Kollegahs neues Album "Alphagene II"

Boss, Alphamann und Alphaboss

08:41 Minuten
Der Rapper Kollegah sitzt in einem Tonstudio hinter einem Mikrofon.
Seine Konzertauftritte sind zur Zeit stets von Protesten jüdischer Gruppen begleitet. Auf dem neuen Album hält sich Kollegah mit antisemitischen Texten zurück. © picture alliance / dpa / Matthias Balk
Jens Balzer im Gespräch mit Vivian Perkovic · 13.12.2019
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Der deutsche Rapper Kollegah wurde mit extrem schnellen Reimen berühmt – und noch berühmter durch ein Album, dem Holocaust-Verharmlosung vorgeworfen wurde. Nun ist sein neues Album "Alphagene II" erschienen: Unser Kritiker sagt, es sei monotone Prahlerei.
Das neue Album "Alphagene II" des Deutsch-Rappers Kollegah handele im wesentlichen von ihm selbst, sagt der Musikjournalist Jens Balzer. Er sei der Größte, das vermittle er seinen Hörern in allen 24 Stücken auf dem Album: "Er ist ist der Boss, der Alphamann, aber auch der Alphaboss. Er fährt das teuerste Auto, nämlich einen Maybach. Er trägt die teuersten Mäntel aus, Weißfuchsschwanzpelz. Er hätte es vom Dealer zum Star gebracht."
Alle, die ihn vom Thron stoßen wollten seien lediglich "schwule Bastarde" oder "Fotzen", fasst Balzer zusammen. Eines unterscheide Kollegahs Album allerdings von denen anderer Deutsch-Rapper, sagt Balzer: das gelegentliche Prahlen mit humanistischer Bildung.
Der Rapper Kollegah blickt in die Kamera.
Der Rapper Kollegah beherrscht sein Viertel und vollzieht die tägliche Schutzgelderpressung mit Finesse, prahlt er auf seinem neuen Album.© picture alliance / dpa / Matthias Balk
Ein Stück trage den lateinischen Titel "Veni, vidi, validus", den er dann falsch mit "ich kam, sah und dominierte" übersetzt. Richtig müsse es "ich kam, sah, gesund" oder "ich kam, sah, kräftig" heißen. Diese Kleinigkeit gehe an Kollegahs Publikum aber vermutlich ohnehin vorbei, meint Balzer.

Epigonen werden scheitern

In dem Stück "Renaissance" erläutere Kollegah all jenen Rappern, die ihn zu kopieren versuchten, das diese Versuche zwangsläufig scheitern müssten, da es sich bei ihm um ein Universalgenie handle. "Nicht jeder, der in der Lage ist 'nen Pinsel zu führ'n, kann Da Vinci kopier'n", heißt es in dem Stück.
Auf dem neuen Album halte er sich mit politischen Aussagen, Anspielungen oder auch nur irgendwie inkorrekten Gags deutlich zurück. Es gebe nur ein paar Anspielungen, die seine Fans zu deuten wüssten, vermutet Balzer: wenn zum Beispiel von den Türmen des Bankensystems die Rede sei, unter denen die Menschen geknechtet würden.
Das war beim Album "Jung, Brutal und Gutaussehend 3" noch anders – der Grund für den Echo-Skandal 2018 war ja der Vorwurf, das Werk beinhalte antisemitische Texte.

Keine antisemitischen Texte

Seine Konzerte seien von Protesten vor allem jüdischer Gruppen begleitet, berichtet Balzer. Die negative Aufmerksamkeit für Kollegah sei zur Zeit erheblich, einige Konzerte seien auch abgesagt worden: "Er hat sich offenbar darum entschieden, in puncto Antisemitismus mal eine Pause einzulegen", sagt Balzer.
Auch mit Gewaltfantasien und Rassismus halte sich Kollegah auf dem neuen Album deutlich zurück. Homophobie und der übliche rohe Sexismus seien aber weiterhin durchgängig darauf zu finden.
Eine Ballade, eine Art Liebeslied, widmet er seiner Frau, sagt Balzer. In dem Stück mit dem lateinischen Titel "Infinitum" beschreibe Kollegah, was er an seiner Frau toll finde. Sie nehme viel Rücksicht und nehme sich zurück, damit er glücklich sein könne.
Sein größter Stolz sei aber, dass sie seinen Namen angenommen habe – und dafür bedanke er sich bei Frau Kollegah, indem er eigener Aussage zufolge seine Familie verteidige wie ein Clanpate.
"Ich geh' raus in den Krieg und ich weiß, du bist daheim /
Die ganze Nacht wach, betest für mich"
Vielleicht finde man in diesen beiden Zeilen von "Infinitum" das Selbstverständnis von Kollegah als Künstler und als Mann verdichtet, spekuliert Balzer.
(nh)
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