Komponist für den Papst

Von Sven Ahnert |
Krzystof Penderecki, einer der wichtigen zeitgenössischen Komponisten weltweit, wird heute 75 Jahre alt. Angefangen als Avantgardist, setzte er später starke Akzente durch klassische Werke und geistliche Themen. Der mehrfache Grammy-Preisträger und glühende Katholik aus Polen spendierte Karol Woytila, dem späteren Papst Johannes Paul II., eine Komposition - für E-Gitarre.
"Ich habe mich nicht an die Regeln gehalten, die in Darmstadt und Donaueschingen herrschten. Ich habe immer gesagt, das ist eine Avantgarde mit menschlichen Antlitz."

Wohlwollend wie ein gutmütiger Lehrer und nicht mehr so ernst wie früher erklärt Krzysztof Penderecki den Erfolg seiner Musik, die heute weltweit gespielt wird. Jovial und braun gebrannt, den Taktstock neben sich auf dem Tisch, erzählt der dirigierende Komponist mit dem markanten grauen Bart aus seinem Leben.

"Ich versuchte Musik, auch mit anderen Mitteln, zu schreiben. Gerade meine Musik aus dieser Zeit, Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre, wird weiterhin gespielt und ist nicht gestorben."

Im Nachkriegspolen der 50er Jahre waren Noten von Arnold Schönberg und Anton Webern heiß begeht. Junge Komponisten wie Krzysztof Penderecki suchten den Neuanfang in der Musik, erkannten im Experiment eine gewisse Form der Freiheit, die ihnen die stalinistische Kulturpolitik gewährte. Polen galt damals als das osteuropäische Mekka der Neuen Musik

"Zwei Dinge waren damals wichtig. Zum einen: Das Studio für elektronische Musik wurde 1956 in Warschau gegründet. Die Elektronik hat mich fasziniert: Das war eine völlig neue Welt für völlig neue Klänge, die ich dann zum ersten Mal gehört habe. Ich konnte da auch solche Klänge produzieren, und ich verbrachte zwei Jahre in Warschau, in diesem Studio. Dann das Festival Warschauer Herbst. Polen war damals das einzige Land im Warschauer Pakt, in dem Avantgarde erlaubt war."

Modernes Komponieren, wie es Pierre Boulez in der seriellen Musik formalisierte oder Stockhausen im Bereich der elektronischen Musik präzisierte, war dem jungen Polen Krzysztof Penderecki in den 60er Jahren fremd oder in seinem Sinne zu eng. Langsam aber stetig segelte Penderecki aus den Gewässern in die Welt der Sinfonik und wurde Teil des internationalen Konzertbetriebes.

"Ich sehe das als eine gesunde Reaktion. Ich habe das alles wieder abgelehnt und habe angeknüpft an letzte Sinfonien von Mahler und Bruckner - da, wo die sinfonische Musik aufgehört hat Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Genre wollte ich wiederbeleben. Ich gehe weiter in diese Richtung."

Sein abendfüllendes "Polnisches Requiem" zieht die Summe seiner kompositorischen Erfahrungen. Es zeigt ihn als katholischen Patrioten, der dieses Werk, das er zwischen 1980 und 1993 komponierte, als Fanal gegen die kommunistische Diktatur verstanden wissen will.

Ende der 80er Jahre konnte man in Polen sogar eine Musikkassette seines Requiems am Lebensmittelladen um die Ecke kaufen. Penderecki galt lange Jahre als Synonym für moderne polnische Musik. Heute ist Penderecki ein international gefragter Auftragskomponist, der sich vor Angeboten nicht retten kann und maximal noch zwei Werke pro Jahr zu Papier bringt.

Schreibt Penderecki gerade an keiner Kammermusik, grübelt nicht über seiner Matthäus-Passion oder bangt um die letzten Takte seiner Neunten Sinfonie, wandelt er durch seinen parkähnlichen Garten, unweit von Krakau.

"Das waren vorher Wiesen. Nun ist das ein Park von über 30 Hektar. Ich habe immer mehr Land gekauft. Das ist meine Passion. Mein zweiter Beruf, würde ich sagen."