Konfliktforscher über Zuwanderungsstudie

"Die Willkommenskultur kehrt zurück"

Mit einem Willkommensgruß und selbst mitgebrachten Lebensmitteln und Getränken warten am 05.09.2015 in Frankfurt am Main freiwillige Helfer im Hauptbahnhof auf die Ankunft von Flüchtlingen in der Stadt.
So war das mal: Mit einem Willkommensgruß und selbst mitgebrachten Lebensmitteln und Getränken warten 2015 in Frankfurt am Main freiwillige Helfer im Hauptbahnhof auf die Ankunft von Flüchtlingen. © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Andreas Zick im Gespräch mit Julius Stucke  · 24.01.2019
Eine Studie hat untersucht, wie Deutsche die Zuwanderung und die Diskussion darüber betrachten. Auf der einen Seite gebe es mehr Offenheit, auf der anderen Seite steige aber auch die Ablehnung, sagt Konfliktforscher Andreas Zick, Mitautor der Studie.
Die Studie "Zugleich - Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit" hat Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Meinung zu Migration und Integration befragt und herausgefunden: Die Zivilgesellschaft ist entspannter als die politische Debatte es nahelegt. Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld, fasst das positive Ergebnis zusammen:
"Die Willkommenskultur kehrt wieder und die Integrationsorientierungen nehmen nach einem Einbruch in 2016 wieder deutlich zu."
Jeder zweite Befragte wolle mehr Vielfalt in Deutschland und nicht weniger, betonte er gegenüber Deutschlandfunk Kultur:
"In der politischen Debatte reden wir über Abschiebung, darüber, ob Integration gelingt und haben eine sehr polarisierte Diskussion. Die Zivilgesellschaft ist insofern gemäßigter, als sie deutlich mehr Willkommenskultur möchte. Bei den Kriterien, wer dazugehört, sagen 80 Prozent der repräsentativ Befragten: in Deutschland zu Hause fühlen."

"Es entstehen auch neue Vorurteile"

Umgekehrt wolle ein Drittel der Befragten nicht mehr Willkommenskultur und sehe als Kriterium für die Zugehörigkeit, ob jemand hier geboren sei. Auf der einen Seite gebe es also mehr Offenheit, auf der anderen Seite sei aber "die Ablehnung von Muslimen signifikant über die Jahre angestiegen":
"Obwohl die Willkommenskultur wiederkommt, obwohl die Menschen entspannter sind bei der Zugehörigkeit und mehr Vielfalt fordern, steigen auf einmal Vorurteilsmuster an. Was zurückbleibt aus diesen hitzigen Debatten, Polarisierungen und vielen Hasstaten, da entstehen auch neue Ressentiments. Das liegt daran, dass Menschen gesehen haben, dass viele Konflikte in der Kommune auch in Gewalt gekippt sind."
Der Konfliktforscher Andreas Zick, Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld, aufgenommen am 07.06.2015 in Köln. 
Konfliktforscher Andreas Zick: Wer Vielfalt erlebt, ist weniger anfällig für rechten Populismus.© dpa / picture alliance / Horst Galuschka
Die Studie, die von der Mercator Stiftung gefördert wurde, habe auch ergeben, dass gelebte Vielfalt Menschen weniger anfällig für Populismus mache, betonte Zick:
"Die Menschen nehmen auch wahr, dass die politische Diskussion etwas anderes ist als Migration und Integration vor Ort. Wir sehen in der Studie, Menschen, die in Räumen leben, wo Vielfalt zur Normalität gehört, sind weniger anfällig für populistische Zerrbilder."
(cosa)
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