Kolbow: US-Raketenabwehrsystem höchst problematisch
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Walter Kolbow, sieht durch das geplante US-Raketenabwehrsystem die europäische Sicherheitsarchitektur gefährdet. Die Stationierung des Systems in Polen und Tschechien breche zwei Länder aus der EU, sagte Kolbow.
Marie Sagenschneider: Noch ist man in den USA nicht so recht über das Planungsstadium hinaus. Aber das Raketenabwehrsystem, über dessen Einrichtung in Europa mit Tschechien und Polen verhandelt wird – immerhin das schon -, das sorgt in Deutschland für einige Aufregung, für einen handfesten Streit innerhalb der Großen Koalition, und wird heute auch den Bundestag beschäftigen. Während Angela Merkel nach ihrem Besuch in Polen die Devise ausgegeben hat, Raketenabwehrsysteme müssten im Rahmen der NATO diskutiert werden, hatte SPD-Chef Kurt Beck das Projekt rundheraus abgelehnt mit der Begründung, eine neue Spirale des Wettrüstens müsse unbedingt verhindert werden. Dem folgte umgehend Protest aus der Union, die der SPD vorwarf, sich als Friedenspartei profilieren zu wollen, aber nicht jeder in der SPD teilt auch die Ansicht von Kurt Beck. Walter Kolbow ist stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und nun am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen Herr Kolbow!
Walter Kolbow: Guten Morgen!
Sagenschneider: Wie steht es mit Ihnen, halten Sie es da mit Ihrem Parteivorsitzenden oder nicht?
Kolbow: Ja, ich halte es mit meinem Parteivorsitzenden, denn er muss zurecht annehmen, dass die Amerikaner die berechtigte Forderung, das in die NATO zu nehmen, diese geostrategische Raketenabwehrentscheidung der Amerikaner mit Polen und Tschechien, ablehnen, und dann haben wir Alleingänge, und dann hätten wir eine Trennung in Europa, so bisherige Einlassungen. Und deswegen muss man das im Zusammenhang mit dem multilateralen Geist auch des Koalitionsvertrages bringen, der eine wirksame vertragliche Rüstungskontrolle und Abrüstungsinitiative in jedem Fall erhalten will und ausbauen will, und dem entspricht gerade dieses geostrategische System nicht, und das bricht ja auch zwei europäische Länder aus der NATO und aus der Europäischen Union und stört damit auch die Sicherheitsarchitektur in Europa.
Sagenschneider: Nun ja, aber wenn man wie Herr Beck Raketenabwehrsysteme oder dieses US-Raketenabwehrsystem schlankweg verwirft, dann braucht man ja darüber gar nicht erst in der NATO zu diskutieren, und dafür plädiert die SPD ja eigentlich auch. Das ist ein Widerspruch.
Kolbow: Das ist kein Widerspruch, denn die Regierung muss versuchen, mit ihrem Möglichkeiten es zu erreichen, was auch unmöglich erscheint. Deswegen auch der Satz des Außenministers, natürlich sind nationale Initiativen eines jeden Landes zu respektieren, aber ob das sinnvoll ist und ob das nun auch im Sinne Europas und auch jetzt des Bündnisses der NATO ist, das steht sehr dahin, und das ist die Schlüsselfrage, die dort debattiert wird, denn zur Vermeidung globaler oder auch regionaler Rüstungswettläufe ist ein kooperativer Ansatz erforderlich, der Russland mit einbezieht, und auch da weist Kurt Beck und die SPD in ihrem Präsidiumsbeschluss darauf hin, dass die Regierung sich mühen muss, dass sie sie wieder reinholen muss, die Amerikaner. Das ist selbstverständlich, aber dass auch dann final gedacht und entschieden werden muss auf der Basis von Abrüstung und Rüstungskontrollvorstellungen der SPD und auch natürlich von Vermeidung von Geldausgaben in horrenden Beträgen, das sind 60 Milliarden Dollar, die bis 2014 hier aufgebracht werden, das versteht sich doch auch.
