Konfuzius sagt ...
Die Forderung nach einer neuen Wirtschaftsethik hören wir seit Jahrzehnten. Ihr Kern lautet: Nicht nur das Eigentum verpflichtet, sondern auch das Kapital. Das ist sinnvoll. Angesichts der Vielzahl der Verfehlungen gerade in jüngster Zeit dürfte eine schnelle praktische Umsetzung dieser Ethik aber wenig wahrscheinlich sein.
Der Fall des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Mehdorn, mag stellvertretend für viele zeigen, wie einflussreiche Unternehmer ethisch ticken. In einer Talkrunde wurde ihm einmal von einem Gast vorgehalten, wie er sich überhaupt erkühnen könne, die 30-Prozent-Forderung der Gewerkschaft der Lokführer abzuschmettern, während er sein eigenes Einkommen seit 1994 um 300 Prozent gesteigert habe.
Mehdorn wies den Kritiker mit der kühlen Feststellung in die Schranken, dass seine Einnahmen sich im unteren Drittel der für führende Manager üblichen Gehälter bewegten. Recht hat er. Vergleicht man seinen Fall mit dem des Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking, der mit seinen 60 Millionen Jahreseinkommen mehr als das tausendfache seiner Porsche-Werker verdient, dann muss man Mehdorn eigentlich bemitleiden.
Beide, Mehdorn wie Wiedeking, richten sich nach einer Ethik des Erfolgs. Sie vergleichen sich nicht mit den Mitarbeitern ihres Unternehmens, sie vergleichen sich mit den Chefs vergleichbar starker Firmen, um mit ihnen auf Augenhöhe zu bleiben.
Daher geht ihnen der Blick für die eigenen Schutzbefohlenen verloren. Er wird schamlos. So schamlos wie die Bereicherung. Mit den bekannten Konsequenzen für das gesellschaftliche Klima. Es ist, als ob sie damit dem leicht verletzbaren Sozialgefüge jedes Mal einen öffentlichen Kick versetzten, der dem privaten Kick einer fulminanten Einkommenssteigerung genau entgegengesetzt ist. Politisch führt das geradezu automatisch zu einem weiteren Linksruck der Bundesrepublik.
Gregor Gysi hat während des Streiks der Lokführer so spitzzüngig wie treffend behauptet, der Bahn-Chef könne seine exorbitante Gehaltserhöhung ganz ohne Streik durchsetzen. Nicht, dass dem zähen kleinen Mann der Erfolg missgönnt werden sollte. Er ist ein Vorzeige-Manager, wie der Post- und der Porsche-Chef auch. Alle drei haben sie Großes geleistet. Aber den Blick für das rechte Maß - den haben sie nicht.
Und die Erfolgsethik ist nicht geeignet, ihn zu schärfen. Eigentlich ist sie gar keine richtige Ethik. Einen moralischen Kern, um den sie gebaut wäre, sucht man vergebens. Das ist auch gut so - einerseits. Denn es macht eben den wirtschaftlichen Erfolg aus. Andererseits ist es ein Erfolg um des Erfolgs willen. Nur eine Ethik, die diesen Erfolg überträfe, ohne in reiner Erfolgsethik aufzugehen, wäre daher wirtschaftlich überlegen.
Man braucht nicht lange danach Ausschau zu halten. Es ist der Konfuzianismus, der zum Beispiel in einem so ausgezeichneten japanischen Unternehmen wie Toyota vorherrscht. Doch für viele von uns käme man mit der Übernahme einer solchen Ethik bloß vom Regen in die Traufe.
Aus Gründen globaler Konkurrenz sind allerdings Automobilfirmen weltweit dazu gezwungen, sich mit ihr auseinanderzusetzen. So wie das schon genannte Unternehmen Porsche. Anfang der 90er Jahre geriet es in die roten Zahlen und wurde durch die Sanierer von Toyota wieder auf Kurs gebracht. Porsche hat ein Toyota-Herz. Der damals durch wiederholte Reisen nach Japan gedemütigte Wiedeking hat die Firma seitdem auf vorher ungeahnte Höhen gebracht. Er kann trotz seiner 60 Millionen seinen Mitarbeitern, die gerade wieder in den Genuss ordentlicher Bonuszahlungen gekommen sind, in die Augen schauen. Sie haben nichts gegen seine hohen Bezüge.
Aber könnte Wiedeking auch in die Augen von Katsuaki Watanabe schauen, seit 2005 amtierender Präsident von Toyota? Wie hoch dessen Bezüge sind, weiß ich nicht. Vor Jahren hieß es einmal, Toyota-Manager genehmigten sich nur das Zehnfache des Gehalts ihrer Mitarbeiter, nicht mehr. Selbst wenn das Einkommen heute bedeutend höher sein sollte, dürfte es nicht die Wiedekingschen Ausmaße erreichen, denn der Konfuzianismus schreibt Augenmaß vor. Demut ist ethische Pflicht. Selbst dort, wo sie nicht verlangt wird.
