut sind."
Einstiegs-Lektionen: Wie wird aus dem Demo-Plakat Schaufenster-Deko? Und was macht die Regenbogen-Friedens-Fahne auf dem Laufsteg von Dolce & Gabbana? Auf ihre Arbeiten aufmerksam geworden ist vor einigen Jahren ausgerechnet der britische Kunst-Großinvestor Charles Saatchi - und hat groß eingekauft. Seitdem braucht sie eine Strategie, wie sie selbst dem Markt entkommt.
Meckseper: "Dass ich also praktisch, wenn ich eine Arbeit konzipiere, das schon voraussehe, dass die Arbeit in irgendeiner Form auftauchen kann - ob das nun ein Auktionshaus oder eine Kunstmesse ist - und ich will, dass die Arbeit dann in sich selbst schon so eine Art von kritischem Mechanismus eingebaut hat, dass eine Art von Widerstand schon da ist, der dem Betrachter entgegenkommt."
Was man sich durchaus vorstellen kann: Falls eine ihrer voll verspiegelten Schaufenstervitrinen zum Beispiel mal für ein Bietgefecht bei Sotheby´s oder Christie´s sorgen sollte. Aufgerufen unter ihrem Titel "Selling Out".
Anregungen für ihre Konsum-Freakshow findet Josephine Meckseper auf Beutezügen durch die Lower East Side, wo sie seit Jahren ihr Atelier hat.
Meckseper: "In New York ergibt sich das von alleine, weil es da natürlich am meisten Schaufenster gibt , die sich auch ständig ändern. Das ist anders als hier, wo manchmal jahrzehntelang die Schaufenster gleich bleiben – in New York eigentlich jede Woche jedes Schaufenster völlig neu ist. Dadurch hab ich halt Unmengen Material und Inspiration."
Ihren großartigsten Fund der letzten Zeit? Wieder mal kein schillernder Luxus-Flagstore, sondern ein kleiner Ramsch-Laden ...
Meckseper: "… wo Unterwäsche für Spezialgrößen verkauft wird. Wo die Unterhosen einen Meter breit waren und einen Meter hoch. Alles in so grau-braun-Farben. Also es war - ziemlich genial!"
Schönheit ist für Josephine Meckseper ein Begriff, der mit Kunst absolut nichts zu tun hat. Das war schon in den Siebzigern so, als sie in der Künstlerkolonie Worpswede aufgewachsen ist. Ihr Vater: Der Grafiker Friedrich Meckseper. Die Mutter Fotografin. Mit der Kunst von beiden konnte sie nicht viel anfangen - zu kunsthandwerklich, sagt sie. Aber der Start ins eigene Künstlerleben war es doch:
Meckseper: "Sprich, dass ich praktisch aufgewachsen bin umgeben von Kunst. Und dass ich davon ausgegangen bin, dass Kunst eine Art von Lebenszentrum ist, eine Art von Gewichtigkeit hat, die es vielleicht anderswo gar nicht gegeben hätte."
Sie studiert Kunst, erst in Italien, dann in Berlin - wo sie die Schule ziemlich altmodisch findet: Nur männliche Professoren, Aktzeichnen auf dem Stundenplan, Diskussion unerwünscht. Sie geht nach Amerika. Und findet ihr Thema:
Meckseper: "Dieser absolute Über-Konsum. Also in Kalifornien gibt es ja diese Mega-Malls, das sind so Riesen-Shopping-Center - die sich über Kilometer hinweg strecken - das war für mich nun was ganz Neues und darauf haben sich die Arbeiten dann schon auch bezogen."
Der Erfolg hat Josephine Meckseper in New York nach jahrelanger Arbeit an diesem Thema erreicht. Reich ist sie immer noch nicht, aber sichtbar – auch, wenn sie sich nicht gern in Szene setzt. Denn die Künstlerin, die mit Vorliebe Requisiten der Mode-Branche nutzt – ist privat die größte Modeignorantin
Meckseper: "Also das heißt, dass ich eigentlich im Winter - mitten im Januar - feststelle, dass ich einen Wintermantel brauch – und dann versuch ich auf den letzten Drücker einen Mantel zu finden und dann wird mir immer gesagt: Ja, die sind alle ausverkauft – und dann kauf ich irgendeinen hässlichen Mantel von der vorletzten Saison!"
"Verehrte Kunden – Auf unserem Schnäppchenmarkt bieten wir Ihnen heute – zusätzlich erhalten Sie …"
Meckseper: "Für mich sind diese Warenhäuser eine Art von Überwältigungsstrategie. Dass man den ganzen Tag damit verbringt, Entscheidungen zu treffen zwischen verschiedenen Produkten und durch diesen Überfluss von Entscheidungen, die man treffen muss, überhaupt keine Zeit mehr hat, sich um irgendwelche anderen politischen Interessen zu kümmern. Und nur noch in dieser Konsumwelt steckt."
Kaufhausdurchsage: "Achtung, Frau Elisabeth Zinetsch, bitte kommen Sie zu unserem Kundendienst im Parterre! Frau Elisabethz Zinetsch, bitte!"
Meckseper: "Und dann wie Kinder im Märchenwald sich Erwachsene in diesen Warenhäusern bewegen. Das ist so ein Zusammenspiel von perfekter Inszenierung und von Konsumenten, die sich da wirklich gern auf dieses Spiel einlassen."
