Kommissar Wallander und die Schlechtigkeit der Welt

Von Mirko Schwanitz · 02.03.2009
In Unna wird zum ersten Mal der "Ripper-Award" vergeben. Doch nicht eine Jury, sondern 10.000 Leser entschieden darüber, wer mit dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur geehrt wird. Die Wahl fiel auf Henning Mankell.
Mit einem Fuß im Sand, mit dem anderen im Schnee – so beschrieb der schwedische Kriminal- und Bestsellerautor Henning Mankell einmal sein Leben zwischen den Welten – , zwischen seinem kühlen Heimatland Schweden und der heißen Sonne seiner Wahlheimat Mosambik. Kaum einer weiß, dass dieses Pendeln bereits in jenem abgelegenen nordschwedischen Dörfchen Sveg begann, in dem sich der junge Mankell am Flüsschens Lusnjan die Welt erliest: Reiseberichte von Mungo Park, Stanley oder Livingston. Und so kam es, dass er eines Tages Krokodile sah. Für andere, erinnert sich Mankell heute, waren es nur Baumstämme, für ihn sei das Flüsschen der Kongo gewesen, der durch seine Kindheit floss.

Doch es sollte noch 20 Jahre dauern, bis Henning Mankell nach Afrika kam. Da hatte er bereits Schauspiel studiert, in Stockholm am Riks-Theater gearbeitet und seine ersten zehn Romane geschrieben. Und fast alle verrieten bereits eine Weltsicht, die sich nach der Ankunft auf dem schwarzen Kontinent noch klarer herauskristallisieren sollte: Mankell benutzt das Verbrechen als Spiegel, in dem seine Leser die Welt klarer sehen können.

Was immer ich auch schreibe, sagte er einmal, die Wirklichkeit ist immer noch schlimmer. Nicht meine Fantasie ist brutal, sondern die Realität. Sein ganzes Material beziehe er aus der Wirklichkeit, einer Wirklichkeit, die bisweilen sehr kompliziert und sehr brutal sei.

Seine Geschichten fügt der Autor dabei sehr langsam zusammen, mit jedem Satz, jeder Seite werden sie klaustrophobischer. Wahrheit und Lüge sind oft solange nicht zu unterscheiden, bis auch das letzte Detail seinen Platz im Puzzle gefunden hat. Als 1992 in Rostock Lichtenhagen ein aufgebrachter Mob ein vietnamesisches Asylbewerber-Heim anzündet, liegt einem Lektor des Rowohlt-Verlages das Manuskript eines Krimis auf dem Tisch, in dem ein unerträglicher Kommissar namens Wallander im schwedischen Schonen den Mord an einem alten Ehepaar aufzuklären hat. Es ist ein Buch, in dem sich alles um unterschwelligen Ausländerhass dreht.

Vielleicht aus Angst, mit dem Buch Öl ins Feuer zu gießen, vielleicht aber auch, weil er nicht klarkommt mit der Figur des Wallanders, einem depressiven Menschen, dem der Autor seine eigene Globalisierungskritik wie einen Bleigürtel um die Seele schreibt, stuft der Lektor das Manuskript als durchschnittlich ein und begeht damit den größten Fehler seines Lebens. "Tote ohne Gesicht" erscheint in einem anderen Verlag. Heute, neun Wallander-Romane später, gilt Autor Henning Mankell im deutschen Literaturbewusstsein geradezu als Synonym für spannende Kriminalliteratur.