Kommentar zur Wirtschaftskrise

Investitionen sind nicht immer der richtige Weg

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Ein Mann gießt einen Geld-Baum (Illustration)
Investiert wird oft nicht, um den Ertrag zu genießen, sondern um Wohlstand anzuhäufen - "eine ebenso end- wie seelenlose Optimierung von Aufwand und Ertrag", findet Stephan Kaufmann. © IMAGO / fStop Images / IMAGO / Malte Mueller
Ein Kommentar von Stephan Kaufmann · 18.04.2024
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Staatliche Investitionen sollen die deutsche Wirtschaft ankurbeln und auch sonst gelten Investitionen oft als Lösung. Eine zweifelhafte Denkweise, findet Wirtschaftsjournalist Stephan Kaufmann. Denn sie setze auf Wachstum als Selbstzweck.
Wenige Tätigkeiten haben einen derart guten Ruf wie das Investieren. Investitionen in grüne Technologie sollen den Klimawandel aufhalten, die Zukunft unserer Kinder wird mit Bildungsinvestitionen gewonnen und unser aller Sicherheit mit Rüstungsinvestitionen. Auch die Privatsphäre bleibt nicht verschont: Das christlich inspirierte Projekt „Lifelong Love“ rät Frischvermählten, frühzeitig in ihre Paarbeziehung zu investieren. Und eine große Wochenzeitung meldet: Wer Stress bekämpfen will, muss mehr in seine innere Ruhe investieren – ein bisschen Omm und autogenes Training reichen da nicht.
Vor allem in der politischen Debatte haben Investitionen derzeit Hochkonjunktur. Sie sollen unseren Reichtum und den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern, für den es derzeit eher mau aussieht wegen – was sonst? – jahrelang vernachlässigter Investitionen. Manche ansonsten sparsame Politiker träumen geradezu von einem Investitionsrausch und sind dafür sogar bereit, die Schuldenbremse zu lockern – Hauptsache, das Geld wird nicht für sogenannte konsumtive Ausgaben wie zum Beispiel Sozialleistungen aus dem Fenster geworfen.

Investitionen als Gegenteil von Konsum

Doch was ist eigentlich eine Investition? Und was unterscheidet sie von ihrer vermeintlich bösen Schwester, der konsumtiven Ausgabe? Beide, Konsum und Investition, sind Formen der Geldausgabe. Der Konsum allerdings hat einen schlechten Ruf: zu konsumieren bedeutet, etwas zu verbrauchen, also quasi zu zerstören. Worte wie Konsumrausch, Konsumzwang und -gesellschaft benennen nichts Positives.
Ganz anders die Investition! Sie gebiert Wohlstand. Kauft man sich zum Beispiel ein Auto, um in den Urlaub oder zum Supermarkt zu fahren, ist es nach einigen Jahren verbraucht und wird verschrottet. Das ist Konsum. Eine Investition hingegen läge vor, wenn man ein Auto kauft, um Taxifahrten anzubieten. Auch dieses Auto wird gefahren und irgendwann verschrottet. Bis dahin aber hat es Geld eingespielt – und zwar mehr Geld eingespielt, als es gekostet hat. Andernfalls wäre es eine teure Fehlinvestition gewesen – ein Fehlschlag.

Umstrittene Schulden

Der Konsum macht also ärmer, das Auto ist gekauft, das Geld ist weg und das Auto irgendwann auch. Die Investition dagegen macht reicher. Ihr Zweck liegt im Wachstum, das sich an der Investitionsrendite misst, also am Vergleich der Kaufsumme mit den Einnahmen.
Das Problem dabei ist nur: Ob sich eine Ausgabe als Investition bewährt, lässt sich im Moment des Kaufs gar nicht bestimmen. Denn die erwarteten Erträge liegen ja in der Zukunft, sind also reine Hoffnungswerte. Ein Privatmensch mag sich ein Auto kaufen, ein Unternehmen eine Maschine oder der Staat eine Autobahn – ob sich diese Anschaffungen aber rentieren, ob sie also künftig mehr Geld einspielen als sie gekostet haben, das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Von daher ist es kein Wunder, dass unter Ökonomen heftig darum gestritten wird, was denn genau eine Investition ist, für die die Politik auch Schulden machen darf.
Hinzu kommt: Investitionen nicht nur eine unsichere Sache. Sondern auch ziemlich fordernd. Denn sie zielen auf Verwertung. Wer Bildung eine „Investition in unsere Kinder“ nennt, der zielt nicht auf klugen oder gebildeten Nachwuchs, sondern auf eine Aufwertung von Humankapital, das sich am Arbeitsmarkt erfolgreich verkaufen muss – um die Bildungsausgaben mit einer Rendite zu rechtfertigen. Die Investition ist eine Forderung an die Zukunft, eine Forderung an uns alle, das bezweckte Wachstum auch zu erwirtschaften. „Investition“, das ist das Ideal einer Wirtschaft, in der das Wachstum Selbstzweck ist. Sie ist das Ideal einer Welt, in der nicht gearbeitet wird, um zu konsumieren und zu genießen, sondern um immer mehr Wohlstand anzuhäufen. Eine ebenso end- wie seelenlose Optimierung von Aufwand und Ertrag.
Wer Stress bekämpfen will, sollte also vielleicht nicht noch mehr in seine innere Ruhe investieren, sondern sich einfach mal zurücklehnen und ausatmen.
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