Sagenschneider: Trotzdem fragt man sich, woher diese Aufregung plötzlich rührt. Ist vielleicht doch an dem, was der frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Klaus Naumann, sagte, was dran, dass man sich hier vom russischen Präsidenten Putin manipulieren lässt? Denn das ist ja erst ein Thema, seitdem Putin so Furore gemacht hat auf der Sicherheitskonferenz in München.
Kolbow: Raketenthemen sind natürlich höchst sensible und sensitive Themen. Erinnern Sie sich an Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre, im Zusammenhang mit dem Nachrüstungsbeschluss, erinnern Sie sich an die Debatte über die strategische Verteidigungsinitiative SDI der Amerikaner, erinnern Sie sich an die National-Missile-Defense-Debatte 1999/2000/2001 und jetzt natürlich auch das US-Raketenabwehrschild ist höchst problematisch auch für den Weltfrieden und was Reaktionen angeht. Und wir rüsten ja jetzt, wenn das käme, dieses geostrategische Abwehrsystem der Amerikaner mit Tschechien und Polen, vor für etwas, was noch gar nicht da ist, anstatt alle Anstrengungen darauf zu verwenden, die Iraner einzuhegen und davon abzuhalten und andere auch, die dort auf der Liste von gefährlichen Staaten stehen.
Sagenschneider: Nun gut, aber Ihr SPD-Kollege Hans-Ulrich Klose sagt ja auch, die Bedrohung aus dem Iran muss man schon ernst nehmen, und deswegen sollte man auch ernsthaft über ein Raketenabwehrsystem nachdenken.
Kolbow: Das wird ja in der NATO auch getan, soweit es die Einsatzgebiete angeht, wo man Soldaten hinschicken muss auf Grund von politischer Entscheidung, und es wird immer verwechselt mit dem geostrategischen System der Amerikaner, die nun Alleingänge machen wollen und Europa trennen wollen mit Polen und Tschechien. Natürlich muss man über Sicherheit nachdenken, das ist ja nicht die Frage, und das tun wir Fachpolitiker jeden Tag und die Bundesregierung auch. Aber man muss auch das Ende bedenken von Plänen, die auf den Tisch kommen, und wenn die die Architektur empfindlich stören, wenn die zu horrenden Geldausgaben und damit auch, wenn man die russischen Interkontinentalaktivitäten auch betreibt, zur Zerstörung des Abrüstungsregimes insgesamt führen, das ja begonnen worden ist mit dem Austritt aus dem ABM-Vertrag der Amerikaner, dann haben wir eine bedrohliche Situation, die man natürlich nicht nur beschreiben, sondern die man auch mit politischen Haltungen begegnen muss, und das tut die Sozialdemokratie mit ihrem Vorsitzenden.
Sagenschneider: So recht habe ich die Aufregung trotzdem immer noch nicht verstanden, denn die USA haben daraus ja kein Geheimnis gemacht. Also woher kommt es dann plötzlich, dass sich alle so aufregen? Also die EU wurde informiert, die NATO wurde informiert, Russland wurde informiert. Jetzt tun alle plötzlich so, als käme es wie Kai aus der Kiste und niemand hätte vorher was davon gewusst.
Kolbow: Also wir sind da auch nicht aufgeregt, sondern wir diskutieren engagiert. Natürlich war das auf der Tagesordnung. Ich will da auch in dem Zusammenhang sagen, dass bereits 2001 die rot-grüne Regierung im Zusammenhang mit der Gefechtsfeldentscheidung der NATO, also mit den taktischen Raketenabwehrüberlegungen darauf hingewiesen haben, dass diese nationale, globale Raketenabwehrsystem der Amerikaner höchst problematisch ist und auch Gerhard Schröder und seine Regierung darf nicht vereinnahmen werden für eine jetzige unterstellte Zustimmung zu dem, was die Amerikaner. Insoweit, will ich damit auch sagen, stand das immer auf der Tagesordnung derer, die sich zu kümmern hatten, nicht der veröffentlichten und öffentlichen Meinung. Das ist in der Tat durch Putin ausgelöst werden, aber das sind nun mal auch in der Medienwelt Reaktionen der Politik dann auf Debatten.
