Kommerziell erfolgreiche Globalisierungskritik

Über den Multikulti-Rocker Manu Chao ist eine faktenreiche Biografie erschienen. Autor Andy Vérol beschreibt Chao’s Gratwanderung zwischen sozialem Engagement und Streben nach kommerziellem Erfolg. Der bemühte Jargon dürfte für Literatur gewohnte Leser allerdings etwas anstrengend sein.
Natürlich bewegt sich Manu Chao legal zwischen Ländern und Kontinenten, ist also kein Clandestino im wörtlichen Sinn eines illegalen Einwanderers. Seine Gratwanderung ist eher die zwischen kommerziellem Erfolg und sozialem Engagement. So jedenfalls beschreibt ihn Andy Vérol in seiner faktenreichen Biografie. Er hat sie in drei Kapitel unterteilt: die Anfänge in Paris bis 1988, die Zeit mit der Band Mano Negra bis 1994 und seine Arbeit als Solokünstler bis heute.

Manu Chao’s Multikulturalität und sein soziales Engagement sind dabei in allen Phasen Thema. Seine Eltern waren spanische Franco-Flüchtlinge, die erste Rockband mit Bruder und einem Cousin ein Versuch, sich mit spanischem Punkrock in der französischen Alternativszene zu integrieren.

Von diesen Anfängen an orientiert sich Vérols Biografie an der Frage: Korrumpiert Erfolg oder bleibt Manu Chao das Idol eines politisch bewussten Musikers, der den Nicht-Privilegierten treuer ist als dem Establishment?

Vérol attestiert Manu Chao Letzteres, freilich nicht ohne den einen und anderen kritischen Blick auf dessen vielfältige Aktivitäten. Deutlich wird, dass Manu Chaos soziales Engagement immer gleichzeitig künstlerische Aktivität war. Bevor er mit seiner ersten Erfolgsband Mano Negra Lateinamerika bereiste und dort andere politischen Bewegungen kennenlernte, absolvierte der Künstler unzählige Auftritte in den ‚Banlieus’ von Paris und anderen französischen Großstädten.

Konzerte allein reichten Manu Chaos Performance-Ideal jedoch nicht aus. Anfang der neunziger Jahre ging er zusammen mit einer Straßentheatertruppe in einem Cargoschiff auf Lateinamerika-Tour. Ein Jahr später zuckelte er mit einem Künstlerzug durch bürgerkriegsgebeutelte kolumbianische Dörfer. Und als Solomusiker organisierte er 1998 in Santiago de Compostela ein sechstägiges ‚Fest der Lügen’ – die Inszenierung einer Parabel mit Musik, Zirkus, Theater und Spielen.

Die Musik für Manu Chao’s erstes Soloalbum "Clandestino" entstand vor allem auf Reisen durch Lateinamerika. Hier und da zu leben, überall mit jedermann zu musizieren, erschien über viele Jahre die ideale Lebensform für den Musiker, der sich erst 2001 in Barcelona niederlässt und sein Privatleben nie öffentlich macht. Auch Andy Vérol weiß wenig über Lebenszeiten, die der Sänger bei den mexikanischen "Zapatistas", mit der brasilianischen Landlosenbewegung oder im Senegal verbringt.

Seine Biografie lebt von einer akribischen Auflistung öffentlicher Auftritte in Form von Studioaufnahmen oder Konzerten. Manchmal, wie als Teil der Anti-Globalisierungsbewegung in Genua, machen sie internationale Schlagzeilen. Die bleiben jedoch selten, denn Manu Chao zieht kreatives Wirken in unterschiedlichen Kontexten dem politischen Showbiz vor, wie beispielsweise seine Teilnahme an einer wöchentlichen Radiosendung aus einer psychiatrischen Anstalt in Buenos Aires zeigt. Deshalb ist es schade, dass der Autor kein einziges Interview mit Manu Chao geführt hat, sondern lediglich ab und an aus anderen Interviews zitiert.

Andy Vérol ist Spezialist für die alternative französische Rockszene. Das prägt auch seine Sprache: sie ist einfach und darum bemüht, den Jargon von Fanzines zu integrieren - anstrengend für einen Literatur gewohnten Leser und ein zusätzliches Problem der Übersetzung, die häufig sehr holperig wirkt.

Die Auseinandersetzung mit der Musik überlässt Vérol einem Hörstudium der mitgelieferten Diskografie. Aus seiner Biografie erfährt man lediglich, dass Manu Chao unterschiedlichste Stile in seiner Musik verarbeitet, von katalanischer Rumba über Reggae und Samba bis zu baskischem Hip-Hop. Und dass er Talent für musikalisches Recycling hat. Die dargestellte Fülle künstlerischer Aktivitäten sowie sein detailliert nachgezeichneter Werdegang ermöglichen dennoch ein tieferes Verständnis des multikulturell orientierten und sozial engagierten Musikers.

Besprochen von Christiane Gerischer

Andy Vérol: Manu Chao der Clandestino
Aus dem Französischen von Gabriela Greif
Hannibal Verlag, 2010
191 Seiten, 14,95 Euro