Kolbow: Keine Ablehnung, aber Zurückhaltung

Moderation: Frank Capellan |
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Walter Kolbow, hat auf den Wunsch des israelischen Ministerpräsidenten Olmert nach einer Beteiligung deutscher Soldaten an einer Friedenstruppe im Südlibanon zurückhaltend reagiert. Damit sei nur eine von mehreren Voraussetzungen für einen Bundeswehr-Einsatz im Nahen Osten erfüllt, sagte Kolbow. Auch der historische Zusammenhang im deutsch-israelischen Verhältnis und Kapazitätsfragen der Bundeswehr würden eine Entscheidung erschweren.
Frank Capellan: Am Telefon begrüße ich Walter Kolbow, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, bis zum Ende von Rot-Grün parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium. Guten Morgen, Herr Kolbow.

Walter Kolbow: Guten Morgen, Herr Capellan.

Capellan: Was nun, kann sich Deutschland dem israelischen Wunsch überhaupt entziehen?

Kolbow: Nun, die Zustimmung Israels, oder auch die Aufforderung oder Bitte, die ja jetzt durch Ministerpräsident Olmert geäußert worden ist, war eine der Voraussetzungen, unter denen man sich eine deutsche Beteiligung in einer internationalen Stabilisierungstruppe vorstellen konnte. Ich meine, dass trotz dieser Äußerungen nach wie vor die Auffassung, die die Bundeskanzlerin und der Außenminister äußern, dass wir nicht ablehnend einer solchen Beteiligung gegenüberstehen, sondern zurückhaltend, gilt. Und andere Voraussetzungen, natürlich auch der historische Zusammenhang des deutsch-israelischen Verhältnisses, aber auch natürlich Kapazitätsfragen, und insbesondere Fragen des Mandates, das in New York im Augenblick vom Sicherheitsrat erarbeitet wird, eine wichtige Rolle zur endgültigen Entscheidung am Ende, steht.

Capellan: Das ist genau die Frage: Die Befürworter eines deutschen Einsatzes sagen, gerade wegen der deutschen Vergangenheit müssen wir Israel zu Hilfe kommen - Betonung auf zu Hilfe kommen. Darf, kann Deutschland Partei ergreifen in diesem Konflikt?

Kolbow: Das ist in Deutschland unterschiedlich auch in der Bürgerschaft. Ich bekomme viele E-Mails, Briefe, die sagen, gerade weil wir in der Vergangenheit Schuld auf uns geladen haben und Verantwortung für Israel, jetzt natürlich für sein Existenzrecht haben, deswegen können wir uns nicht entziehen. Wenn Sie aber den Oppositionspolitiker Westerwelle heute in der Zeitung mit vier Buchstaben lesen, der zieht genau den gegenteiligen Schluss. Als größte Oppositionspartei ist das nicht unwesentlich, denn, ich meine, ein konsensuales Erarbeiten einer Position von uns ist möglich. Ich kann mir eine Kampfabstimmung über eine solche Beteiligung schlecht vorstellen. Aber wir müssen hier uns sehr politisch verhalten und deswegen wird am Ende der Entwicklung auf der Grundlage eines Mandates, das die internationale Sicherungstruppe bekommt, eine schwierige Entscheidung stehen, und die muss man dann treffen. Und ich muss sagen, das ist im Moment nicht, auch aus meiner Sicht, entscheidbar.

Capellan: Der von Ihnen gerade zitierte Westerwelle hat aber auch gesagt, stellen Sie sich einmal vor, was passiert, wenn ein deutscher Soldat in die Situation gerät, auf einen israelischen Soldaten schießen zu müssen. Haben Sie sich das auch schon einmal vorgestellt?

Kolbow: Das waren meine Argumente auch, die ich immer mit eingebracht habe im Zusammenhang mit den Fragestellungen vor der Bitte von Herrn Olmert, uns doch zu beteiligen. Und diese schwierige Situation bleibt natürlich bestehen und man muss sie mit einbeziehen in die Entscheidung, sie wiegt schwer.

Capellan: Der israelische Premier, Ehud Olmert, will von Gesprächen mit Syrien nichts wissen. Die hatte ja der deutsche Außenminister, Ihr Parteifreund Steinmeier, angeregt. Kann es eigentlich ohne Damaskus Frieden geben, oder ist auch das, dass man eben Syrien in Gespräche einbindet, eine Voraussetzung für einen deutschen Einsatz im Nahen Osten?