Sagenschneider: Ist es ein Unterschied, ob die USA ein Raketenabehrsystem in Europa planen oder die NATO darüber diskutiert, ob man ein Raketenschutzschild für Europa braucht oder will? Denn das passiert ja durchaus in der NATO.
Kolbow: Ja, sicherlich. Wir haben eine Machbarkeitsstudie vorliegen, aber das sind Reichweiten, die erheblich unter dem sind, was die Amerikaner brauchen, wenn sie jetzt in Polen und in Tschechien Raketen und Radar stationieren wollen, und deswegen ist das ein großer Unterschied, und der wird in dieser Debatte laufend verwechselt.
Sagenschneider: Vielen Dank für das Gespräch.
Walter Kolbow: Guten Morgen!
Sagenschneider: Wie steht es mit Ihnen, halten Sie es da mit Ihrem Parteivorsitzenden oder nicht?
Kolbow: Ja, ich halte es mit meinem Parteivorsitzenden, denn er muss zurecht annehmen, dass die Amerikaner die berechtigte Forderung, das in die NATO zu nehmen, diese geostrategische Raketenabwehrentscheidung der Amerikaner mit Polen und Tschechien, ablehnen, und dann haben wir Alleingänge, und dann hätten wir eine Trennung in Europa, so bisherige Einlassungen. Und deswegen muss man das im Zusammenhang mit dem multilateralen Geist auch des Koalitionsvertrages bringen, der eine wirksame vertragliche Rüstungskontrolle und Abrüstungsinitiative in jedem Fall erhalten will und ausbauen will, und dem entspricht gerade dieses geostrategische System nicht, und das bricht ja auch zwei europäische Länder aus der NATO und aus der Europäischen Union und stört damit auch die Sicherheitsarchitektur in Europa.
Sagenschneider: Nun ja, aber wenn man wie Herr Beck Raketenabwehrsysteme oder dieses US-Raketenabwehrsystem schlankweg verwirft, dann braucht man ja darüber gar nicht erst in der NATO zu diskutieren, und dafür plädiert die SPD ja eigentlich auch. Das ist ein Widerspruch.
Kolbow: Das ist kein Widerspruch, denn die Regierung muss versuchen, mit ihrem Möglichkeiten es zu erreichen, was auch unmöglich erscheint. Deswegen auch der Satz des Außenministers, natürlich sind nationale Initiativen eines jeden Landes zu respektieren, aber ob das sinnvoll ist und ob das nun auch im Sinne Europas und auch jetzt des Bündnisses der NATO ist, das steht sehr dahin, und das ist die Schlüsselfrage, die dort debattiert wird, denn zur Vermeidung globaler oder auch regionaler Rüstungswettläufe ist ein kooperativer Ansatz erforderlich, der Russland mit einbezieht, und auch da weist Kurt Beck und die SPD in ihrem Präsidiumsbeschluss darauf hin, dass die Regierung sich mühen muss, dass sie sie wieder reinholen muss, die Amerikaner. Das ist selbstverständlich, aber dass auch dann final gedacht und entschieden werden muss auf der Basis von Abrüstung und Rüstungskontrollvorstellungen der SPD und auch natürlich von Vermeidung von Geldausgaben in horrenden Beträgen, das sind 60 Milliarden Dollar, die bis 2014 hier aufgebracht werden, das versteht sich doch auch.
Sagenschneider: Trotzdem fragt man sich, woher diese Aufregung plötzlich rührt. Ist vielleicht doch an dem, was der frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, Klaus Naumann, sagte, was dran, dass man sich hier vom russischen Präsidenten Putin manipulieren lässt? Denn das ist ja erst ein Thema, seitdem Putin so Furore gemacht hat auf der Sicherheitskonferenz in München.
