Kommunikation

Wer sagt was, warum - und vor allem: wem?

Eier in Papp-Verpackungen
Bei Lebensmittelskandalen werden etwa Eier noch wochenlang gemieden - auch wenn man den neuen Eiern im Supermarkt eigentlich vertrauen könnte. © dpa / picture alliance / Patrick Pleul
Hans Mathias Kepplinger im Gespräch mit Ute Welty · 18.02.2014
Die Edathy-Affäre zeigt, wie schnell Vertrauensverhältnisse unter Politikern gestört werden können. Wie Vertrauen funktioniert, lässt sich am Beispiel von Lebensmitteln erklären, sagt der Kommunikationsforscher Kepplinger.
Ute Welty: So schnell ist aus einem regulären Koalitionsausschuss ein außerordentliches Krisentreffen geworden. Die Parteivorsitzenden der Großen Koalition sehen dringenden Gesprächsbedarf in der Edathy-Affäre und über ihre Folgen. Einen Ministerrücktritt hat es schon gegeben: Hans-Peter Friedrich von der CSU musste seinen Hut nehmen, weil er SPD-Chef Sigmar Gabriel über internationale Ermittlungen gegen den damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy informiert hat. Friedrich seinerseits setzte sich damit dem Verdacht aus, die Ermittlungen gegen Edathy zu behindern, was kaum seine Absicht gewesen sein dürfte als noch geschäftsführender Innenminister während der Koalitionsverhandlungen.
Wer was warum wann und vor allem wem sagt in einem solchen Zusammenhang, das kann ich jetzt mit dem Kommunikationsforscher Hans Mathias Kepplinger besprechen, dessen Name eng verbunden ist mit dem Institut für Publizistik in Mainz. Guten Morgen, Herr Kepplinger.
Hans Mathias Kepplinger: Guten Morgen, Frau Welty!
Welty: Bleiben wir doch erst mal bei den Punkten 'Wer' und 'Wem'. Auf der einen Seite ein Innenminister, womöglich auf Abruf, auf der anderen Seite ein Parteichef mit Gewicht. Begegnen sich diese beiden Menschen auf Augenhöhe?
Kepplinger: Zunächst muss man davon ausgehen, dass sie sich auf einer Vertrauensbasis begegnen, denn wir müssen uns klar machen: Unser gesamtes Leben beruht auf der Unterstellung von Vertrauen. Das betrifft Vertrauen gegenüber Produkten, zum Beispiel bei Lebensmitteln, und das betrifft Vertrauen gegenüber Personen in unserer Umgebung, zum Beispiel Nachbarn. Wenn wir das nicht unterstellen würden, wäre ein normales Leben eigentlich gar nicht möglich. Dann gibt es natürlich Abstufungen des Vertrauens, meinetwegen in der Familie oder auch in der Politik, und da sind wir bei Friedrich und seinen Kollegen.
Welty: Was macht denn Vertrauen aus, wenn wir uns in einem solchen Kreis bewegen, in einem politischen Kreis?
Kepplinger: Zunächst muss man erkennen: Es gibt Vertrauen in gestaffelter Form. In einem engsten Kreis – bleiben wir mal bei der Familie -, da würde man zum Beispiel schwere Krankheiten nur im engsten Familienkreis erwähnen, das sagt man nicht seinen flüchtigen Bekannten. Der nächste Kreis darum sind dann Freunde, gute Freunde, und dann kommt ein weiterer Kreis, das sind die Berufskollegen, und dann kommt ein noch weiterer Kreis, das sind flüchtige Bekannte, denen würde man eine schwere Erkrankung, eine ernsthafte Sache nie erzählen, vielleicht irgendwie einen lustigen Unfall, aber eben nichts Gravierendes. Und so leben wir in diesen Vertrauenshierarchien und müssen auch lernen, damit zu denken.
Vertrauen kann nur langfristig wieder hergestellt werden
Welty: Wenn wir mal bei dem was bleiben, was diese beiden Menschen, über die ich am Anfang gesprochen habe, nämlich Friedrich und Gabriel miteinander besprochen haben, was sagt das dann über das Verhältnis dieser beiden aus?
Kepplinger: Zumindest ist es jetzt zerstört, und zwar muss man sich klar machen, dass der Bruch eines Vertrauens, wenn überhaupt, nur sehr langfristig wieder hergestellt werden kann. Auch hier noch mal ein Ausflug in die Produktwelt. Lebensmittelskandale lasten sehr lange. Dann essen die Leute eben über Wochen keine Eier mehr, obwohl die Eier, die sie dann kaufen würden, mit den ursprünglich belasteten nichts zu tun haben. Und das gilt natürlich auch in der Politik. Wenn ein solches Vertrauen gebrochen ist, dann werden die Beteiligten sich nichts mehr mitteilen, was wirklich 'unter uns' bleiben muss. Das heißt, eine wirklich intensive vertrauensvolle Kommunikation ist dann nicht mehr wirklich möglich.
Welty: Sie haben diesen Satz gerade schon genannt, der beinahe zwangsläufig am Anfang und am Ende eines solchen Gespräches steht, nämlich der Satz: "Das bleibt aber unter uns". Warum sagt man das in dem fast hundertprozentigen Wissen, dass das Besprochene keineswegs dort bleibt?
Kepplinger: Auch hier würde ich doch unterscheiden wollen. Sehen Sie, es gibt ja Fälle, in denen dieses Vertrauen praktisch jeder Art von Angriff standhält. Das sind wenige Fälle, aber es gibt diese Fälle. Ich nenne ein Beispiel: Als Kohl sein viel kritisiertes Ehrenwort an seine Spender gegeben hat, hat er die ganze CSU-Spendenaffäre lieber durchgestanden, als die Spender zu nennen.
Äußerer Kreis und engerer Kreis
Das sind Einzelfälle, die gibt es, und ich bin überzeugt, es gibt auch in der jetzigen Politik solche Vertrauensverhältnisse. Aber das bleibt auf ganz wenige, sagen wir mal, Paarbeziehungen beschränkt, und dann weiter weg gehend von denen gibt es Vertrauensverhältnisse, da muss man schon damit rechnen, dass etwas durchsickert, aber es ist extrem unwahrscheinlich, bis zu Verhältnissen, wo dann auch Vertraulichkeit zugesichert wird, und es fließen vertrauliche Informationen. Diese Informationen, die dienen aber eher der Wichtigtuerei und der Stiftung von einer gewissen Gemeinschaft und alle gehen davon aus, na ja, so ganz sicher ist das nicht.
Das kann man auch mit Zahlen belegen. Bei einer Befragung von Berliner Korrespondenten habe ich vor einigen Jahren folgendes festgestellt: Die These war, die Journalisten sollten dazu Stellung nehmen, bei Journalisten- und Politikerkontakten müssen beide damit rechnen, dass Informationen aus vertraulichen Gesprächen nach außen gehen. Da sagen die Korrespondenten zu 72 Prozent, das ist so, und die Politiker sehen das genauso. Das heißt, das ist dieser äußere Kreis und den darf man nicht verwechseln mit Spitzenpolitikern, die mit einem engeren Kreis von Freunden zu tun haben.
Welty: Der Mainzer Kommunikationsforscher Hans Mathias Kepplinger über die Macht des Gesagten und des Ungesagten. Ich danke sehr und würde in Zukunft meine Worte noch sorgfältiger wägen wollen.
Kepplinger: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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