Erik von Grawert-May, 1944 in Lauban/Niederschlesien geboren, studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften in Paris, Tübingen und Berlin. Er habilitierte sich über den Barockbegriff "Theatrum Belli", ist seit 1994 Professor für Unternehmensethik und -kultur an der Fachhochschule Lausitz und leitet seit 1999 das "Hanns von Polenz Institut für regionalgeschichtliche Studien, Senftenberg".
Mehdorn wies den Kritiker mit der kühlen Feststellung in die Schranken, dass seine Einnahmen sich im unteren Drittel der für führende Manager üblichen Gehälter bewegten. Recht hat er. Vergleicht man seinen Fall mit dem des Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking, der mit seinen 60 Millionen Jahreseinkommen mehr als das tausendfache seiner Porsche-Werker verdient, dann muss man Mehdorn eigentlich bemitleiden.
Beide, Mehdorn wie Wiedeking, richten sich nach einer Ethik des Erfolgs. Sie vergleichen sich nicht mit den Mitarbeitern ihres Unternehmens, sie vergleichen sich mit den Chefs vergleichbar starker Firmen, um mit ihnen auf Augenhöhe zu bleiben.
Daher geht ihnen der Blick für die eigenen Schutzbefohlenen verloren. Er wird schamlos. So schamlos wie die Bereicherung. Mit den bekannten Konsequenzen für das gesellschaftliche Klima. Es ist, als ob sie damit dem leicht verletzbaren Sozialgefüge jedes Mal einen öffentlichen Kick versetzten, der dem privaten Kick einer fulminanten Einkommenssteigerung genau entgegengesetzt ist. Politisch führt das geradezu automatisch zu einem weiteren Linksruck der Bundesrepublik.
Gregor Gysi hat während des Streiks der Lokführer so spitzzüngig wie treffend behauptet, der Bahn-Chef könne seine exorbitante Gehaltserhöhung ganz ohne Streik durchsetzen. Nicht, dass dem zähen kleinen Mann der Erfolg missgönnt werden sollte. Er ist ein Vorzeige-Manager, wie der Post- und der Porsche-Chef auch. Alle drei haben sie Großes geleistet. Aber den Blick für das rechte Maß - den haben sie nicht.
Und die Erfolgsethik ist nicht geeignet, ihn zu schärfen. Eigentlich ist sie gar keine richtige Ethik. Einen moralischen Kern, um den sie gebaut wäre, sucht man vergebens. Das ist auch gut so - einerseits. Denn es macht eben den wirtschaftlichen Erfolg aus. Andererseits ist es ein Erfolg um des Erfolgs willen. Nur eine Ethik, die diesen Erfolg überträfe, ohne in reiner Erfolgsethik aufzugehen, wäre daher wirtschaftlich überlegen.
Man braucht nicht lange danach Ausschau zu halten. Es ist der Konfuzianismus, der zum Beispiel in einem so ausgezeichneten japanischen Unternehmen wie Toyota vorherrscht. Doch für viele von uns käme man mit der Übernahme einer solchen Ethik bloß vom Regen in die Traufe.
Aus Gründen globaler Konkurrenz sind allerdings Automobilfirmen weltweit dazu gezwungen, sich mit ihr auseinanderzusetzen. So wie das schon genannte Unternehmen Porsche. Anfang der 90er Jahre geriet es in die roten Zahlen und wurde durch die Sanierer von Toyota wieder auf Kurs gebracht. Porsche hat ein Toyota-Herz. Der damals durch wiederholte Reisen nach Japan gedemütigte Wiedeking hat die Firma seitdem auf vorher ungeahnte Höhen gebracht. Er kann trotz seiner 60 Millionen seinen Mitarbeitern, die gerade wieder in den Genuss ordentlicher Bonuszahlungen gekommen sind, in die Augen schauen. Sie haben nichts gegen seine hohen Bezüge.
Aber könnte Wiedeking auch in die Augen von Katsuaki Watanabe schauen, seit 2005 amtierender Präsident von Toyota? Wie hoch dessen Bezüge sind, weiß ich nicht. Vor Jahren hieß es einmal, Toyota-Manager genehmigten sich nur das Zehnfache des Gehalts ihrer Mitarbeiter, nicht mehr. Selbst wenn das Einkommen heute bedeutend höher sein sollte, dürfte es nicht die Wiedekingschen Ausmaße erreichen, denn der Konfuzianismus schreibt Augenmaß vor. Demut ist ethische Pflicht. Selbst dort, wo sie nicht verlangt wird.
Erik von Grawert-May, 1944 in Lauban/Niederschlesien geboren, studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften in Paris, Tübingen und Berlin. Er habilitierte sich über den Barockbegriff "Theatrum Belli", ist seit 1994 Professor für Unternehmensethik und -kultur an der Fachhochschule Lausitz und leitet seit 1999 das "Hanns von Polenz Institut für regionalgeschichtliche Studien, Senftenberg".