Kolbow: Raketenthemen sind natürlich höchst sensible und sensitive Themen. Erinnern Sie sich an Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre, im Zusammenhang mit dem Nachrüstungsbeschluss, erinnern Sie sich an die Debatte über die strategische Verteidigungsinitiative SDI der Amerikaner, erinnern Sie sich an die National-Missile-Defense-Debatte 1999/2000/2001 und jetzt natürlich auch das US-Raketenabwehrschild ist höchst problematisch auch für den Weltfrieden und was Reaktionen angeht. Und wir rüsten ja jetzt, wenn das käme, dieses geostrategische Abwehrsystem der Amerikaner mit Tschechien und Polen, vor für etwas, was noch gar nicht da ist, anstatt alle Anstrengungen darauf zu verwenden, die Iraner einzuhegen und davon abzuhalten und andere auch, die dort auf der Liste von gefährlichen Staaten stehen.
Sagenschneider: Nun gut, aber Ihr SPD-Kollege Hans-Ulrich Klose sagt ja auch, die Bedrohung aus dem Iran muss man schon ernst nehmen, und deswegen sollte man auch ernsthaft über ein Raketenabwehrsystem nachdenken.
Kolbow: Das wird ja in der NATO auch getan, soweit es die Einsatzgebiete angeht, wo man Soldaten hinschicken muss auf Grund von politischer Entscheidung, und es wird immer verwechselt mit dem geostrategischen System der Amerikaner, die nun Alleingänge machen wollen und Europa trennen wollen mit Polen und Tschechien. Natürlich muss man über Sicherheit nachdenken, das ist ja nicht die Frage, und das tun wir Fachpolitiker jeden Tag und die Bundesregierung auch. Aber man muss auch das Ende bedenken von Plänen, die auf den Tisch kommen, und wenn die die Architektur empfindlich stören, wenn die zu horrenden Geldausgaben und damit auch, wenn man die russischen Interkontinentalaktivitäten auch betreibt, zur Zerstörung des Abrüstungsregimes insgesamt führen, das ja begonnen worden ist mit dem Austritt aus dem ABM-Vertrag der Amerikaner, dann haben wir eine bedrohliche Situation, die man natürlich nicht nur beschreiben, sondern die man auch mit politischen Haltungen begegnen muss, und das tut die Sozialdemokratie mit ihrem Vorsitzenden.
Sagenschneider: So recht habe ich die Aufregung trotzdem immer noch nicht verstanden, denn die USA haben daraus ja kein Geheimnis gemacht. Also woher kommt es dann plötzlich, dass sich alle so aufregen? Also die EU wurde informiert, die NATO wurde informiert, Russland wurde informiert. Jetzt tun alle plötzlich so, als käme es wie Kai aus der Kiste und niemand hätte vorher was davon gewusst.
Kolbow: Also wir sind da auch nicht aufgeregt, sondern wir diskutieren engagiert. Natürlich war das auf der Tagesordnung. Ich will da auch in dem Zusammenhang sagen, dass bereits 2001 die rot-grüne Regierung im Zusammenhang mit der Gefechtsfeldentscheidung der NATO, also mit den taktischen Raketenabwehrüberlegungen darauf hingewiesen haben, dass diese nationale, globale Raketenabwehrsystem der Amerikaner höchst problematisch ist und auch Gerhard Schröder und seine Regierung darf nicht vereinnahmen werden für eine jetzige unterstellte Zustimmung zu dem, was die Amerikaner. Insoweit, will ich damit auch sagen, stand das immer auf der Tagesordnung derer, die sich zu kümmern hatten, nicht der veröffentlichten und öffentlichen Meinung. Das ist in der Tat durch Putin ausgelöst werden, aber das sind nun mal auch in der Medienwelt Reaktionen der Politik dann auf Debatten.
Sagenschneider: Ist es ein Unterschied, ob die USA ein Raketenabehrsystem in Europa planen oder die NATO darüber diskutiert, ob man ein Raketenschutzschild für Europa braucht oder will? Denn das passiert ja durchaus in der NATO.
Kolbow: Ja, sicherlich. Wir haben eine Machbarkeitsstudie vorliegen, aber das sind Reichweiten, die erheblich unter dem sind, was die Amerikaner brauchen, wenn sie jetzt in Polen und in Tschechien Raketen und Radar stationieren wollen, und deswegen ist das ein großer Unterschied, und der wird in dieser Debatte laufend verwechselt.
Sagenschneider: Vielen Dank für das Gespräch.