Komik und Tragik aus der deutschen Provinz

Rezensiert von Hannelore Heider · 16.08.2006
Die bayerische Komödie "Wer früher stirbt, ist länger tot" zeigt die Geschichte eines Jungen, der nach dem Tod seiner Mutter versucht, ein besserer Mensch zu werden. Auch "Emmas Glück" spielt auf dem Dorf, wo Jürgen Vogel als krebskranker Autohändler auf dem hochverschuldeten Bauernhof von Emma landet.
"Wer früher stirbt, ist länger tot"

Deutschland 2006, Regie: Markus Rosenmüller
Darsteller: Markus Krojer, Fritz Karl, Jule Ronstedt, Jürgen Tonkel, Saskia Vester u.a. FSK: ab 6 Jahre


Rosenmüllers Erstlingsfilm wurde im Juli auf dem Filmfest München in der Kategorie "Beste Regie" mit dem Förderpreis Deutscher Film ausgezeichnet.

Er dirigiert ein zutiefst bayrisches Ensemble charaktervoller Sonderlinge durch eine Heimatkomödie, mit der jeder Nicht-Bayer seine Not hat, aber nur, was die Sprache angeht. Denn auch, wenn man nicht alles versteht, reißt einen die Geschichte um einen 10jährigen Bub, der versucht unsterblich, oder wenigstens ein besserer Mensch zu werden und dabei alles nur noch schlimmer macht, zunehmend zu Lachtränen hin.

Sebastian hat durch seinen älteren Bruder im Streit Bruder erfahren, dass er an dem Tod seiner Mutter Schuld sein soll. Wohl nur ein Kind aus tiefster Provinz lässt sich in dem Alter noch so böse und naiv übertölpeln, aber eigentlich hat er ja auch keinen Vater mehr. Der Mann (Fritz Karl) ist nach dem Tod seiner Frau depressiv und hat mit seiner Kneipe genug zu tun.

Sebastian ist also auf sich allein gestellt oder auf halbseidene Ratgeber, wie die Stammtischrunde in der Kneipe und einen Radiomoderator (Jürgen Tonkel), der auf hohem Berge eine Art psychedelische Seelenmassage mit Musik für sein Stammpublikum zelebriert.

Sebastian nimmt die Ratschläge der Erwachsenen einfach wörtlich und versucht, sie eins zu eins in die Tat umzusetzen, woraus ein Großteil der Komik dieses Filmes besteht. Dazu kommt die, vielleicht ja nur leicht übersteigerte, bayrische Lebens- und Mundart, die mit ihrem handfesten Humor und zupackender Erotik für den Rest Deutschlands immer bizarre Anziehungskraft besitzt. Nicht zuletzt ein Schuss magischer Realismus (die Hölle gibt es wirklich und natürlich gibt die tote Mutter aus dem Jenseits ihrem Sebastian deutliche Zeichen) tut sein übrigens, um eine an kuriosen Einfällen übervolle, vor allem auch von Kinderdarsteller Markus Krojer lebendig gespielte und mit einer schönen Liebesgeschichte garnierte Heimatkomödie zu zaubern.

"Emmas Glück"

Deutschland 2006, Regie: Sven Taddicken, Hauptdarsteller: Jördis Triebel, Jürgen Vogel, FSK: ab 12 Jahre

Auch wenn die Verwurzelung der Filmheldin geografisch nicht so deutlich auszumachen ist, wie die der Helden in der bayrischen Komödie "Wer früher stirbt, ist länger tot", wird schon mit der ersten Szene klar, wie tief verbunden Bäuerin Emma mit ihrem Familienerbhof und den Tieren, die mit ihr darauf leben, ist.

Emma ist eine der letzten ihres Schlages und verteidigt diesen Status mit wilder Entschlossenheit. Notfalls greift sie auch zum Gewehr, um zu verhindern, dass der überschuldete Hof versteigert wird, samt den Schweinen und Hühnern, zu denen sie ein ebenso praktisches wie zärtliches Verhältnis hat.

Eintreiber ist ausgerechnet ihr Verehrer, Dorfpolizist Henner (Hinnerk Schönemann) und alles ginge dann wohl auch seinen Gang, wäre nicht eines Nachts ein Mann vom Himmel gefallen. Der Zuschauer kennt ihn (aus einer Parallelreportage) schon: Es ist Max, Autoverkäufer und Todeskandidat, denn er hat gerade die finale Krebsdiagnose erhalten und sich in Panik mit einem gestohlenem Auto und viel geklautem Geld ins Nirgendwo abgesetzt. Das Nirgendwo ist für den Rest der Geschichte Emmas Hof. Wir erleben eine fast idyllische Liebesgeschichte und das so gewitzte wie erfolgreiche Wirken der Liebesleute, um die Polizei hinters Licht zu führen und den Hof zu retten.

Aber irgendwann gilt es Abschied zu nehmen, denn soviel Märchenhaftes in dem Film (nach dem Erfolgsroman von Claudia Schreiber) auch ist, erzählt wird eine Geschichte über Liebe und Tod und zwar konsequent bis zum Ende. Sie aber auf eine strittige Lektion in Sachen Sterbehilfe zu reduzieren, würde dem Kinoerlebnis nicht gerecht werden, das handfeste Komik mit ernsthafter Rührung genial verbindet, woran natürlich vor allem die beiden Hauptdarsteller großen Anteil haben. Die junge Theaterschauspielerin Jördis Triebel ist hinreißend in ihrer ersten Kinorolle, Jürgen Vogel spielt leise und unaufgeregt neben ihr, immerhin einen Sterbenden!