Kommentar zur NRW-Wahl

Keine Zwangsläufigkeiten

Der Spitzenkandidat der CDU, Armin Laschet, jubelt am 14.05.2017 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) nach der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse auf der CDU-Wahlparty.
Der Spitzenkandidat der CDU, Armin Laschet, freut sich in Düsseldorf über das überraschend gute Wahlergebnis. © picture alliance /dpa /Kay Nietfeld
Von Stephan Detjen · 14.05.2017
CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet hat die Wahl in NRW klar gewonnen. Doch für seine Partei birgt der Triumph nun die Gefahr, dass die eigenen Anhänger den Gewinn der Bundestagswahl als ausgemachte Sache sehen.
Niemand kann sich ernsthaft wünschen, dass in der Politik ein Gesetz der Zwangsläufigkeit gilt. Selbst der pure Anschein, dass mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen auch die Bundestagswahl entschieden ist, wäre gefährlich - für alle Beteiligten.
Auch nach drei Wahlsiegen der CDU in Folge kann sich das Blatt im bundespolitischen Spiel noch einmal wenden. Nicht nur Martin Schulz und die SPD, sondern auch Angela Merkel und die Unionsparteien werden ihren Anhängern diese Botschaft jetzt immer wieder einhämmern. Denn für die Sieger dieses Abends birgt der Triumph zugleich die Gefahr, dass die eigenen Anhänger den Gewinn der Bundestagswahl jetzt als ausgemachte Sache sehen.
Im Saarland trieb das Schreckgespenst eines Bündnisses der SPD mit Lafontaines Linken die CDU Anhänger in die Wahlkabinen. In Schleswig-Holstein und in NRW mobilisierte die Aussicht auf einen kurz zuvor kaum für möglich gehaltenen Wahlsieg die Unionsbasis auf den letzten Metern des Wahlkampfes. Angela Merkel muss sich nun überlegen, wie sie den Spannungsbogen bis zum 24. September noch aufrecht halten will.

SPD-Kanzlerkandidat Schulz unter Druck

Zu viel Siegesgewissheit ist Gift für die eigene Kampagne. Diese bittere Lehre wurde Martin Schulz an diesem Abend erteilt. Vor einer Woche beeilten sich die Sozialdemokraten in Berlin noch, die Schuld für die Niederlage in Schleswig-Holstein allein dem dortigen Amtsinhaber Torsten Albig in die Schuhe zu schieben. Nach drei Niederlagen in Folge aber steht jetzt endgültig der Kanzlerkandidat im Feuer.
Er selbst hatte in der kollektiven Begeisterung nach seiner Nominierung zum Spitzenmann der SPD den sicher geglaubten Sieg im Heimatland Nordrhein-Westfalen als Weichenstellung zur Bundestagswahl stilisiert. Jetzt muss er ganz anders als erhofft belegen, dass der Weg ins Kanzleramt für niemanden auf fest verlegten Gleisen gebahnt ist.
Die Strategie, auf der ersten Etappe der Strecke ganz auf den emotionalen Schub durch eine neue Geschlossenheit der Sozialdemokraten zu setzen und eine sachliche Polarisierung zu vermeiden, hat sich als falsch erwiesen. Unter maximalem Druck muss der Kanzlerkandidat nun beweisen, dass er auch programmatischer Anführer der eigenen, in vielen Sachfragen immer noch tief gespaltenen Partei sein kann. Die Befreiung aus der Defensive erfordert schnelle Festlegungen in der Sozial-, Steuer- und Europapolitik, denen Schulz im Wissen um die drohenden innerparteilichen Auseinandersetzungen bisher aus dem Weg gegangen ist.

Renaissance der schwarz-gelben Koalition?

Einen Hoffnungsschimmer bietet ihm immerhin die letzte Sensation dieses Wahlabends: Die Aussicht auf eine schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf gibt der SPD die Chance, den Wiedergänger des neoliberalen Geistes als die eigentlichen Gegner im Bundestagswahlkampf zu dämonisieren. Viele hatten Schwarz-Gelb bereits endgültig als Phänomen für die Geschichtsschreibung der alten Bundesrepublik abgetan. Angela Merkel indes hatte die FDP auch in den vergangenen Jahren, in denen sie nicht im Bundestag vertreten war, immer wieder als Wunschpartner mit den größten inhaltlichen Übereinstimmungen in Erinnerung gerufen.
In einer bemerkenswerten Führungsleistung hat Christian Lindner die Liberalen tatsächlich wieder bis kurz vor die große Bühne des Bundestages zurückgebracht. In Schleswig-Holstein haben sie bei den morgen beginnenden Sondierungsgesprächen zudem die Chance, als Partner einer ersten [Anm. d. Redakation: auf Landesebene in Schleswig-Holstein, im Saarland hat es bereits eine gegegen] Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen ein neues Kapitel in der Geschichte deutscher Regierungskonstellationen aufzuschlagen.
Für die Politik insgesamt wäre das belebend. Denn bei einer anhaltenden Schwäche der SPD in Verbindung mit einer weiteren Zersplitterung der Parteienlandschaft darf es auf Dauer keine Zwangsläufigkeit zur Bildung Großer Koalitionen geben. In der Demokratie kann auch daran niemand ein Interesse haben.
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