Kommentar zum Grimme-Preis

Haltungsstarke Gewinner, zu wenig bekannt

03:55 Minuten
Der Journalist Georg Restle spricht in ein Mikrofon.
Einer der Ausgezeichneten: der Journalist Georg Restle. © dpa/picture alliance/Christoph Soeder/
Von Brigitte Baetz · 03.03.2020
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Zum 56. Mal zeichnet das Grimme-Institut herausragende TV-Leistungen aus. Gewinner sind mehrheitlich öffentlich-rechtliche Produktionen. Brigitte Baetz fordert von den Anstalten, die ausgezeichneten Beiträge nun auch zu quotenstarken Zeiten zu senden.
Die Grimme-Preis-Vergabe wird auch in diesem Jahr wieder ein Schaulaufen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens sein. 16 Projekte und Menschen werden ausgezeichnet. Sage und schreibe zwölf davon kommen aus den Häusern von ARD und ZDF. Der Filmemacher Heinrich Breloer, dessen ARD-Doku-Dramen TV-Geschichte geschrieben haben, bekommt diesmal die "Besondere Ehrung" des Deutschen Volkshochschul-Verbandes.
Der WDR-Journalist Georg Restle erhält den Preis für "Besondere journalistische Leistungen", stellvertretend für die ganze Monitor-Redaktion – und zwar "für die kontinuierliche und haltungsstarke Berichterstattung über Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus", so die Begründung.
"Haltungsstark", dieses Adjektiv lässt sich grundsätzlich auf die Auszuzeichnenden anwenden. Die großen Themen des Jahres 2019 - Migration, drohende Klimakatastrophe, das politische Auseinanderdriften Europas und der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft – sind in den Produktionen der Preisträger wiederzufinden.

Seenotrettung und Umweltverbrechen

In der deutsch-französischen Serie "Eden" beispielsweise, hergestellt im Auftrag von SWR und Arte, die von Migranten erzählt, die in einem verunsicherten Europa ihren Platz suchen müssen. Im Episodenfilm "The Love Europe Project" von ZDF und Arte geben neun Nachwuchsregisseurinnen und -regisseure dem Alltag in den unterschiedlichen Ländern Europas eine künstlerische Stimme.
Die Dokumentation "Seawatch 3", die ausgezeichnet wird, hat im Auftrag des NDR Kapitänin Carola Rackete und ihr Team bei der Seenotrettung beobachtet. Der ZDF-Dokumentarfilm "Dark Eden" beleuchtet die Umweltverbrechen, die im Zuge der kanadischen Ölgewinnung begangen werden.
Und sogar beim öffentlich-rechtlichen Preisträger in der Kategorie Unterhaltung, der Talkshow "Chez Krömer" vom RBB, ist, bei aller Anarchie des Gastgebers, so etwas wie Haltung zu spüren.

Sendezeit für Aktivisten

Bei so viel Engagement für gesellschaftspolitisch relevante Themen können die kommerziellen Sender naturgemäß nicht mithalten – mit zwei Ausnahmen: Die ungewöhnliche Aktion "Joko & Klaas Live", in der die beiden Entertainer Winterscheidt und Heufer-Umlauf 15 Minuten lang Aktivisten gegen rechts und für die Rettung von Migranten eine Bühne zur besten Sendezeit auf ProSieben einräumten, bekommt einen Preis. Genauso wie die schwule Dating-Show "Prince Charming" von TV Now, dem Video-on-Demand-Angebot der RTL-Gruppe, was beweist, dass die Privatsender wenigstens auf dem Gebiet des Entertainment noch ein wenig Kraft zur Innovation haben.
Was die Fiktion angeht, haben ihnen auf diesem Gebiet längst die Streamingdienste den Rang abgelaufen, was der Grimme-Preis mit drei Auszeichnungen belohnt: mit den Preisen für die Sky-Krimi-Produktion "Der Pass" und für die deutschen Netflix-Serien "Skylines" und "How to sell drugs online (fast)". Auch wenn die Streaming-Anbieter so gut wie keine Abrufzahlen preisgeben: Alle drei Angebote haben es zu einer gewissen öffentlichen Bekanntheit gebracht.
Von vielen der ausgezeichneten Angebote von ARD und ZDF lässt sich das leider nicht behaupten. Es besteht eine große Lücke zwischen dem auszeichnungswürdigen und dem tatsächlich vom Publikum wahrgenommenen Fernsehen.
Es wäre schön, würden die Öffentlich-Rechtlichen dafür mehr Werbung machen – und wäre es nur mit der einen oder anderen Wiederholung zu einer quotenstarken Sendezeit.
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