Kommunikationskanal zwischen den europäischen Institutionen

Wolfgang Müller im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 14.11.2013
Um die Vermittlung von Jobs geht es im Europa-Büro der Arbeitsagentur nicht, es geht hier eher um einen europäischen Dialog und darum, voneinander zu lernen. Im Gespräch erläutert der Leiter Wolfgang Müller, warum es trotzdem nicht so bald eine einheitliche europäische Vermittlung geben wird.
Korbinian Frenzel: Jugendarbeitslosigkeit, wir haben in dieser Woche mehrfach über dieses Riesenproblem berichtet und gesprochen hier im Deutschlandradio Kultur. Sechs Millionen junge Leute ohne Job, fast ein Viertel aller Jugendlichen, das ist die erschreckende Bilanz, die ja auch die Politik wachgerufen hat. Am Dienstag gab es den großen Gipfel mit Merkel, Hollande und Co. in Paris. Was passiert jenseits solcher Blitzlichttermine? Dem wollten wir mal nachgehen und sind dabei auf eine interessante Sache gestoßen, dass nämlich in Brüssel auch die deutsche Agentur für Arbeit, also das, was früher mal das Arbeitsamt war, zu Hause ist mit einem Büro, mit einem Europa-Büro. Das leitet Wolfgang Müller und der ist jetzt am Telefon, guten Morgen!

Wolfgang Müller: Schönen guten Morgen, Herr Frenzel!

Frenzel: Herr Müller, was machen Sie in Brüssel? Jobs vermitteln wahrscheinlich nicht, oder?

Müller: Nein, das ist richtig. Die Europa-Vertretung der Bundesagentur für Arbeit in Brüssel dient als Kommunikationskanal zwischen der Bundesagentur und den europäischen Institutionen. Das ist keine Vermittlung und Beratung von Arbeitssuchenden beispielsweise aus anderen europäischen Ländern, die in Deutschland eine Ausbildung oder eine Arbeit beginnen wollen. Dafür haben wir eigene Stellen.

Frenzel: Das heißt, Sie helfen mit Ihrem Büro, das dort ist, ganz konkret sozusagen auf politischer Ebene, was könnte man tun, um die Arbeitsvermittlung zu verbessern?

Müller: Ja, das hat zwei Facetten. Die eine Facette ist, die Krise hat gezeigt, dass vonseiten der Politik ein hohes Interesse daran ist, was funktioniert an der Schnittstelle zwischen dem Bürger und den Arbeitsmarktdienstleistern, die arbeitsmarktpolitische Programme umsetzen, und was sind die Umsetzungserfahrungen, die da rauskommen? Das ist ganz wichtig inzwischen in der europäischen Politik geworden und das können wir natürlich beisteuern mit der Stelle. Die andere Richtung ist, was passiert auf europäischer Ebene, was beeinflusst potenziell die Geschäftspolitik der Bundesagentur für Arbeit? Das sind, wenn man so will, kurz umrissen die beiden Kernaufgaben der Europa-Vertretung.

Frenzel: Aber kommen wir mal zum ersten Punkt. Also, da gibt es, ich vermute mal, jetzt die, die es gut machen, und da gibt es die, die weniger gute Ergebnisse bringen. Und ich benenne es einfach mal, die, die es gut machen, das sind wir, das sind die Deutschen, und die, die es nicht so gut machen, das sind zum Beispiel die Griechen?

Müller: Ja, das ist natürlich … Wenn man jetzt mal auf die Arbeitsmarktzahlen als Indikator guckt, zu diesem Schluss könnte man kommen. Aber zu glauben, dass in einer Gesamtschau man sagen kann, die Bundesagentur ist überall führend, ist überall gut, weil wir beispielsweise die geringste Jugendarbeitslosigkeit haben, das wäre eine Fehlannahme.

Frenzel: Dann lassen Sie uns doch mal durchgehen, was machen wir denn besonders gut zum Beispiel, was macht Deutschland besonders gut, was Sie da mitbringen können nach Brüssel?

