Komödie

Die Körpersprache der Hampelmänner

Die Schauspieler Joachim Meyerhoff als "Arnolphe" und Karoline Bär als "Agnes" in Molières "Die Schule der Frauen" in der Inszenierung von Herbert Fritsch.
Die Schauspieler Joachim Meyerhoff als "Arnolphe" und Karoline Bär als "Agnes" in Molières "Die Schule der Frauen" in der Inszenierung von Herbert Fritsch © dpa / picture alliance / Markus Scholz
Von Michael Laages · 05.04.2014
Molières "Die Schule der Frauen" ist zwar eine olle Kamelle, Herbert Fritsch gelingt es in seiner Hamburger Inszenierung aber, auch extrem längliche Monologpassagen zu einem äußerst unterhaltsamen Schauspielabend zu verwandeln.
Mit Moliére hat alles begonnen. Dessen Stück der "Der Geizige" war das erste, dass dem Schauspieler Herbert Fritsch zur Inszenierung überlassen wurde; in Luzern, weit weg von den Vorzeigebühnen im deutschsprachigen Raum. Das war 2007.
In den nicht mal sieben Jahren seither ist dem gelernten (und bis dahin an der Berliner Volksbühne sehr erfolgreichen) Schauspieler eine noch erfolgreichere Regiekarriere gelungen – auch darum, weil er konsequent auf Jux und Dollerei setzt in der Arbeit, auf Farce und Groteske: als Hans Wurst für die Gegenwart.
Seine Berliner Volksbühnen-"Oper" mit dem Titel "Ohne Titel Nr. 1" ist zum "Theatertreffen" eingeladen; in Hamburg kam er für das Schauspielhaus nun auf Moliére zurück – und "Die Schule der Frauen".
Aber selbstverständlich sind Erfolge nicht, besser: nicht mehr, wenn Herbert Fritsch das Theater bespaßt. Unübersehbar wurde mittlerweile gerade an den ersten Häusern der Bühnenrepublik, wie methodisch der Regisseur zu Werke geht, wie unterschiedslos er zuweilen Folien aus ulkigen Effekten zu legen scheint über die Stücke, die er inszeniert, wie sehr er schließlich sich selber als Maß aller Dinge nimmt.
Alle wollen wie Fritsch sein
Fritsch spielt ja bekanntlich vor; viel vom fahrigen Gehampel, das die Figuren bei ihm auf der Bühne zeigen, viele Ticks und Macken sind im Grunde immer nur Fritsch. Und gerade die virtuosesten Handwerker an den Top-Adressen des Theaters sind besonders verführbar zur Lust an der Kopie. So albern und ulkig wie Fritsch sein: Das können sie allemal.
An kleineren Theatern (an denen die Karriere für Fritsch begann) war das meist anders – hier erfanden sich Schauspieler häufig "wie neu", weil Fritsch ihnen die Fesseln der Routine löste.
In Hamburg jetzt ist beides zu bestaunen: die virtuose Kopie und die komische Befreiung. Martin Pawlowsky etwa, inzwischen der Ältestgediente überhaupt am Deutschen Schauspielhaus, der schon sehr viele Intendanten überlebt hat, war vermutlich niemals derart komisch. Er ist zu Beginn der skeptische Sparringspartner, als Monsieur Arnolphe, Molières Monster von Mannsbild, gleich zu Beginn die eigene Traumfrau beschreibt: dumm soll sie sein, sonst nichts. Nur so wird sie ihn nie betrügen können.
Lustige olle Kamelle
Das hört sich nun nicht nach brüllendem Gelächter an; und einmal, später am Abend, steigt Meyerhoff sogar aus der Rolle – um zu gestehen, dass dies halt ein Männerstück sei und er sich auch über nur einen Lacher mächtig freuen könne.
In der Tat ist "Die Schule der Frauen" eine ganz und gar überlebte olle Kamelle; und es bräuchte wohl eine Art Elfriede Jelinek, um all das Machotum auszumerzen, dass den monströsen Lehrer in dieser Frauenschule auszeichnet.
Eine Vierjährige hatte der zur Pflege in einer Art Kloster vergraben, umgeben erklärtermaßen nur von brunzdummem Personal, um sie vorzubereiten auf die Ehe mit ihm. Ein durchreisender Freund allerdings ist schneller dran am weithin stummen Mädchen; und so, in der Komödien-Logik der Zeit, demontiert Moliére natürlich die hybrid-paranoide Hauptfigur.
Nach manchen Verteidigungsschlachten gegen den agilen (und viel jüngeren) Mitbewerber tauchen Väter und Schwiegerväter auf und bringen alles ins Lot; der grausame Lehrer bleibt stumm und allein zurück.
Der überschwängliche Hamburger Jubel gestern hat mit dieser Story nicht allzu viel zu tun; fast alles hingegen mit Molières Sprache und der Übertragung ins Spiel, wie Fritsch sie betreibt. Der übertrieben gekünstelte, mit Verzierungen und Arabesken nur so um sich werfende Ton im Text ist sozusagen im Sekundentakt übertragen in die mechanische Gestik der Fritsch-Figuren, unterstützt und eben getaktet auch von Ingo Günthers Musik.
Geschwätzige Hampelmänner
Während sie sprechen, spricht immer auch ihr Körper; und wenn sie gar mit sich selber räsonnieren, quasi hinterfragen, was sie da gerade reden, bei besonders blöden Pointen etwa, wird Körpersprache zum Dialogpartner.
Deshalb macht es auch über extrem längliche, ja geschwätzige Mono- und Dialogpassagen extrem viel Spaß, den Hampelmännern –und frauen zu folgen: Meyerhoff, Pawlowsky und Bastian Reiber als jungen Rivalen, Bettina Stucky und Josef Ostendorf als deppertes Hauspersonal.
Liebevollstes Detail des Abends: In Ostendorfs turmhoher Perücke wie anno dazumal nistet tatsächlich ein Vogel! Die Kostüme sind, wie immer bei Fritsch, von Victoria Behr und hinreißend.
Andreas Grötzinger, Michael Weber und Karoline Bär, die schneeweiß-unschuldige Loreley mit den meist geschlossenen Augen, vervollständigen die schlussendlich wie aufgezogen rund um das fensterlose Haus karriolende Bande.
Fritsch, der komische Vogel
Dass dieses einzige richtige Bühnen-Requisit im ersten Teil gar nicht genutzt wird (außer als optisches Gefängnis), dass Fritsch die langen Wort-Girlanden vorzugsweise nur vorne an der Rampe zelebrieren und also szenisch sehr sparsam agieren lässt – geschenkt.
Am Schluss ist das Jubelfest komplett, und Fritsch schwebt über der Bühne herein in den Applaus, an Haltegurten fliegend - ein komischer Vogel, immer noch und immer wieder.

Die Schule der Frauen
Von Molière
Inszenierung am Schauspielhaus Hamburg
Regie und Bühne: Herbert Fritsch
Kostüme: Victoria Behr
Musik: Ingo Günther

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