Kolumbianische Küstenstadt Turbo

Wo sich das Schicksal vieler Flüchtlinge entscheidet

Flüchtlinge werden von der kolumbianischen Marine nach ihrer Rettung in Turbo an Land gebracht.
Flüchtlinge werden von der kolumbianischen Marine nach ihrer Rettung in Turbo an Land gebracht. © dpa / picture alliance / Armada Nacional / EFE
Von Johannes Kulms · 06.07.2016
Flüchtlinge aus Kuba, Afrika und Asien versuchen durch Mittelamerika in die USA einzureisen. Der kolumbianische Ort Turbo wird auf der langen Reise für viele Menschen zum Schicksalsort.
Es ist schwül und stickig in der Lagerhalle. Die Wände sind kahl und weiß, das Licht ist grell.
Das rund 50 Meter lange und etwa 15 Meter hohe Gebäude an einer dunklen, leicht nach Schwefel riechenden Anlegestelle am Golf von Urabá ist erst wenige Tage zuvor zum neuen Zufluchtsort für rund einhundert Migranten geworden - die meisten von ihnen kommen aus Kuba.
Verstreut sitzen und liegen sie an diesem Abend auf Isomatten am Boden. Viele sind glücklich, dass sie nun erstmal ein Dach über dem Kopf haben.
"Ich fühle mich gerade, als ob ich schweben würde. So, als hätte ich Drogen genommen - nur habe ich das nicht. Mein Herz ist voller Freude, ich wusste immer, dass wir es schaffen werden."
Sagt Nelson, ein Kubaner Ende 50 mit Brille. Sein sonst oft so streng wirkender Gesichtsausdruck ist an diesem Abend einem breiten Grinsen gewichen.

"Wenn alles gut geht, sind wir bald in den USA"

Neben ihm sitzt seine Frau Mayi, eine kleine, zierliche Person mit Kopftuch - und einer resoluten und mitreißenden Art, zu reden:
"Mir ist heiß. Aber mir geht es gut. Ich fühle mich stark und die letzten Neuigkeiten sind sehr ermutigend. Wir sehen, dass die Hilfe langsam in Gang kommt und wir nicht alleine sind. Wenn alles gut geht, sind wir bald in den USA."
Zwei Tage davor sah alles noch ganz anders aus. Stundenlang hatten Mayi und Nelson mit dutzenden weiteren Kubaner im Stadtzentrum von Turbo 30 Polizeibeamten gegenübergestanden. Die waren gleich mit zwei Lastwagen angerückt. "Die wollen uns deportieren, zurück schicken!" glaubten viele der Migranten.
Sie wolle lieber sterben beim Versuch, in die USA zu kommen, als in ihr Heimatland zurückzukehren, ruft Mayi den Beamten entgegen. Wie so viele sind auch sie und ihr Mann getrieben von der Angst, dass die USA ihre großzügigen Einreiseregelungen für Kubaner bald beenden könnten.

Keine Direktverbindung in die USA

Bevor Mayi und Nelson nach Turbo gekommen sind, haben beide bereits ein Jahr in Ecuador gelebt – für viele Kubaner eine wichtige Etappe auf dem Weg in die USA: denn direkte Flug- und Fährverbindungen zwischen Kuba und der USA gibt es bisher noch nicht.
Die allermeisten versuchen sich deshalb auf dem mehr als 5.000 Kilometer langen Landweg durchzuschlagen. Und sind dabei oft rücksichtslosen Schleppern ausgeliefert, den coyotes.
Vielleicht müssen wir hier ein paar Wochen warten, vielleicht aber auch ein paar Monate, ist das Ehepaar überzeugt. Aber wir haben Geduld. Und ein bisschen ist das ja wie Urlaub hier, meint Mayi und lacht. Sie ist seit rund zehn Jahren krebskrank und trägt unter ihrem Kopftuch eine Perücke.
Die Frage ist: Wird Turbo, die stickige 170.000 Einwohner-Stadt an der Karibikküste, für sie zur Durchgangsstation oder zur Endstation? Fliegt Kolumbien die gestrandeten Kubaner aus in Richtung Norden oder schicken die Behörden sie zurück? Fest steht jedenfalls: sie sitzen hier fest, weil gleich mehrere zentralamerikanische Staaten ihre Grenzen für die Migranten geschlossen haben - zuletzt Panama am 9. Mai.

Auch Migranten aus Afrika und Asien landen hier

Doch es sind längst nicht nur Kubaner, die hier stranden. Der Golf von Urabá und der nur schwer durchdringliche Dschungel im Grenzgebiet zu Panama wird auch zum Nadelöhr für Migranten aus dem Kongo, Ghana, dem Senegal oder aus Nepal und Bangladesh.
Vor der örtlichen Migrationsbehörde wartet jeden Tag auch eine große Gruppe Haitianer. Einer von ihnen ist der 23-jährige Vincent:
"Wir haben kein Geld mehr, um im Hotel zu schlafen und das Essen zu zahlen. Das Problem ist, dass die Leute hier in der Behörde uns nicht die Papiere geben wollen, damit wir weiter nach Panama reisen können. Ohne die Papiere kann man aber nicht fahren."
Ob mit oder ohne Papiere - viele versuchen es dennoch, reisen schnell weiter von Turbo aus. In einem Motorboot, in dem auch viele Touristen sitzen, geht es über den Golf von Urabá in den idyllischen Küstenort Capurganá.

Hoffen auf eine politische Lösung

Von hier sind es nur noch ein paar Kilometer nach Panama – am einfachsten zu erreichen über den Seeweg. Doch der kommt für die meisten der Migranten nicht in Frage. Sie legen ihr Leben jetzt in die Hände von Schleppern, die versprechen sie durch den Urwald bis nach Panama zu schleusen. Ein Marsch über mehrere Tage, der für die Migranten immer wieder tödlich endet.
Zurück in der Lagerhalle von Turbo, die inzwischen aus allen Nähten platzt. Die Kubaner hoffen weiter auf eine politische Lösung und appellieren an die Regierung in Kolumbien, sie weiter reisen zu lassen.
Für Nelson und Mayi ist es dafür zu spät: Sie sind mittlerweile von den Behörden abgeschoben worden in das Land, über das sie eingereist waren - nach Ecuador.
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