Kommentar für AfD-Verbot

Mit allen Mitteln gegen Rechtsextremismus – bevor es zu spät ist

04:35 Minuten
Vor dem Bundeskanzleramt hat die Künstlergruppe "Zentrum für Politische Schönheit" eine Installation aufgebaut, die Abgeordnete der AfD hinter Gittern zeigt.
Vor dem Bundeskanzleramt hat die Künstlergruppe "Zentrum für Politische Schönheit" im November 2023 eine Installation aufgebaut, die Abgeordnete der AfD hinter Gittern zeigt. © picture alliance / Pic One / Christian Ender
Von Bijan Moini · 03.01.2024
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Die AfD-Landesverbände von Sachsen und Thüringen wurden vom Verfassungsschutz bereits als "gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Höchste Zeit, ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen, sagt der Jurist Bijan Moini.
Laut Artikel 21 des Grundgesetzes kann das Bundesverfassungsgericht verfassungswidrige Parteien verbieten. Doch im Fall der AfD überwiegen in der öffentlichen Debatte die Stimmen gegen ein Verbotsverfahren, mit meist schwachen, teils sogar gefährlichen Argumenten.
So heißt es zum Beispiel immer wieder, die AfD sei „zu groß“ für ein Verbot geworden. Wenn man sie verbiete, würden sich erhebliche Teile der Bevölkerung von der Demokratie entfremden. Diese Sorge ist sicher berechtigt. Doch das große Wählerpotenzial der AfD zeigt, dass diese Entfremdung längst stattgefunden hat. Und die Gefahr für die Demokratie, die von einer verfassungswidrigen Partei ausgeht, ist allemal größer.

Rechte Hetze ist im Netz Alltag geworden

Dazu müssen wir gar nicht auf die Erfahrung mit der NSDAP zurückblicken. Die AfD ist durch die Stimmung, die sie erzeugt, für viele Menschen längst gefährlich. In den ersten drei Quartalen 2023 gab es bereits mehr Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte als im gesamten Jahr 2022.

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Politisch Andersdenkende müssen in Teilen Deutschlands um Leib und Leben fürchten. Rechte Hetze im Netz ist alltäglich geworden. Die Folgen einer Regierungsbeteiligung der Partei in den Ländern oder gar im Bund wären erst recht verheerend – für Geflüchtete und andere Minderheiten, für Grüne und Linke, für das Wahlrecht und das Bundesverfassungsgericht, für die Außenpolitik und die EU.
Diese Gefahren wischen die Gegner*innen eines AfD-Verbots zu lapidar beiseite. „Jedes Volk bekommt am Ende die Parteien, die es verdient“, schreibt etwa der Publizist Albrecht von Lucke. Warum aber sollen Minderheiten leiden, weil die breite Masse bestenfalls gleichgültig war?

AfD verstärkt rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung

Häufig wird gegen ein AfD-Verbot auch eingewandt, es würde nichts ändern an den rechtsextremen Einstellungen in der Bevölkerung. Natürlich nicht. Doch dieses Argument übersieht, wie sehr die AfD, gerade weil sie eine Partei ist, rechtsextreme Einstellungen in der Bevölkerung verstärkt. Sie bekommt Geld vom Staat für Angestellte, Kampagnen und Veranstaltungen, sie hat zuhauf Mandate und dadurch Plattformen und Presserelevanz.
Das bräche alles weg, würde sie verboten. Der Diskurs – und nach ihm die Einstellungen – könnte wieder etwas in die Mitte wandern, auch weil die Union weniger Druck nach rechts außen spürte.

Viele wählen die AfD aus Überzeugung

Viele wenden außerdem ein, man solle die Partei besser politisch bekämpfen, statt sie zu verbieten. Doch kann das wirklich gelingen? Zehn Jahre lang wurde die AfD geächtet und bekämpft – trotzdem steht sie heute stärker da als je zuvor. Auch die Strategie, ihr durch eine migrationsfeindliche Rhetorik und Politik beizukommen, ist krachend gescheitert. Zu viele Menschen wählen die Partei längst aus Überzeugung. Und die vielen tatsächlichen und herbeigeredeten Krisen unserer Zeit böten selbst dann noch genügend Stoff für rechtsextreme Untergangserzählungen, wenn alle anderen Parteien sie konzertiert und engagiert bekämpften – was derzeit ohnehin utopisch scheint.
Der Kampf gegen extremistische Parteien ist asymmetrisch. Genau deshalb gibt das Grundgesetz die Möglichkeit, sie zu verbieten. Sollten die Voraussetzungen für ein Verbot erfüllt sein – also der AfD insbesondere ein kämpferischer Plan zur Beseitigung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung nachweisbar sein – dann muss ein Verbotsantrag gestellt werden.

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Parallel dazu ist sie trotzdem politisch zu bekämpfen. Und es muss durch Gesetzesänderungen verhindert werden, dass die Partei als stärkste Fraktion in einigen Landesparlamenten deren Arbeit sabotiert oder im Falle einer Regierungsbeteiligung flugs das Bundesverfassungsgericht umbaut und das Wahlrecht zu ihren Gunsten ändert. Es gehören eben alle Instrumente auf den Tisch – bevor es für ihren Einsatz zu spät ist.

Bijan Moini ist Rechtsanwalt und Politologe und leitet das Legal Team der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Nach dem Rechtsreferendariat in Berlin und Hongkong arbeitete er drei Jahre für eine Wirtschaftskanzlei. Dann kündigte er, um seinen Roman „Der Würfel“ zu schreiben (2019, Atrium). 2022 erschien von ihm bei Hoffmann und Campe „Unser gutes Recht. Was hinter den Gesetzen steckt“ – ein anekdotischer Überblick über das, was unsere Gesellschaft zusammenhält.

Bijan Moini
© Thomas Friedrich Schäfer
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