Kommunikation im Internet

Wie ein Kind im Süßwarenladen

Ein Laptop mit Social Media Icons auf dem Bildschirm, dahinter Menschen auf der Rollstreppe eines Einkaufszentrums in Hamburg.
Viele Menschen haben soziale Medien fest in ihren Alltag integriert. © picture alliance / dpa / Axel Heimken
Christian Schwarzenegger im Gespräch mit Constanze Lehmann · 07.03.2016
Die Diskussionen in sozialen Netzwerken erinnerten an ein Kind, das unkontrolliert in einen Süßwarenladen gelassen wird, meint Kommunikationswissenschaftler Christian Schwarzenegger. Der Umgang mit den sozialen Medien müsse noch geübt werden.
Kommunikation ist eine so alltägliche Sache, dass wir erst darüber nachdenken, wenn es zu Missverständnissen kommt. Oder zu dramatischen Veränderungen. Vor zehn Jahren hat facebook begonnen, Deutschland zu erobern – inzwischen nutzen rund 28 Millionen Bürger die wohl größte Kommunikations-und Informationsplattform. Zehn Jahre – nicht viel Zeit vergleicht man dies mit Konversation, Briefwechsel, Gespräch, Talkshow und anderen Formaten. Christian Schwarzenegger ist Kommunikationswissenschaftler am Institut für Medien, Wissen und Kommunikation der Universität Augsburg.
Worin unterscheiden sich die Debatten in sozialen Netzwerken von traditionellen?
Schwarzenegger: Ein grundsätzlicher Unterschied ist zunächst mal die Möglichkeit, was finde ich ein ganz wichtiger Faktor ist, sich daraus auch sofort wieder zurückzuziehen, wenn einfach die Stimmung die dort entsteht, oder Meinungen die dort vertreten werden, uns nicht mehr gefallen. Das heißt, die Möglichkeit, die sich in einer online Diskussion bietet, ist eigentlich der sofortige Rückzug bei Missfallen, vielleicht noch mit einem deftigen Kommentar garniert, der die Anderen des Idiotentums zeiht, aber dann bricht es ab und es hinterlässt keine großen Spuren. Sonst sehen wir recht stark in solchen Diskussionsverläufen, gerade in online-foren, auch auf Facebook, dass es relativ wenig argumentative Interaktionen zwischen den verschiedenen Beiträgen gibt.
Soziale Netzwerke sind ein relativ junges Phänomen, brauchen wir einfach Zeit, um reifer im Umgang damit zu werden?
Schwarzenegger: Der Begriff der Reifung den sie verwendet haben, ist einer bei dem ich tatsächlich meine, dass wir es damit noch zu tun haben werden, dass dafür noch Zeit notwendig ist. Auch die Frage, dass wir letztlich eine eigene Grammatik dafür entwickeln, eigene Regeln oder eine eigene Logik in unserem Alltagshandeln, wie wir mit bestimmten Inhalten auf Facebook oder in anderen sozialen Netzwerken umgehen möchten. Wir haben letztlich jetzt eine Situation in der die Kommunikationsmöglichkeiten da sind, wir aus dem technischen Potential schöpfen können, und müssen erst lernen, wie wir eigentlich mit dem Überfluss umgehen sollen, wie wir die Möglichkeiten einsetzen wollen. Teilweise könnte man meinen, die Diskussionen in sozialen Netzwerken verlaufen so als hätte man ein Kind das erste Mal und unbeobachtet in den Süßigkeitsladen gelassen, man stopft sich mit allem voll, man kostet alles aus. Es ist aber ein reifer Umgang, dass man sagen kann, wie viel nasche ich, worauf lasse ich mich ein, was tut es mir, was passiert wenn ich mich überfresse, das ist noch nicht völlig da.
Sie haben online-Plattformen im Zusammenhang mit Studenten-Protesten 2009 in Wien untersucht – sind die Ergebnisse Anlass für Optimismus, was das Handwerk im Umgang mit sozialen Medien betrifft?
Schwarzenegger: Vorsichtig optimistisch vielleicht. Ich denke wir machen sehr häufig den Fehler, vorschnell solche Entwicklungen auch an Generationenfolgen festzumachen, so dass das Begriffsbild der digital Natives zum Beispiel, also Menschen, die damit geboren sind dass es die digitalen Technologien gibt und diese daher automatisch beherrschen. Was wir tatsächlich beobachten können, ist ein Anwendungswissen sehr häufig, das heißt, man weiß wo man in seiner App man klicken muss und man weiß auch, dass man im Alltag lieber nicht darauf verzichten würde. Aber gerade über die Entstehungszusammenhänge, über das was passiert, welche Logik die Algorithmen einbringen, was die Programmieroberflächen überhaupt an Interaktionen für uns ermöglichen, darüber wissen wir auch relativ wenig.
Interessant war bei diesem Beispiel der Studierenden-Proteste, dass es damals auch innerhalb dieser Protestbewegungen Punkte gegeben hat, wo dann dort die Diskussion aufgekommen ist, ist denn eigentlich die Teilhabe nur online, das online mitdiskutieren, das online mobilisieren, das online unterstützen genug oder muss man sich nicht auch materiell beteiligen, vor Ort sein, mit dabei sein. Also es wird hier auch noch einmal neu verhandelt und bewertet, ab wann man eigentlich sagen kann, dass wiederum Erfahrungen authentisch sind und das die Teilhabe an einer Diskussion auch als echte zu bewerten ist.
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