Konrad Schily: Staat soll private Hochschulen mitfinanzieren

Konrad Schily im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Der Gründungspräsident der privaten Universität Witten/Herdecke, Konrad Schily (FDP), hat sich für eine Beteiligung des Staates an der Finanzierung privater Hochschulen ausgesprochen. Der Staat solle wie in den USA jeden Studierenden mit einer gewissen Summe bezuschussen, so Schily.
Liane von Billerbeck: Sie werben mit kompaktem und zielgerichtetem Studium und verlangen dafür von ihren Studenten teils gepfefferte Gebühren – die privaten Universitäten in Deutschland. 1983 wurde die erste als Alternative zu den staatlichen Unis gegründet, derzeit jedoch machen einige private vor allem wegen ihrer Geldsorgen Schlagzeilen. In Bruchsal droht einer jetzt sogar das Aus. Welche Zukunft private Hochschulen hierzulande haben, das wollen wir jetzt von Konrad Schily erfahren. Der Mediziner hat 1983 in Witten/Herdecke die erste deutsche Privatuni mitgegründet, war lange Jahre ihr Präsident beziehungsweise Vorstandsvorsitzender des Universitätsvereins und ist dort auch um einige Krisenerfahrungen reicher geworden. Mit ihm bin ich jetzt telefonisch verbunden, ich grüße Sie!

Konrad Schily: Guten Morgen!

von Billerbeck: Was waren die Motive für die Gründung damals, 1983?

Schily: Ja, Alfred Herrhausen hat das damals so ausgedrückt: Wir gehen in ein intellektuelles Aus, wenn wir uns nicht entwickeln, und Strukturen beim Staat sind gerne beständig und oft auch starr. Ich selber als Mediziner habe ja eine Medizinerausbildung gemacht und war eigentlich schon während meines Studiums aufgeregt darüber, dass die Ausbildung nicht wirklich praxisorientiert war. Ich habe mich darüber aufgeregt, dass so wenig Änderung war, und dann kam ich halt in das Berufsleben und es gab dauernd Kommissionen, wie man die Approbationsordnung ändern könnte, aber geschehen ist nichts und dann haben wir uns halt entschlossen, was zu tun. Und so kam es zur Gründung von der Universität Witten/Herdecke.

von Billerbeck: Wie haben Sie diese Anfänge in Witten/Herdecke in Erinnerung?

Schily: Ja, natürlich ist das eine Aufbruchstimmung. Ich will noch was zu den Kosten sagen. Wir wurden ja … Witten/Herdecke wurde nicht genehmigt vom Kabinett, sondern es wurde dem Wissenschaftsminister gesagt, wenn er genehmigen würde, dann würde das Kabinett keine Einwendungen machen.

von Billerbeck: Das heißt, man hat es billigend in Kauf genommen.

Schily: Man hat es sozusagen in Kauf genommen. Es wurde gleichzeitig gesagt, die Privatuniversität darf keine staatlichen Mittel entgegennehmen, und wir mussten uns auch erklären, dass wir keine Studiengebühren nehmen. Dann hat man uns vorgeworfen, dass wir uns Spendengelder von der Industrie geholt haben. Ich habe dann immer nur gefragt, wie wir es denn sonst wohl machen sollten, nach dem Sterntaler-Prinzip, mit dem Nachthemd raus auf die Wiese nachts, geht ja nicht. Es war dann uns eigentlich sehr erstaunlich, dass in den ersten Jahren mir immer vorgeworfen hätte, wie hohe Studiengebühren wir hätten, und wenn ich dann gesagt habe, unsere Studiengebühren sind null, war immer das Erstaunen sehr groß.

Die Gründung Witten/Herdecke war eine inhaltliche Gründung. Wir wollten eine Uni machen, die in sich frei ist, freie Lehre, freie Forschung und vor allen Dingen eben auch ein freies Studium. Wir haben von den Menschen sehr viel verlangt, wir haben von ihnen verlangt, dass sie sich in der Praxis ausbilden, dass sie sich in der Theorie ausbilden, aber dass sie auch über ihr Studium hinaus in dem sogenannten Studium fundamentale, was dann ja auch Schule gemacht hat, sich bilden in Geschichte und in Philosophie und in Sprachen. Das haben die Studenten begeistert aufgegriffen.

von Billerbeck: Der staatlich bewirtschaftete Geist, so lautete ja auch ihre Kampfansage, also ihre Herausforderung des staatlichen Hochschulwesens – das war ein Plädoyer für einen Paradigmenwechsel. Wenn man sich jetzt aber die privaten Universitäten und Hochschulen anguckt, dann ist es eigentlich so, jedenfalls der Eindruck, dass außer der Bucerius Law School in Hamburg und der Jacobs University Bremen, die dank der Gelder von Zeitgründer Bucerius und dem Erbe des gleichnamigen Kaffeerösters finanziell gut ausgestattet sind, die anderen privaten Hochschulen in sehr schweres Fahrwasser geraten sind. Warum ist selbst eine so angesehene Uni wie Witten/Herdecke, die Sie ja mitgegründet haben, finanziell immer wieder in Schwierigkeiten?

Schily: Na ja, Sie müssen eben sehen, wenn es beim Staat knapp wird, dann macht der Staat Schulden, und wenn es bei einer privaten Hochschule knapp wird, dann muss sie richtig mit Preisen und mit Ausgaben rechnen. Ein öffentliches Krankenhaus kann zehn, 20, 30 Millionen Euro Verlust einfahren pro Jahr, deswegen wird dieses Krankenhaus nicht insolvent, weil es ist ja kommunal oder landeseigen. Eine private Einrichtung, ja, dann steht der Insolvenzrichter vor der Tür und sagt, wenn ihr nicht zahlen könnt, dann droht hier das Aus.

von Billerbeck: Das klingt aber ein bisschen so, als ob Sie auch, wie weiland die Banken, jetzt sagen: Na, vielleicht hätten wir doch lieber staatliches Geld haben wollen.

