Komponieren im Angesicht des Todes
23.01.2009
Viktor Ullmann zählt zu den Komponisten, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden - und die langsam wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zurückgelangen. Mit detektivischem Spürsinn hat der Flensburger Musikwissenschaftler und Gymnasiallehrer Ingo Schultz eine umfassende Biografie eines großartigen Komponisten verfasst, die jedoch eher Zwischenbericht als Bilanz zu sein scheint.
Vor gut 20 Jahren wurde die "Entartete Musik" wiederentdeckt. Komponisten, die im Nationalsozialismus aus rassischen, ästhetischen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt und dadurch vergessen wurden, gelangten ins Bewusstsein einer interessierten Öffentlichkeit zurück. Zu den bedeutendsten gehören Ernst Krenek, Alexander von Zemlinsky und Viktor Ullmann.
Ullmanns Biografie verlief besonders unglücklich, denn weder gelang dem 1898 in Böhmen geborenen Komponisten die Emigration, noch hatte er bis zu seiner Verfemung große Erfolge feiern können. Trotzdem bot er den Nationalsozialisten drei Angriffsflächen: Er war jüdischer Abstammung (obwohl schon seine Eltern zum Katholizismus konvertiert waren), er war als Schüler Arnold Schönbergs per se "entartet" (obwohl er dessen Methoden nicht übernahm) und er war bekennender Anthroposoph. 1942 wurde er von Prag ins "Vorzeige-Ghetto" Theresienstadt deportiert, 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Ein Großteil seines Schaffens ging verloren.
Um so größer das Verdienst von Ingo Schultz, der zu Viktor Ullmann eine umfassende Biografie vorgelegt hat. Der Musikwissenschaftler und Gymnasiallehrer aus Flensburg verfolgt Ullmanns Fährte schon seit langem mit detektivischem Spürsinn. Der ist auch nötig, denn vieles lässt sich nur mühsam rekonstruieren oder kann durch vereinzelte Dokumente (Briefe, Rezensionen) nur noch erahnt werden.
Dieser prekären Quellenlage ringt Schultz ein durchaus facettenreiches Porträt ab: Wir lernen einen Schönberg-Anhänger kennen, der sich auf persönliche, bisweilen esoterische Weise von der Moderne lossagte, ohne dabei in konservative Positionen zu verfallen. Die existentielle Bedrohung löste in Ullmann einen ungeahnten Kreativitätsschub aus: In Theresienstadt komponierte er im Angesicht des Todes unter vielen anderen Werken die gleichnishafte Oper "Der Kaiser von Atlantis oder die Tod-Verweigerung".
Was er zu Ullmann finden konnte, hat Schultz in diesem Band solide zusammengefasst. Leider ist seine Darstellung recht trocken und ohne musikwissenschaftliche Vorbildung nicht immer verständlich. Überdies bezieht sich der Autor zu wenig auf bereits bestehende Veröffentlichungen und setzt sich auch nicht mit der Wiederentdeckung Ullmanns auseinander.
Diese Publikation scheint eher Zwischenbericht als Bilanz zu sein - und versäumt es somit, einem großartigen Komponisten mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Rezensiert von Olaf Wilhelmer
Ingo Schultz: Viktor Ullmann. Leben und Werk,
Metzler-Verlag Stuttgart / Bärenreiter-Verlag Kassel 2008,
279 Seiten, 29,95 Euro
Ullmanns Biografie verlief besonders unglücklich, denn weder gelang dem 1898 in Böhmen geborenen Komponisten die Emigration, noch hatte er bis zu seiner Verfemung große Erfolge feiern können. Trotzdem bot er den Nationalsozialisten drei Angriffsflächen: Er war jüdischer Abstammung (obwohl schon seine Eltern zum Katholizismus konvertiert waren), er war als Schüler Arnold Schönbergs per se "entartet" (obwohl er dessen Methoden nicht übernahm) und er war bekennender Anthroposoph. 1942 wurde er von Prag ins "Vorzeige-Ghetto" Theresienstadt deportiert, 1944 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet. Ein Großteil seines Schaffens ging verloren.
Um so größer das Verdienst von Ingo Schultz, der zu Viktor Ullmann eine umfassende Biografie vorgelegt hat. Der Musikwissenschaftler und Gymnasiallehrer aus Flensburg verfolgt Ullmanns Fährte schon seit langem mit detektivischem Spürsinn. Der ist auch nötig, denn vieles lässt sich nur mühsam rekonstruieren oder kann durch vereinzelte Dokumente (Briefe, Rezensionen) nur noch erahnt werden.
Dieser prekären Quellenlage ringt Schultz ein durchaus facettenreiches Porträt ab: Wir lernen einen Schönberg-Anhänger kennen, der sich auf persönliche, bisweilen esoterische Weise von der Moderne lossagte, ohne dabei in konservative Positionen zu verfallen. Die existentielle Bedrohung löste in Ullmann einen ungeahnten Kreativitätsschub aus: In Theresienstadt komponierte er im Angesicht des Todes unter vielen anderen Werken die gleichnishafte Oper "Der Kaiser von Atlantis oder die Tod-Verweigerung".
Was er zu Ullmann finden konnte, hat Schultz in diesem Band solide zusammengefasst. Leider ist seine Darstellung recht trocken und ohne musikwissenschaftliche Vorbildung nicht immer verständlich. Überdies bezieht sich der Autor zu wenig auf bereits bestehende Veröffentlichungen und setzt sich auch nicht mit der Wiederentdeckung Ullmanns auseinander.
Diese Publikation scheint eher Zwischenbericht als Bilanz zu sein - und versäumt es somit, einem großartigen Komponisten mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Rezensiert von Olaf Wilhelmer
Ingo Schultz: Viktor Ullmann. Leben und Werk,
Metzler-Verlag Stuttgart / Bärenreiter-Verlag Kassel 2008,
279 Seiten, 29,95 Euro