Kolbow: Ich meine, dass das nicht das letzte Wort Israels sein kann. Die Initiative von Außenminister Steinmeier hilft enorm. Und auch die Israelis müssen wissen, dass das Thema, das Islamisten aller Coleur eint, die heimatvertriebenen Palästinenser sind, und dass sich deren Schicksal sehr als Chiffre eignet, für jegliches Unrecht und Unterdrückung in der muslimischen Welt. Und deswegen brauchen wir einen Anlauf zu einem Verhandlungsfrieden zwischen Israel und den Palästinensern. Und da ist natürlich die Libanonfrage auch mit einbezogen. Und das wäre auch ein Beitrag zur Bekämpfung des radikalen Islamismus, und das hat mittlerweile auch Tony Blair erkannt, der türkische Außenminister als wesentlicher Repräsentant eines islamischen Landes hat darauf hingewiesen. Und Israel will jetzt auch wiederum durch die Aussage Olmerts nichts davon wissen. Und die Gespräche mit Syrien, mit den Nachbarstaaten Israels, sind unabdingbar und deswegen müssen wir sie führen.

Capellan: Herr Kolbow, aber zunächst einmal will ja Israel offenbar gar keine Gespräche. Erst die Friedenstruppe installieren, dann den Waffenstillstand ausrufen, das ist die Linie von Ehud Olmert. Ist das klug oder haben Sie Angst vor irakischen Verhältnissen, dass also die internationale Truppe da in einen Krieg hineingezogen wird?

Kolbow: Ich habe als erstes im Augenblick unheimliche Angst um die Menschen, die auf der Flucht sind. Das werden immer mehr. Wir kriegen immer noch nicht durch gesicherte Korridore die Menschen heraus und können Verletzte betreuen, können Medikamente, Nahrungsmittel nicht dorthin liefern und deswegen eine Feuerpause.

Capellan: Also Sie plädieren für einen sofortigen, bedingungslosen Waffenstillstand?

Kolbow: Einen sofortigen, bedingungslosen Waffenstillstand, in dem Wissen, und das ist nun das, was die schwierige Aufgabe der operativen Politik ist, dass es für diesen Waffenstillstand im Moment nicht die Partner gibt.

Capellan: Sind Sie denn da, Entschuldigung, Herr Kolbow, sind Sie da etwas enttäuscht von Ihrem Parteifreund dem Außenminister, Frank-Walter Steinmeier?

Kolbow: Überhaupt nicht.

Capellan: Aber der wollte sich doch in dieser Woche einer entsprechenden Forderung nach einem sofortigen, bedingungslosen Waffenstillstand - die kam von der finnischen EU-Präsidentschaft - der wollte er sich nicht anschließen.

Kolbow: Ja, das ist einer der wenigen, der Kontakte hat in alle Lager hinein und der vermitteln kann. Nicht ein offizieller Vermittler, aber einer, der die Gesprächspartner wieder binden kann und an den Tisch bringen kann. Und deswegen natürlich auch die Reaktion von Olmert daraufhin, denn das stünde ja auch der Linie, die Israel entwickelt, im Wege. Das ist auch eine Linie, die von den Vereinigten Staaten im Sicherheitsrat verfolgt wird.

Capellan: Die spielen auf Zeit.

Kolbow: Ja, und wir müssen auch an die Menschen denken, die da jetzt tagtäglich zu Tode kommen und von beiden Seiten angegriffen werden, die einen aus der Selbstverteidigung heraus und die anderen durch einen verantwortungslosen Angriff auf Israel. Aber hier zu einer Feuerpause zunächst und einem Waffenstillstand zu kommen, das ist ja das Ziel, auch von Steinmeier. Und der ist operativ tätig und deswegen verhält er sich, wie er sich verhalten muss, um dies am besten zu erreichen.

Capellan: Aber nach Waffenstillstand, pardon, sieht doch da nichts aus, oder? Nach Waffenstillstand sieht derzeit nichts aus!

Kolbow: Nach dem Interview heute, das Olmert gegeben hat, nicht, aber ich hoffe, dass die Verhandlungen in New York im Augenblick dies auch relativieren können. Und dass wir, mit unserer Möglichkeit mit allen Seiten zu reden, hier weiter Beiträge leisten können. Und dem dient die Arbeit von unserem Außenminister und deswegen sage ich noch einmal, er hilft enorm, bei dem Erreichen bei den von uns genannten Zielen.

Capellan: Die Ansicht von Walter Kolbow, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Ich danke Ihnen, auf Wiederhören.

Kolbow: Gerne.