Konrad O. Bernheimer: "Gebrauchsanweisung fürs Museum"

Kunst gucken will gekonnt sein

05:27 Minuten
Buchcover zu "Gebrauchsanweisung fürs Museum" von Konrad O. Bernheimer
Kirchen sind oft die besseren Museen. Weitere Tipps und Tricks verrät Konrad O. Bernheimer in seiner "Gebrauchsanweisung fürs Museum". © Piper
Von Eva Hepper · 01.11.2019
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Museumsbesuche können anstrengend sein - wenn man nicht weiß, wie man es richtig anstellt. Konrad O. Bernheimer hat einen Museumsführer geschrieben, der einem nicht nur erklärt, wie man Kunst richtig liest, sondern auch wie man Warteschlangen meidet.
Unterschiedlicher lässt sich die biblische Geschichte der Verkündigung kaum darstellen: Der Maler Filippo Lippi zeigt die Jungfrau Maria 1443/45 im blauen Gewand in einer gartenumsäumten Loggia, vor ihr kniet ein anmutiger Erzengel Gabriel, beide blicken zu Boden, feierlich und still. Carlo Crivelli dagegen verlegt die Szene 1486 gleichermaßen in einen Innen- und Außenraum. Maria steht am Betpult inmitten eines prachtvollen Palastes, der Engel kniet draußen in der Gasse vor dem Fenster. Und Lorenzo Lotto wiederum malt 1527/29 einen geradezu stürmisch in die Stube hereinbrechenden Erzengel, vor dem sich die Jungfrau schreckensvoll abwendet.
Nicht ohne Grund stellt Konrad O. Bernheimer die drei weltberühmten Gemälde der italienischen Renaissancekünstler an den Anfang seiner "Gebrauchsanweisung fürs Museum". Sie eignen sich hervorragend für eine genaue Bildbetrachtung, denn wo Laien nur Verkündigungen sehen, beschreibt der renommierte Kunsthändler über viele Seiten hinweg detailgenau und kann so schließlich zeigen: Während der eine Maler einen Moment der Demut und Erhabenheit inszeniert, interessiert sich der andere vor allem für Architektur und Perspektive, und der Dritte wiederum thematisiert Gottes Allmacht und die Ungeheuerlichkeit der Verkündigung.

Schule des Sehens

Es ist eine beeindruckende Schule des Sehens, die Konrad O. Bernheimer in seinem lehrreichen wie unterhaltsamen Museumsratgeber offeriert. Wie sich Kunst am besten betrachten lässt, hatte der Spross einer bedeutenden Münchener Kunst- und Antiquitätenhändlerfamilie bereits als Kind gelernt - auf unzähligen Streifzügen mit dem Großvater durch die Institutionen seiner Heimatstadt. "Ein Saal, eine Stunde", hieß dessen Devise.
So könnte auch das Motto dieses Buches lauten, denn es setzt auf Qualität statt Quantität. Unterteilt in 15 Kapitel nimmt Bernheimer Leser und Leserinnen mit in seine Lieblingsmuseen - etwa in die Uffizien, den Prado, den Louvre oder die Alte Pinakothek in München - und stellt ausgewählte Spitzenwerke vor; von der Kunst der Alten Meister bis zur Klassischen Moderne. Zeitgenössische Kunst hingegen kommt nicht vor.

Wie man Warteschlangen umgeht

Die genauen Bildbetrachtungen sind bestechend und an ihren besten Stellen mitreißend; etwa wenn der Kunstliebhaber berichtet, warum er Rubens verehrt oder dem Zauber von Diego Velasquez’ "Las Meninas" erliegt. Und auch für die Museen und ihre Architektur weiß er zu schwärmen; in die New Yorker Frick Collection beispielsweise zöge der begeisterte Autor am liebsten gleich mit Zahnbürste und Köfferchen ein.
Konrad O. Bernheimer bietet aber auch handfeste Tipps. Er verrät, die beste Uhrzeit für den Museumsgang, wie man am schnellsten in den Louvre kommt, wann Audioguides sinnvoll sind, wo sich Meisterwerke (noch) fast allein betrachten lassen, warum Kirchen manchmal die besseren Museen sind, und wie sich Warteschlangen - allerdings nicht ganz korrekt - umgehen lassen.
Alles große Klasse, nur sprachlich wirkt der Kunstratgeber mitunter betulich. Da hilft allemal, dass dieses Buch inhaltlich durchweg überzeugend und praktisch ist.

Konrad O. Bernheimer: "Gebrauchsanweisung fürs Museum"
Piper Verlag 2019
224 Seiten, 15 Euro

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