"Komm ins Offene, Freund!"

Moderation: Wolfgang Seifert |
Anders als der gleichaltrige Bertolt Brecht ist Hanns Eisler noch nicht zum Klassiker empor stilisiert, oder, um Ernst Bloch zu zitieren, "zur Kenntlichkeit verändert" worden. Selten nur wird er aufgeführt, und selbst bei vielen, die ihn kennen, ist er umstritten. Den einen ist seine Instrumentalmusik zu abstrakt, den anderen sind seine Massenlieder und Songs zu primitiv.
Arnold Schönberg hat Eisler, neben Alban Berg und Anton Webern, zu seinen drei begabtesten Schülern gerechnet. Die Nazis trieben ihn in die Emigration. Die amerikanischen Kommunistenjäger haben ihn verhört und ausgewiesen. Und die DDR, wo er endlich seine Heimat gefunden zu haben glaubte, erstickte das "Faust"-Opernprojekt ihres Nationalhymnen-Komponisten buchstäblich im Keim.

Zeitlebens saß dieser Mann zwischen den Stühlen. Doch trotz seines umtriebigen Lebens hinterließ er ein gewaltiges, noch kaum erschlossenes Œuvre. Wer war Hanns Eisler? Die "Lange Nacht" geht dieser Frage nach, mit zeitgeschichtlichen Tondokumenten und viel Musik.


Hanns Eisler wurde als Sohn des Wiener Philosophen Rudolf Eisler, der zur Zeit seiner Geburt als Dozent in Leipzig tätig war, geboren. Eisler wuchs in Wien auf, zog aber 1926 nach Berlin. 1933 bis 1948 verbrachte er sein Leben im Exil, zunächst in Österreich, dann in Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Belgien, Großbritannien, Mexiko und zuletzt in Santa Monica, Kalifornien, USA. Im Rahmen der Verfolgungen von Kommunisten während des Kalten Kriegs in den USA wurde Hanns Eisler aufgrund von Zeugenaussagen seiner Schwester Ruth Fischer vor dem Komitee für unamerikanische Aktivitäten wegen "unamerikanischer Umtriebe" angeklagt. So musste er die USA verlassen und kehrte 1948 nach Ostdeutschland zurück.
Biografie von Hanns Eisler


Eisler gelang es, die gesellschaftliche Isolation der modernen Musik zu durchbrechen und Werke zu schreiben, die auf der Höhe der Zeit sind und zugleich die Zeitgenossen zu erreichen vermögen. Große Teile seines Schaffens verstehen sich in bewusstem Bezug auf Funktionen und auf andere Künste als "angewandte Musik". Wohl sein wichtigster Partner war Bertolt Brecht, mit dem er bis zu dessen Tod zusammenarbeitete.
Umfangreiche Seite über das Leben und Werk von Hanns Eisler, enthält auch eine Filmografie.


Internationale Hanns Eisler Gesellschaft
Eisenbahnstr. 21
10997 Berlin
Telefon (030) 612 884 61
Fax (030) 612 804 63


Auferstanden aus Ruinen war die Nationalhymne der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Der Text der Hymne stammt von Johannes R. Becher, die Melodie komponierte Hanns Eisler. In den 1950er- und 1960er-Jahren gehörte die Nationalhymne in der DDR zum Alltag.
Über die Musik von Hanns Eisler (Englischsprachige Seite)


Die Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, 1950 unter dem Namen Deutsche Hochschule für Musik gegründet, befindet sich in der historischen Mitte Berlins am Gendarmenmarkt, unmittelbar hinter dem Konzerthaus Berlin.


Eisler und Brecht

1929 begann Eislers Zusammenarbeit und Freundschaft mit Bertolt Brecht, die bis zu dessen Tod 1956 andauern sollte. Brecht schätzte den belesenen, streitbaren, witzigen Eisler als für seine Arbeit fast unentbehrlichen Partner.

Als Brecht im Oktober 1948, aus dem amerikanischen Exil kommend, wieder in Berlin eintrifft, liegt die Stadt in Trümmern. Aber das Theater am Schiffbauerdamm ist wie durch ein Wunder unzerstört geblieben. Hier will er seine im Exil geschriebenen großen Stücke wie die "Mutter Courage", den "Puntila" und den "Galilei" selbst inszenieren und sein episches Theater gegen den von Moskau verordneten pathetischen Naturalismus durchsetzen. Gemeinsam mit Helene Weigel, Hanns Eisler, Ernst Busch und Paul Dessau gründet er das Berliner Ensemble.


Der Fall Eisle: Hintergründe eines Geschwisterkrieges

Im Mai 1947 schrieb Richard Nixon, Mitglied im Komitee für unamerikanische Tätigkeit, der "Fall Eisler" sei der wichtigste Fall, der je vor dieses Gremium des amerikanischen Repräsentantenhauses gekommen sei. Er meinte die antikommunistische Kampagne gegen den Journalisten Gerhart Eisler und dessen Bruder, den Komponisten Hanns Eisler. Obwohl sich Prominente wie Charlie Chaplin, Thomas Mann und Pablo Picasso für den Komponisten einsetzten, gingen die Verhöre und Verhaftungen weiter.

Wie es 1947 dazu kommen konnte, dass Gerhart und Hanns Eisler von ihrer eigenen Schwester, der früheren KPD-Führerin Ruth Fischer, in den Vereinigten Staaten angeklagt wurden, blieb lange ein Rätsel.


"Pressesprecher" der ersten DDR-Regierung
Gerhart Eisler, Bruder des Komponisten Hanns Eisler, war bereits 1918 in die Kommunistische Partei Österreichs eingetreten. Ab den 20er Jahren schickten ihn dann die KPD und die Komintern im Parteiauftrag rund um den Erdball. Als der welt- und redegewandte Eisler 1949 unter abenteuerlichen Umständen aus dem US-amerikanischen Exil nach Ost-Berlin zurückkehrte, avancierte er fast augenblicklich zum Chefpropagandisten der DDR. Erst jetzt erscheint die erste Biographie über Eislers bewegtes Leben, das 1968 endete.
Der Schriftsteller und Dramatiker Bertolt Brecht auf einem undatierten Archivbild.
Der Schriftsteller und Dramatiker Bertolt Brecht© AP