Konservativer Erneuerer des Journalismus

Von Klaus Pokatzky · 18.08.2013
Der Publizist Claus Jacobi hat die deutsche Zeitungslandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend mitgeprägt - als Chefredakteur von "Spiegel" und "Welt" und Herausgeber der "Bild". Nun ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.
Bild Online hat es in vier Worte verpackt: "Ein Jahrhundert-Journalist ist tot." Wahr ist: In Claus Jacobi hat sich mehr als ein halbes Jahrhundert des deutschen Nachkriegsjournalismus geballt wie in kaum einem noch Lebenden. Wolf Schneider fiele mir noch ein. Diese Männer, die in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts geboren, als halbe Kinder in den Krieg geschickt wurden - und dann, desillusioniert vom Nationalsozialismus, im Journalismus alles ausgenutzt haben, was die westlichen Alliierten mit ihrer Philosophie einer freien Presse und ihrer Re-Education den Deutschen an Chancen geboten haben. Und wohl keiner könnte sich auf seinen Grabstein meißeln lassen, dass er in wichtigster Funktion bei derart unterschiedlichen Medien am Steuerrad saß. Doch für solche Grabstein-Egomanie soll der Hanseat Claus Jacobi viel zu bescheiden gewesen sein - wenn wir den unterkühlten hanseatischen Stolz als Bescheidenheit bezeichnen wollen.

Er schrieb ab 1948 für die "Zeit", die damals unter vielen Wochenzeitungen nur eine kleine war und die der Verleger Gerd Bucerius in den 50er-Jahren radikal von alten Nazis säuberte und der Gräfin Dönhoff in nobel demokratische Hände gab. Beim "Spiegel" saßen damals alte SS-Leute in der Redaktion, was das Hamburger Magazin erst Jahrzehnte später und nur sehr zögerlich aufzuarbeiten begann. Das aber war die deutsche Zeitungslandschaft, in der sich die jungen Nazi-unbelasteten Journalisten wie Claus Jacobi fanden. Alte Nazis und intellektuelle Wegbereiter Hitlers fanden damals hochdotierte Posten vor allem auch im Hause Springer und saßen da an den Schaltstellen der publizistischen Macht neben einst aus Deutschland vertriebenen Juden.

Jacobi erlebte die "Spiegel"-Affäre als einer der Chefredakteure
"Der Spiegel", zu dem Claus Jacobi 1952 ging, war da - bei aller späteren Selbstüberhöhung - ein mittelgroßes freches Hamburger Magazin ohne eine eindeutige politische und publizistische Haltung außer einem Anti: Anti-Adenauer, Anti-Strauß bei teilweise billigster Polemik, die es mit der "Bild" gut aufnehmen konnte. Die "Spiegel-Affäre" 1962 erlebte Claus Jacobi als einer der Chefredakteure samt Haft und Hausdurchsuchung. Er galt als gemäßigt konservativ und als der Zeitgeist der Studentenbewegung in das nach der "Spiegel-Affäre" höchst florierende Blatt schwappte, fand er ab 1970 für Jahrzehnte seine Heimat im Hause Springer: Als Chefredakteur der "Welt am Sonntag", der "Welt", als Herausgeber der "Bild". Und als einer der engsten Vertrauten am Hofstaat des Verlegers.

Das war bis zum Tod Axel Springers 1985 die Zeit, in der die Blätter des Konzerns auf einen Kampfkurs gegen die sozialliberale Koalition in Bonn und ihre Entspannungspolitik getrimmt waren und alles machten: nur keinen seriösen Journalismus. Die Witwe Friede - und immer war Claus Jacobi ganz oben dabei - hat nach 1985 in ewigen Kämpfen die Macht im Hause Springer erobert und sie hat etwa aus dem alten Kampfblatt "Die Welt" wieder eine seriöse Tageszeitung gemacht. Und zugleich hat sich in diesen Jahrzehnten eine Ent-Ideologisierung der deutschen Medien vollzogen.

Die Zeiten der klaren links-rechts, linksliberal-konservativen Einordnung unserer Zeitungen und Magazine lösten sich zunehmend auf. Die alten Frontstellungen gerieten ins Wanken. Es war nicht mehr ehrenrührig und publizistische Fahnenflucht, wenn ein Journalist von der "Frankfurter Allgemeinen" zur "Süddeutschen" ging und umgekehrt - oder von der "TAZ" zu Springer. Unsere Medien spiegelten einfach die parteipolitische Umwälzung wieder: die Sehnsucht der Deutschen nach einer Konsensdemokratie.

Die Welt hat sich gewandelt - Jacobi nicht
Und am Ende, in den letzten Lebensmonaten von Claus Jacobi, dem Mann der gedruckten Zeitung, hat der Springer Verlag das "Hamburger Abendblatt" und "HÖRZU", zwei Keimzellen des Unternehmens, ausgerechnet an den WAZ-Konzern verkauft, wo der Journalismus immer mehr weggespart wird. Genau in dieser Zäsur des deutschen Journalismus, wo das Haus Springer seine Zukunft im Internet sucht, ist Claus Jacobi gestorben, der fast bis zum Tode noch seine Kolumnen für "Bild" geschrieben hat - mit gelegentlichen Ausfällen, als schriebe er für ein ausländerfeindliches, schwulenhasserisches Publikum der 70er-Jahre. Die Zeit war da über ihn hinweggegangen: mit schwulen und farbigen Ministern. Die Welt, zumindest in Deutschland, war eine andere geworden. Ein neues Jahrhundert lebt.
Mehr zum Thema