Das tut auch Josephine Meckseper. Ihre Ausstellungen sind der ultimative Ausverkauf: Die Streichholzschachtel mit RAF-Logo - auf dem Silbertablett. Palästinensertuch, wahlweise Deutschlandfahne, modisch drapiert, mit Glitterkante. Hammer und Sichel in verchromter Luxus-Edition. An den Wänden Fotos, auf denen Mädchen lasziv in Omis Stützstrümpfen posieren. Fünfzigerjahre Wäsche aus dem Mail-Order-Katalog.
Meckseper: "So ähnlich wie den Quelle-Katalog gibt es in Amerika einen anderen Katalog, der heißt ‚National Wholesale-Liquidator’. Und das ist so ein ganz billiger Ramschkatalog, wo Unterwäsche verkauft wird. Und das sollte halt auch so’n schäbigen Charakter haben - einen überwältigen in dieser Art von Hässlichkeit und Anti-Ästhetik."
Josephine Meckseper ist eine zierliche Person. Sie trägt ihre langen dunklen Haare streng hochgesteckt. Außerdem schwarz vom Rollkragenpulli bis zu den Stiefeln. Grüne Augen fixieren ihr Gegenüber sehr eindringlich, lächeln selten. Wer sie für eine Zynikerin hält, liegt komplett falsch – sie erwartet mehr von ihren Betrachtern als abgeklärtes Einverständnis.
Meckseper: "Dass sie Schaufenster anders angucken, nachdem sie meine Arbeit gesehen haben. Und dass sie das mehr hinterfragen, wie diese Schaufenster aufgebaut sind."
Einstiegs-Lektionen: Wie wird aus dem Demo-Plakat Schaufenster-Deko? Und was macht die Regenbogen-Friedens-Fahne auf dem Laufsteg von Dolce & Gabbana? Auf ihre Arbeiten aufmerksam geworden ist vor einigen Jahren ausgerechnet der britische Kunst-Großinvestor Charles Saatchi - und hat groß eingekauft. Seitdem braucht sie eine Strategie, wie sie selbst dem Markt entkommt.
Meckseper: "Dass ich also praktisch, wenn ich eine Arbeit konzipiere, das schon voraussehe, dass die Arbeit in irgendeiner Form auftauchen kann - ob das nun ein Auktionshaus oder eine Kunstmesse ist - und ich will, dass die Arbeit dann in sich selbst schon so eine Art von kritischem Mechanismus eingebaut hat, dass eine Art von Widerstand schon da ist, der dem Betrachter entgegenkommt."
Was man sich durchaus vorstellen kann: Falls eine ihrer voll verspiegelten Schaufenstervitrinen zum Beispiel mal für ein Bietgefecht bei Sotheby´s oder Christie´s sorgen sollte. Aufgerufen unter ihrem Titel "Selling Out".
Anregungen für ihre Konsum-Freakshow findet Josephine Meckseper auf Beutezügen durch die Lower East Side, wo sie seit Jahren ihr Atelier hat.
Meckseper: "In New York ergibt sich das von alleine, weil es da natürlich am meisten Schaufenster gibt , die sich auch ständig ändern. Das ist anders als hier, wo manchmal jahrzehntelang die Schaufenster gleich bleiben – in New York eigentlich jede Woche jedes Schaufenster völlig neu ist. Dadurch hab ich halt Unmengen Material und Inspiration."
Ihren großartigsten Fund der letzten Zeit? Wieder mal kein schillernder Luxus-Flagstore, sondern ein kleiner Ramsch-Laden ...
Meckseper: "… wo Unterwäsche für Spezialgrößen verkauft wird. Wo die Unterhosen einen Meter breit waren und einen Meter hoch. Alles in so grau-braun-Farben. Also es war - ziemlich genial!"
Schönheit ist für Josephine Meckseper ein Begriff, der mit Kunst absolut nichts zu tun hat. Das war schon in den Siebzigern so, als sie in der Künstlerkolonie Worpswede aufgewachsen ist. Ihr Vater: Der Grafiker Friedrich Meckseper. Die Mutter Fotografin. Mit der Kunst von beiden konnte sie nicht viel anfangen - zu kunsthandwerklich, sagt sie. Aber der Start ins eigene Künstlerleben war es doch:
Meckseper: "Sprich, dass ich praktisch aufgewachsen bin umgeben von Kunst. Und dass ich davon ausgegangen bin, dass Kunst eine Art von Lebenszentrum ist, eine Art von Gewichtigkeit hat, die es vielleicht anderswo gar nicht gegeben hätte."
Sie studiert Kunst, erst in Italien, dann in Berlin - wo sie die Schule ziemlich altmodisch findet: Nur männliche Professoren, Aktzeichnen auf dem Stundenplan, Diskussion unerwünscht. Sie geht nach Amerika. Und findet ihr Thema:
Meckseper: "Dieser absolute Über-Konsum. Also in Kalifornien gibt es ja diese Mega-Malls, das sind so Riesen-Shopping-Center - die sich über Kilometer hinweg strecken - das war für mich nun was ganz Neues und darauf haben sich die Arbeiten dann schon auch bezogen."
Der Erfolg hat Josephine Meckseper in New York nach jahrelanger Arbeit an diesem Thema erreicht. Reich ist sie immer noch nicht, aber sichtbar – auch, wenn sie sich nicht gern in Szene setzt. Denn die Künstlerin, die mit Vorliebe Requisiten der Mode-Branche nutzt – ist privat die größte Modeignorantin
Meckseper: "Also das heißt, dass ich eigentlich im Winter - mitten im Januar - feststelle, dass ich einen Wintermantel brauch – und dann versuch ich auf den letzten Drücker einen Mantel zu finden und dann wird mir immer gesagt: Ja, die sind alle ausverkauft – und dann kauf ich irgendeinen hässlichen Mantel von der vorletzten Saison!"