Schily: Nein, nein, das meine ich nicht. Ich meine nur, der Staat müsste sich angemessen beteiligen. Das habe ich immer gesagt, das meine ich auch in Witten/Herdecke, wir sind ja nicht in dem Sinne eine private Hochschule, dass wir … Die meisten privaten Hochschulen sind ja nicht irgendwie auf Gewinn ausgerichtet, sondern sie sind öffentliche Hochschulen in nicht-staatlicher Trägerschaft, das heißt, sie nehmen junge Menschen zur Ausbildung auf und machen es oft anders, manchmal besser, das will ich gar nicht behaupten, dass das immer besser ist, aber meistens anders, sonst würden die jungen Menschen da nicht hingehen. Und sie haben natürlich ungleich schlechtere Startchancen als die staatlichen Universitäten, die vom Staat finanziert werden und an den Markt mit null Gebühren gehen.

von Billerbeck: Man hat ja manchmal den Eindruck, dass es auf diesem Markt der privaten Hochschulen auch eine ganze Menge windiger Anbieter gibt. Muss sich da die Spreu vom Weizen trennen?

Schily: Das kann gut sein, nur frage ich Sie jetzt mal ganz offen, wie viel windige Angebote gibt es beim Staat und wie kriegen wir die eigentlich raus?

von Billerbeck: Welchen Weg sehen Sie denn für die privaten Hochschulen, sich besser zu finanzieren, außer dass der Staat sich beteiligen muss? Ist die Forschung ein Weg, da Zukunftssicherheit zu gewährleisten?

Schily: Wir haben ja … Weltweit gibt es eine Reihe von privaten Hochschulen, das Land mit den meisten nicht-staatlichen Hochschulen sind die USA.

von Billerbeck: Die haben aber auch sehr viel mehr Reiche und sehr viel mehr Geld in diesen großen …

Schily: Die Amerikaner sind nicht reicher als wir, sie haben eine andere Spendenkultur, sie haben eine andere Steuerkultur. Man kann USA und Europa, obwohl sie sich angleichen, noch immer nicht übereinanderschieben. Die privaten Universitäten dort sind sehr viel älter, Harvard ist über 300 Jahre alt, an die 400, und Deutschland hat eigentlich eine sechshundertjährige staatliche Hochschulgeschichte, denn die Universität Witten/Herdecke als älteste ist jetzt mal gerade 25 Jahre alt.

Nein, nein, ich glaube, der Staat sollte sich zurückziehen und er sollte, wie in den USA, jeden Studierenden mit einer gewissen Summe bezuschussen. Wenn dann die eine Universität aus dem ganz viel macht und die andere weniger, dann ergibt sich ein Markt und es ergibt sich eine Auswahl und eine Differenzierung, und das wäre sicher günstig.

von Billerbeck: Nun gibt es ja auch Debatten darüber, welche Fächer an solchen Universitäten angeboten werden, werden können. Man spricht ja selten von Volluniversitäten, viele Fächer, die sehr teuer sind, weil sie eine Menge Labors brauchen et cetera und andere wieder, mit denen man hinterher wenig Geld verdienen kann, wie mit Soziologie und Philosophie, die sind auch nicht so geeignet. Mit welchen Fachgebieten soll man denn private Hochschulen laufen lassen?

Schily: Na ja, es kommt auf den eigenen Anspruch an. In den USA gibt es Universitäten für Büroorganisation, da würden wir ja sagen, das ist keine Universität. Amerikaner gehen damit viel pragmatischer um, und das sind meistens … Diese einseitigen Universitäten sind eigentlich Fortbildungseinrichtungen, mit denen man auch Geld verdienen kann. Wenn man in Deutschland eine Universität macht mit dem Anspruch, wie wir es gemacht haben, mit dem Anspruch, Universität zu sein, also mit den Fächern Zahnmedizin, Medizin, Pflegewissenschaft, Naturwissenschaft, dann ist man in sogenannten harten Fächern und die sind auch sehr teuer. Und da ist es für mich immer die Verwunderung gewesen, warum man eigentlich nicht geguckt hat: Warum kann Witten/Herdecke diese teuren Fächer mit diesen glänzenden Ausbildungsergebnissen so günstig anbieten?

Und dann sieht man einfach, dass ein Privater ganz andere Strukturen nehmen kann, nutzen kann. Wir haben halt die Schwerpunktkrankenhäuser der Umgebung genutzt, wir haben kein eigenes Universitätsklinikum gebaut, was wahnsinnig teuer gewesen wäre, was wir auch gar nicht geleistet hätten. Oder ein anderes Beispiel: Wir haben keine, was weiß ich, Elektronenmikroskope oder so etwas hier aufgebaut. In der Industrie, in der Umgebung, zehn Kilometer um diese Universität fanden wir genug Elektronenmikroskope, um unsere Untersuchungen zu machen. Die Nutzung der Wirklichkeit, das Wendigsein, das ist eigentlich die Sache des Privaten, der dann aus sehr viel weniger sehr viel mehr machen kann.

von Billerbeck: Davon haben ja die Staatlichen auch etwas gelernt. Konrad Schily, der Gründungspräsident war das der ersten deutschen Privatuni Witten/Herdecke über die Krise der deutschen privaten Hochschulen. Herr Schily, herzlichen Dank!

Schily: Vielen Dank. Tschüss!