Müller: Was wir auf jeden Fall haben, ist, dass wir die Übergänge sehr gut managen. Wir haben Übergänge bereits sehr früh von der Schule in die Ausbildung oder in das Arbeitsleben. Gerade im Bereich der Ausbildung ist das etwas, was in anderen Ländern eigentlich nicht vorgehalten wird. Wir haben ja in Deutschland beispielsweise Berufsberatungen in den Abschlussklassen der allgemeinbildenden Schulen, das ist in anderen Ländern so nicht gegeben. Ich möchte ein zweites Beispiel nennen, wir halten Dienstleistungen besonders für Arbeitgeber vor. Also, dass man den Arbeitsmarkt von beiden Seiten betrachtet, einmal die Bewerberseite, aber auch die Stellenseite. Also das, um mal jetzt nur zwei Beispiele zu nennen, die in Brüssel gefragt sind, wie machen wir das eigentlich, was sind unsere Erfahrungen damit, können andere davon lernen.

Frenzel: Können Sie denn profitieren von anderen Erfahrungen aus anderen Ländern, wo sie sagen, ja, das läuft da besonders gut, das sollten wir uns mal überlegen?

Müller: Auf jeden Fall. Das ist ein Prozess, der läuft seit Langem innerhalb des Netzwerks europäischer Arbeitsmarktdienstleister. Es gibt solche Netzwerke und wir haben beispielsweise bei den Hartz-Reformen, wo damals die Bundesanstalt für Arbeit dann in die Bundesagentur, haben wir von guten Beispielen in Großbritannien und zum Beispiel aus Dänemark gelernt. Aber ich brauche gar nicht in die Vergangenheit gehen, auch heute gucken wir in die Niederlande, wie funktioniert Beratung dort über Online-Kanäle? Schweden, wie werden Soziale Medien eingesetzt? Großbritannien, wie entwickelt sich dort die Plattform, wo Stellen und Bewerber zusammenkommen? Frankreich, wie laufen dort Rekrutierungsprozesse ab, ohne dass der Lebenslauf beispielsweise verwendet wird, weil viele dort Brüche drin haben? Gibt es andere Methoden, um eine Auswahl zu treffen aus zum Beispiel Arbeitslosen für eine Stelle? Das ist nur mal, um ein paar Beispiele zu nennen, was heute aktuell, wo wir als Bundesagentur reingucken, gibt es da Ideen, gibt es da Hinweise, die wir für unsere Weiterentwicklung verwenden können?

Frenzel: Wenn man das alles so zusammen hört, dann, könnte ich mir vorstellen, kann man daraus eine wunderbare Arbeitsvermittlung für ganz Europa backen, von jedem einfach das Beste! Würde das hinhauen oder ist es doch zu unterschiedlich in Europa, wie wir arbeiten, wie die Arbeitsmärkte aufgebaut sind?

Müller: Das ist momentan definitiv auch für absehbare Zeit aus meiner Einschätzung her nicht möglich. Eine europäische Arbeitsvermittlung aufzubauen, Arbeitsagentur aufzubauen, nein. Dafür sind einfach noch die nationalen Unterschiede, die unterschiedlichen Kulturen, die unterschiedlichen Anspruchshaltungen auch der Bürger, die sind einfach noch zu divergent. Das wird auf absehbare Zeit nicht möglich sein nach meiner Einschätzung.

Frenzel: Wenn wir mal auf die Sorgenkinder schauen, auf so ein Sorgenkind wie Griechenland zum Beispiel, haben Sie denn da die Hoffnung, dass man in relativ kurzer Zeit die Dinge so umbauen kann, dass das besser funktioniert, oder sind das Prozesse, für die wir zehn, 15, 20 Jahre denken müssen?

Müller: Nein, so lange, würde ich sagen, nicht. Aber es ist auch nichts, was wir jetzt innerhalb von einem halben Jahr umsetzen können. Wenn ich jetzt mal Griechenland … Ich würde immer den Begriff Sorgenkinder vermeiden, weil da sind einfach spezielle Herausforderungen zusammengekommen, nämlich dass innerhalb einer ganz kurzen Zeit eine unwahrscheinlich große Anzahl an Arbeitssuchenden auf die Verwaltung getroffen ist, dass gleichzeitig Kürzungen vorgenommen werden mussten, sowohl im Personal, aber auch in den Ausgaben, oft auch in den Lohnstrukturen. Und in so einer Situation mit diesem Volumen fertig zu werden, das ist eine immense Herausforderung, da weiß ich nicht, ob es überhaupt irgendeinen Arbeitsmarktdienstleister gegeben hätte, der so etwas ohne Negativschlagzeilen hätte managen können.

Frenzel: Das sagt Wolfgang Müller, der Leiter des Brüsseler Büros der Arbeitsagentur. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

Müller: Sehr gerne, Herr Frenzel, auf Wiederhören!


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